Die Mirakelbücher im Innsbrucker Dom
Von erhörten und unerhörten Gebeten

Die Historikerin Aurelia Benedikt hat die spannende Geschichte der Mirakelbücher am Innsbrucker Dom erforscht. | Foto: Hölbling
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Das Archiv der Innsbrucker Dompfarre beherbergt eine reichhaltige Sammlung an Anliegen und Berichten von Gebetserhörungen. Die sog. „Mirakelbücher“ sind Zeugen der großen Beliebtheit der Wallfahrt zum Gnadenbild Mariahilf in der damaligen Stadtpfarrkirche. Die Historikerin und Ethnologin Aurelia Benedikt hat die 30 erhaltenen Bände wissenschaftlich erforscht. Während der Fastenzeit sind die Bücher am Nepomuk-Seitenaltar zu sehen.

Lange Zeit lagen sie unbeachtet in einem Winkel des Archivs der Dompfarre St. Jakob in Innsbruck. Bis die Historikerin und Ethnologin Aurelia Benedikt auf die Mirakelbücher aufmerksam wurde und sie wissenschaftlich ausgewertet hat. In ihrer Doktorarbeit, die im Vorjahr als Buch erschienen ist, gibt sie faszinierende Einblicke in diese einzigartigen Glaubenszeugnisse aus der Frühzeit des Gnadenbildes Mariahilf in Innsbruck. „Faszinierend ist die Vielfalt der Anliegen und die damit verbundenen Hoffnungen auf Gebetserhörung“, so Benedikt über den Inhalt der 30 Bände, die derzeit noch erhalten sind. Die Gebetsbitten wurden von den Gläubigen selbst geschrieben und anschließend in ein Buch eingeklebt. So sind ursprünglich 44 Bände zu je 100 Einträgen entstanden, weiß die Historikerin. Wann und wohin die fehlenden Bände verschwunden sind, konnte bisher nicht geklärt werden.

Bewegte Geschichte

Die Mirakelbücher hängen eng mit dem Gnadenbild Mariahilf zusammen, das am Hochaltar des Innsbrucker Doms zu sehen ist. „Zur Zeit, als die Mirakelbücher geschrieben wurden, befand sich das Bild am Seitenaltar der alten Stadtpfarrkirche“, erzählt Aurelia Benedikt. Und damit war es den Menschen viel näher. Bis es so weit war, hatte das Gnadenbild aber eine bewegte Reise hinter sich. Das Bild kam durch Fürstbischof Leopold V. nach Tirol. Dieser hatte das Bild als Gastgeschenk des protestantischen Kurfürsten von Sachsen erhalten. Als Leopold nach Tirol gerufen wurde, nahm er das Bild mit, das später unter seinem Sohn Ferdinand Karl in die damalige spätgotische Stadtpfarrkirche übertragen wurde. Es waren schließlich der Jesuitenpater Wilhelm von Gumppenberg, der einen lebendigen Wallfahrtsort etablieren wollte. „Er hat die Menschen ermutigt, ihre Gebetserhörungen schriftlich festzuhalten“, bereichtet Aurelia Benedikt von den Anfängen der Mirakelbücher: „Von März 1662 bis zum Jahr 1723 konnten insgesamt 42 Bände mit Mirakelberichten gefüllt werden". Allein in den ersten drei Jahren vom März 1662 bis zum März 1665 Jahren entstanden laut Aussage des Jesuitenpaters und Initiators der Wallfahrt in der St.-Jakobs-Kirche, Wilhelm von Gumppenberg, 13 Gnadenbücher mit je 100 Berichten.

Geburt, Gesundheit und Erbschaft

In den Einträgen spiegeln sich die Sorgen und Nöte der Menschen jener Zeit: Heilung von einer Krankheit, eine gut verlaufene Geburt, ein glimpflich verlaufener Unfall. Aber auch Erbschaftsstreitigkeiten fanden Eingang, erzählt Aurelia Benedikt. In einem Eintrag wird um Beistand in einem Streit zweier Geschwister gebeten. Wenig später war das Problem gelöst, die Schwester des Votanten war plötzlich gestorben...

Neue Kirche

Bei alledem hatten die Gläubigen keine Ahnung von der Herkunft des Bildes. „Man glaubte vor allem an die Heilkraft und Wirkmächtigkeit des Bildes. Wer der Urheber des Bildes war, war für die Votant/innen von sekundärer Bedeutung“, so Benedikt. Erst im 19. Jahrhundert sei das Interesse am Autor des Bildes und dessen künstlerischem Gehalt gewachsen. Mit der Errichtung der barocken Stadtpfarrkirche, die im Jahr 1724 abgeschlossen wurde, rückte das Gnadenbild Mariahilf weit weg von den Gläubigen und fand vorerst seinen Platz oberhalb des Tabernakels. „Dies war ein deutlicher Gegensatz zur Seitenkapelle der Vorgängerkirche, wo das Bild in greifbarer Nähe für die Gläubigen war“, so Benedikt. Bedeutung für die Ökumene. Heute nehme das Gnadenbild des Malers Lucas Cranach, der sich dem Reformator Martin Luther angeschlossen hatte, einen wichtigen Platz in der Ökumene ein, so Benedikt. Im Umfeld von Martin Luther ist es entstanden, von Kurfürsten wurde es verehrt und über Kopien hundertfach verbreitet. Und es bezieht auch die orthodoxen Gläubigen ein, zumal das Bild auf Vorbildern der Ikonenmalerei der Ostkirche beruht.
Während der Fastenzeit kann das Gnadenbild wieder aus der Nähe betrachtet werden. Es steht im Rahmen eines Kunstprojekts am Nepomuk-Seitenaltar, vor dem auch die Mirakelbücher zu sehen sind.

Autor:

Walter Hölbling aus Tirol | TIROLER Sonntag

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