Nachgefragt bei der Tourismusexpertin
„Viele wollen einen ­bewussteren Urlaub erleben“

Verstärkt auf Qualität, nicht auf Masse sollte der heimische Tourismus setzen, sagt Eva Brucker.  | Foto: FH Salzburg
  • Verstärkt auf Qualität, nicht auf Masse sollte der heimische Tourismus setzen, sagt Eva Brucker.
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Die Corona-Pandemie hat das Urlaubsverhalten verändert. Ob die Krise den Tourismus nachhaltig verwandeln wird, ist für Eva Brucker, Leiterin des Studiengangs Innovation und Management im Tourismus an der FH Salzburg, noch nicht entschieden.

Gibt es neue Urlaubswünsche, andere Reisemotive als vor der Krise?
Wir haben schon im vergangenen Frühjahr eine Untersuchung gemacht. Gefragt waren da sehr stark Regionalität, die Natur für Aktivitäten nutzen, erdgebundene Reiseziele, keine Massenansammlungen am Urlaubsort und natürlich Sicherheitsaspekte. Der Wunsch, im Urlaub nicht nur inszenierte, sondern nachhaltige, transformative, sinnstiftende Erlebnisse zu haben, ist durch die Krise bei vielen Menschen stärker geworden. Das Interesse am Reisen, ja die Sehnsucht danach ist aber ungebrochen.

War der Nachhaltigkeitsgedanke nicht schon vorher da?
Tendenzen dazu gibt es schon länger, das Thema Nachhaltigkeit ist grundsätzlich wichtiger geworden. Aber verfolgt man ­aktuelle Erhebungen, gibt es meiner ­Meinung nach zwei widersprüchliche Entwicklungen. Viele haben sich in der jetzigen Krise mit grundsätzlichen Lebensfragen auseinandergesetzt und wollen daher auch einen bewussteren Urlaub erleben. Eine gute Chance für den heimischen Tourismus. Gleichzeitig gibt es aber „Nachholeffekte“. Viele Menschen sagen, Hauptsache, wir können wieder zurück zur alten Normalität, wir freuen uns einfach, wenn wir das, was uns abhanden gekommen ist, wieder erleben und reisen können ohne Einschränkungen. In Großbritannien hat man jüngst gesehen, wie es nach den Ankündigungen für einen normalen Sommer einen Massenansturm auf klassische Buchungen gegeben hat.

Ein Rebound-Effekt, also zurück zur Vorkrisen-Zeit?
Ja, den wird es geben. Kaum waren im ­letzten Sommer die Grenzen wieder offen, haben die Reisen ans Mittelmeer wieder stattgefunden. Trotzdem sehe ich die ­Chance auf Veränderungen. In der ­Branche ist jetzt Zeit, Dinge zu ­überdenken, sich etwa mit der Besucherlenkung zu ­beschäftigen, um keine überlaufenen Orte entstehen zu lassen. Man hat schon letzten Sommer gesehen, dass im ländlichen Raum, wie etwa in Kärnten, die Buchungen stark gestiegen und plötzlich neue Orte an der Grenze zum Overtourism entstanden sind.

Ist Corona ein Wendepunkt hin zum nachhaltigen Wandel der Branche?

Das lässt sich schwer prognostizieren. Viele Wissenschaftler und auch Praktiker sagen, jetzt haben wir den perfekten Sturm, der alles in Frage stellt und damit neue Wege eröffnet. Weg von Massenveranstaltungen und Overtourism. Das sollte man nutzen. Dem steht aber wie erwähnt der Nachhol­bedarf gegenüber, die Rückkehr in traditionelle Verhaltensweisen. Das kennen wir schon aus früheren Krisen. Es liegt bei den Nach­fragern, ob sie das, was ihnen in der Krise wichtig geworden ist, beibehalten und in ihrem künftigen Reiseverhalten um­setzen. Es liegt ebenso an den Anbietern, neue ­Angebote zu schaffen.

Auf welche Angebote sollte gerade der heimische Tourismus künftig setzen?
Die große Gästeschar etwa aus Südostasien wird so schnell nicht zurückkehren, eher ­Urlauber aus unseren Nachbarländern, aus Mitteleuropa und Österreich selbst. Die haben jedoch ein anderes Reiseverhalten, sind eher Einzelreisende und legen Wert auf Qualität. Das heißt, bei der Produktgestaltung muss der einzelne Gast im Mittelpunkt stehen, es darf nicht an die Masse gerichtet sein. Qualitätstourismus ist also ganz ­wichtig. Es steht auch die neue Gestaltung der Gast-Gastgeber-Beziehung im Mittelpunkt. Reisende suchen nach Beziehungen und Gastgeber können eine neue ­Beziehungsqualität entstehen lassen.

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