Initiative Christlicher Orient (ICO)
Bischof Glettler im Irak

Empfang im Dorf Heezawa, in dem 300 muslimische und 55 christliche Familien leben. | Foto: Pulling
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  • Empfang im Dorf Heezawa, in dem 300 muslimische und 55 christliche Familien leben.
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Bischof Hermann Glettler hat gemeinsam mit einer Delegation der „Initiative Christlicher Orient“ (ICO) den Nordirak bereist. Die Solidaritätsreise galt besonders der dort lebenden christlichen Minderheit und den Jesiden. Ein Bericht von Kathpress-Redakteur Georg Pulling, der die Reise begleitet hat.

Bischof Hermann traf unter anderem mit dem chaldäisch-katholischen Erzbischof von Mossul, Michael Najeeb Moussa, zusammen. Als die Terrormiliz IS im Sommer 2014 Mossul eroberte, mussten alle Christen fliehen. Seit der Rückeroberung der Stadt vor rund sechs Jahren ist aber erst eine geringe Zahl von Christen zurückgekommen. Erzbischof Najeeb berichtete von rund 50 christlichen Familien, nur ein Bruchteil der früheren christlichen Bevölkerung der Stadt. Viele weitere Christen hätten derzeit keine Chance zur Rückkehr, weil ihre Häuser und Wohnungen zerstört seien und sie auch keine Arbeit vor Ort hätten.

Bildungsarbeit

Dabei sei die Situation für eine Rückkehr derzeit recht günstig, so der Erzbischof. Mossul habe früher als eine Hochburg des Islamismus und Extremismus gegolten. Doch da unter der Schreckensherrschaft des IS nicht nur die Christen sowie Angehörige von religiösen Minderheiten gelitten hätten, sondern vielfach auch Muslime, habe dies bei vielen Menschen ein gewisses Umdenken ausgelöst. Dies biete die neue Chance für ein friedvolles Zusammenleben von Christen und Muslimen, zeigte sich der Bischof überzeugt. Zugleich brauche es noch viel Bildungsarbeit, um gegen den Islamismus in der Region anzukommen. Auch wenn der IS militärisch weitgehend besiegt wurde, sei seine Ideologie sei noch lange nicht zur Gänze verschwunden, mahnte der Erzbischof zur Wachsamkeit.Alle 35 Kirchen Mossuls wurden vom IS zumindest teilweise zerstört bzw. bei der Rückeroberung durch das irakische Militär und schiitische Milizen dem Boden gleich gemacht. Einige wenige Kirchen wurden inzwischen wieder hergestellt. Zur Erzdiözese Mossul gehören neben der Millionenstadt auch noch einige wenige Kleinstädte bzw. Dörfer in der Nähe. Insgesamt zählt die Schar der chaldäischen Christen, für die der Erzbischof zuständig ist, aber nur rund 950 Familien.

Nordirak

In der nordirakischen Stadt Zakho traf Glettler mit dem örtlichen Bischof Felix Al-Shabi zusammen. In der Diözese des Bischofs liegen zahlreiche abgelegenen Dörfer mit einer dramatischen Geschichte: Als der Konflikt zwischen dem Regime von Saddam Hussein und den Kurden in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre erstmals eskalierte, zerstörte die irakische Armee 20 Dörfer. In einem Dorf wurden sogar alle Bewohner ermordet. Die Christen wanderten in andere Landesteile ab, die meisten gingen nach Bagdad. In den verlassenen und noch bewohnbaren Dörfern der Christen wurden teilweise Kurden, Jesiden, aber auch Araber angesiedelt. Die kurdische Regionalregierung wollte nach 2003 die Christen wieder zurückholen und baute 16 Dörfer für jene Menschen, die vor dem Terror in anderen Landesteilen in die ruhigere Kurdenregion flüchteten. Die Menschen standen im Nordirak allerdings vor dem wirtschaftlichen Nichts. Die ICO half mit zahlreichen Projekten, die Wirtschaft in den Dörfern anzukurbeln, baute Kindergärten und half auch bei der Etablierung eines neuen kirchlichen Lebens in der Region. Dieses Engagement hat die ICO bis heute beibehalten. Beim Besuch in einigen Dörfern (Heezawa, Bersivey, Nafkandala und Levo) wurde die Österreich-Delegation von den Bewohnern und ganz besonders von den Kindern freudig begrüßt.Bischof Hermann zeigt sich von den Begegnungen tief beeindruckt: „Die Christen hier im Irak finden Halt und Widerstandskraft im Glauben. Berührend erlebbar in den lebendigen Gottesdiensten.“ Unterstützung bräuchten vor allem Kinder und Jugendliche: „Wenn sie keine Hoffnung haben, werde sie das Land verlassen“, so der Bischof. Darum sei das Ziel der Reise „die Ermutigung und Stärkung der Christen vor Ort. Sie sind Salz und Licht in den Ländern des Orients“.

