Kommentar von Lydia Kaltenhauser
Farben des Lebens

Nebenbei schaue ich in meine Mails. „Franz ist tot“, steht da. „Er ist mit einem Lächeln eingeschlafen.“

Die Nachricht trifft mich nicht unvorbereitet, aber mitten ins Herz. Es ist Karsamstag. „Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen“. Der Korb für die Speisenweihe steht bereit. Meine Tochter wartet ungeduldig: „Wann gehen wir endlich los?“ In der übervollen Kirche ist die Stimmung gelöst. „Lass uns ein wenig an Franz denken, er ist jetzt auch auferstanden“, sage ich zu meiner Tochter. Sie verneint: „Da werd‘ ich nur traurig.“ Die Kinder klatschen, singen, feiern das Leben. Schließlich werden sie zum leeren Ostergrab gerufen. Strahlend kommt meine Tochter mit einem bunten Tuch zurück: „Das Grab ist leer! Wir haben die Farben des Lebens mitgebracht!“ Die Tränen, die ich die ganze Zeit über zurückgehalten habe, laufen mir jetzt über die Wangen. Ja, das sind sie, die Farben des Lebens. Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Schwarz und bunt liegen nebeneinander am Altar. Zurück daheim, erreicht mich eine WhatsApp mit Babyfoto: „Endlich ist er da!“ Eine aufreibende Schwan-gerschaft ist glücklich zu Ende gegangen. Manchmal feiern wir mitten im Tod ein Fest der Auferstehung.

Autor:

Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag

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