Franz Kogler leitet seit 30 Jahren das Bibelwerk Linz. Im Interview spricht er darüber, was ihn an der Apostelgeschichte fasziniert.
Was will die Apostelgeschichte?

Der Evangelist Lukas gilt als Autor der Apostelgeschichte. Er setzt seine Erzählung dort fort, wo er in seinem Evangelium aufhört: bei der Himmelfahrt Jesu. Im Bild eine Darstellung des Evangelisten von El Greco (1541-1614). | Foto: Rosenkranz
  • Der Evangelist Lukas gilt als Autor der Apostelgeschichte. Er setzt seine Erzählung dort fort, wo er in seinem Evangelium aufhört: bei der Himmelfahrt Jesu. Im Bild eine Darstellung des Evangelisten von El Greco (1541-1614).
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Die Apostelgeschichte entstand um 90 nach Christus, also zu einer Zeit, als das römische Reich seine größte Ausdehnung erreichte und in Blüte stand. Wie war das gesellschaftspolitische Umfeld der Christen damals?

Franz Kogler: Der Evangelist Lukas setzt seine Erzählung genau dort fort, wo er im Evangelium aufgehört hat, nämlich mit der Himmelfahrt Jesu in Jerusalem. Und die Apostelgeschichte endet dann in der damaligen Welthauptstadt Rom und erreicht damit ihr vorläufiges Ziel. „Vorläufig", weil das Evangelium – wie das letzte Wort der Apostelgeschichte festhält – "ungehindert" verkündigt wird. Somit soll das, was in Jerusalem begonnen und sich bis nach Rom bereits ausgebreitet hat, ungehindert weitergehen, bis nach z.B. Innsbruck und …Das Werk ist an Theophilus gerichtet, also an alle, die Gott (theos-) lieben (philos): an die Gottesfreunde. Die Christen waren damals eine ganz kleine Minderheit, die in Hausgemeinden strukturiert war. Um ja die Christen in keiner Weise zu gefährden, stellt Lukas sowohl im Evangelium als auch in der Apostelgeschichte die Christen als die „perfekten“ Staatsbürger dar, von denen keinerlei Gefahr für das römische Reich ausgeht.

Das Bild der Urkirche wird in der Apostelgeschichte in zum Teil sehr idealistischen Farben ge-malt: das Pfingstereignis, die Gütergemeinschaft usw. Entzieht das dem Werk nicht die notwendige Glaubwürdigkeit?
Kogler: Lukas hat keine Geschichte in unserem Sinn im Blick. Vielmehr „malt“ er seinen Leserinnen und Lesern oft eine ideale Position hin, damit sie im Blick auf diese Position ihr Leben überdenken und daran wachsen.
Lukas geht es weniger darum, dass es so gewesen ist – das wäre unsere Sicht –, sondern dass alle Lesenden sich sein Werk gleichsam als Spiegel vorhalten und sich daran stärken und wachsen.
In der Apostelgeschichte ist auch von schweren menschlichen Tragödien die Rede: von Verrat an der Gemeinde, Verhaftung und Verfolgung.

Welche Bedeutung hatten diese Ereignisse für die junge Kirche?
Kogler: Lukas blickt sehr realistisch in seine Gemeinden und verschweigt die großen Herausforderungen nicht, die sich in der Nachfolge stellen. Er sieht, wohin ein konsequentes Leben aus dem Glauben führen kann – und welche Konsequenzen das auf Seiten der Christen hat. Lukas will mit seiner Schrift nicht nur informieren, vielmehr will er seine Lesenden im besten Sinne des Wortes „unterhalten“, ihnen also Halt und Kraft geben.

Warum lesen Sie die Apostelgeschichte?
Kogler: Die Apostelgeschichte lässt mich eintauchen in eine staunenswerte Welt, in der der Regisseur für alle Beteiligten vollkommen klar ist: Vom ersten bis zum letzten Kapitel hat der Heilige Geist alles in der Hand. Lukas will mich einladen, diesen Heiligen Geist in den Blick zu nehmen und im Betrachten seines Wirkens zu wachsen, damit letztlich das Evangelium „mit allem Freimut, ungehindert“ weitergegeben wird. Mit diesen Worten endet das Werk des Lukas. Und diese Worte bietet er mir jedes Mal aufs Neue beim Lesen seines Werkes an: „mit allem Freimut, ungehindert“. Ob das nicht ein Programm für die heutige Situation der Kirche ist?

Das Interview führte Gilbert Rosenkranz

Autor:

TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag

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