Zum Palmsonntag
Erfolg und die Nähe zur Macht sind nicht die Sache Gottes

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit!“ Nein, das ist kein redaktioneller Fehler, auch wenn die eben zitierte Textzeile tatsächlich zu einem beliebten Adventlied gehört. Das im 17. Jahrhundert entstandene Lied passt aber doch eigentlich perfekt zum Palmsonntag, insbesondere, wenn man auf die selten gesungene vierte Strophe sieht, in der es heißt: „Die Zweiglein der Gottseligkeit steckt auf mit Andacht, Lust und Freud; so kommt der König auch zu euch, ja, Heil und Leben mit zugleich.“

Ein königlicher Empfang wird Jesus bereitet und zugleich ruft ihn eine begeisterte Menge mit ihrem Hosianna um Hilfe an. So sehen wir ihn gern unseren Gott; als starken Retter, als bejubelten König, als einen, dem die Massen zuströmen.Doch dieses Narrativ, wie man es heute gern ausdrückt, passt im Grunde gar nicht zum Advent, denn der Erwartete kommt schließlich als verletzliches Kind in ein unbedeutendes Städtchen am Rande der Welt und wird über Jahrzehnte völlig unbeachtet bleiben. Das Narrativ passt zwar zum Palmsonntag, aber auch da nur kurzfristig. Und es passt nicht in unsere Gegenwart, denn die Zeiten der von begeisterten Gläubigen überquellenden Kirchen sind selbst zu Ostern längst vorbei.

Wir hätten es gern anders. Wir würden uns eine an der Weihnachtskrippe beginnende Erfolgsstory wünschen deren Finale Furioso am Palmsonntag stattfindet.

Doch da kommt immer noch die Karwoche mit ihrem Absturz. Der quantitative Erfolg und die Nähe zur Macht nach irdischen Maßstäben sind die Sache unseres Gottes offenbar nicht.Einem Gott, der auf der Seite der Armen steht, stimmt man gern zu, insbesondre, weil man sich ja selbst gern unter die Armen rechnet. Irgendwer ist schließlich immer reicher, bevorzugter, glücklicher als ich es bin. Mit einem Gott, der selbst arm wird und sogar zu scheitern wagt, freundet man sich deutlich schwerer an. Das gilt auch und gerade für die Kirche. Im Dunstkreis der Machthaber zu stehen, ja selbst über ein gerüttelt Maß an Macht zu verfügen, das galt unserer Kirche über Jahrhunderte nicht nur als Beweis für die helfende Nähe Gottes, sondern auch als gut begründeter Anspruch. Immerhin stehen wir ja für Werte und Wahrheit ein.

Man muss gegenwärtig nicht mit dem Finger auf die russische Orthodoxie zeigen, um sichtbar zu machen, dass Anbiederung an weltliche Macht nur allzu leicht in fatale Sackgassen führt. Unsere eigene katholische Geschichte lehrt uns das zur Genüge. In der Nachfolge Jesu gehören wir nicht in die Vorhöfe der Macht. Dort läuft man stets Gefahr, seine Botschaft zu verleugnen.Denn von dem König, den wir am Palmsonntag empfangen, sagt das eingangs zitierte Lied auch, dass sein Gefährt Sanftmütigkeit, sein Königskron Heiligkeit und sein Zepter Barmherzigkeit ist. Deshalb reitet er auf einem lächerlichen Esel und nicht auf einem Schlachtross, deshalb wird er, dem man jetzt zujubelt, sich in ein paar Tagen nicht zu gut sein, sich auf den Boden zu knien und uns die Füße zu waschen. Auch wenn es unbequem ist, dort gehören auch wir hin, als Christ/innen in der Welt.

Wilhelm Guggenberger ist Dekan der Theologischen Fakultät der Universität innsbruck

Autor:

TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