Besuch bei den Jesiden

Doch nicht nur die Christen haben durch die IS-Herrschaft dramatisch gelitten. Noch schlimmer erging es den Jesiden. Bischof Glettler besuchte mit der ICO-Delegation das Dawidiya-Camp, in dem mehr als 3.500 Jesiden, darunter etwa 1.400 Kinder leben. Die Situation der Menschen wird dabei laut der Leiterin des Camps, Clara Eliea Gorial, immer prekärer, nachdem alle internationalen Organisationen ihre Hilfe eingestellt haben. Hintergrund der Maßnahme war, dass die Organisationen die Menschen zur Rückkehr in ihre Heimat im Sindschar im Nordwesten des Irak bewegen wollten. Doch dies sei nicht möglich, so Gorial. Die Häuser der Menschen seien zerstört, die Infrastruktur funktioniere nicht und die Sicherheitslage vor Ort sei katastrophal. Gorial: „Die Leute wollen zurück, niemand will im Camp bleiben. Aber es geht einfach nicht.“Da es keine internationale Unterstützung gibt, hat das Gesundheitszentrum im Lager weitgehend den Betrieb einstellen müssen. Auch die Schulen für die Kinder müssten dringend renoviert werden, berichtete die Leiterin. Im Winter würden die Kinder erbärmlich in den Räumen frieren. Die Flüchtlinge finden außerdem kaum Arbeit, berichtete Gorial. Das liegt u.a. auch an der Abgeschiedenheit des Camps in den Bergen Kurdistans. Die Menschen lebten in völliger Perspektivlosigkeit. Die 1.400 Kinder unter sieben Jahren kennen nichts anderes als das Camp, das zur Jahreswende 2014/15 eröffnet wurde. Zuvor wurden viele der Flüchtlingsfamilien von der chaldäischen Pfarre Enishke unweit des Camps versorgt und beherbergt. Die ICO trug damals maßgeblich zur Finanzierung dieser Hilfe bei.
Zigtausende Jesiden wurden ab August 2014 vom IS aus ihrer Heimat im Nordirak vertrieben, versklavt oder ermordet. Systematisch wurden Frauen und Kinder vergewaltigt. Gorial berichtete von zahlreichen traumatisierten Frauen und Kindern im Camp.

Großes Leid

Es gibt allein im Nordirak 30 Jesiden-Flüchtlingscamps wie jenes in Dawidiya. Beobachter gehen zudem von etwa 3.000 Jesiden aus, die weiterhin in der Gewalt der IS-Kämpfer oder vermisst sind. Die Jesiden sind eine religiöse Minderheit unter den Kurden. Ihr Glaube vereint Elemente verschiedener nahöstlicher Religionen, vor allem aus dem Islam, aber auch aus dem Christentum.Bischof Glettler zeigte sich nach seinem Besuch tief betroffen und rief dazu auf, sich mit dem Elend dieser Menschen nicht abzufinden.

Autor:

TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag

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