Betriebsseelsorge
Wie machen wir weiter?

Die Coronakrise erschüttert den Arbeitsmarkt. Österreich verzeichnet mit Ende März 562.522 Arbeitslose – ein historischer Rekord. Wie die Betriebsseelsorge in der Erzdiözese Salzburg die Situation einschätzt, schildern die Verantwortlichen dem Rupertusblatt.

Österreich veranlasste Mitte März als erstes europäisches Land den Lockdown – und ist jetzt wieder eines der ersten, das Schritte zur Normalität setzt. Doch zunächst eine Rückblende: Der Schreck am 13. März war groß, als das Herunterfahren Österreichs auf ein Minimum angekündigt wurde. „Da war noch in keiner Weise absehbar wie lange diese Situation anhält“, erinnert sich Hadwig Soyoye-Rothschädl, Mitglied beim „Runden Tisch Bedingungsloses Grundeinkommen“ im ABZ – Haus der Möglichkeiten in Itzling. Mittlerweile falle die Beurteilung der Lage realistisch aus. Niemand gehe von einem raschen und nahtlosen Wiederanspringen der Wirtschaft aus.
Die Coronakrise bescherte Österreich trotz Kurzarbeit eine extrem hohe Arbeitslosigkeit. Eine Erklärung dafür hat Betriebsseelsorgerin Angelika Fuchs: „Viele kleine Betriebe wussten gar nicht, wie sie mit dem Kurzarbeitsmodell umgehen sollten, weil es eher für größere Unternehmen konzipiert ist. Dazu kommt: Dort, wo Betriebsräte sind, gab es weniger Kündigungen. Die Kleinunternehmer haben ihre Mitarbeitenden gekündigt.“ Die Folge: Familien, die nun plötzlich ihren Kredit nicht mehr bedienen oder ihre Mieten nicht zahlen können.

Kreative Lösungen sind gefragt

In zunehmender Not seien diejenigen, die durch das Raster der sozialen Absicherung fielen, wie Soyoye-Rothschädl unterstreicht: „Das sind Menschen, die sich bisher geringfügig mit einem oder mehreren Minijobs über Wasser gehalten haben und nun ohne Einkommen dastehen. Sie bekommen vom AMS keine Unterstützung. Das betrifft besonders Frauen und Menschen in der Gastronomie.“ Die Plattform für Menschenrechte in Salzburg und die Katholische Aktion haben deshalb einen Corona-Solidaritäsfonds eingerichtet. „Alles aufzufangen, was durch den Stillstand kaputt gemacht wurde, ist aber nicht möglich.“ Und ob die staatlichen Hilfen ausreichen, lasse sich noch nicht sagen, meint Fuchs. Sie plädiert für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes (derzeit 55 Prozent des Nettoeinkommens) und bringt das Bedingunsglose Grundeinkommen (BGE) ins Spiel. In dieselbe Kerbe schlägt Soyoye-Rothschädl: „Die Herausforderung ist, dass nicht große Unternehmen die finanziellen Mittel des Staates überdimensional in Anspruch nehmen, obwohl sie auf Gewinne zurückgreifen könnten. Aufgrund der längerfristigen Folgen sind kreative Lösungsansätze wie ein existenzsicherndes bedingungsloses Grundeinkommen gefragt.“ Gerade in so einer Krisensituation, in der völlig unklar sei, wie lange sie andauere, gebe diese kontinuierliche Zahlung für alle Sicherheit. „Es wäre ein Notfall-Grundeinkommen, das wieder endet. Trotzdem könnten wir daraus einiges lernen“, ist Fuchs überzeugt, die noch ergänzt: „Das häufig geäußertes Argument gegen das BGE lautet: Wer würde dann noch arbeiten? Doch das stimmt nicht, wie uns die Erfahrung momentan zeigt. Menschen, die gerade nicht arbeiten können, würden nichts lieber tun als das.“

Betriebsseelsorge: Zuhören und Begleiten

Für die Kirche gibt es während und nach der Krise viel zu tun. Beim Corona-SorgenTelefon melden sich unter 0800/500 191 immer wieder Menschen, die von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit bedroht oder betroffen sind. Wobei für Fuchs das Zuhören und Dasein immens wichtig sind: „Das Zwischenmenschliche hat einen unschätzbaren Wert. Wir sind für die Menschen in Gesprächen und im Gebet da. Uns geht es außerdem darum, ein Sprachrohr zu sein für die, die sich selbst nicht äußern und ihre Rechte nicht einfordern können.“

Sind wir „danach“ andere Menschen?

Betriebsseelsorger Heiner Sternemann nimmt den wachsenden Wunsch wahr, dass sich „nachher“ etwas ändert. Er ermutigt, sich auf Fragen einzulassen: Kann ich „nachher“ so weitermachen wie bisher? Viele reden von Chancen durch den Stillstand. Welche sind das für mich? Nutze ich sie? Könnte ich dorthin schauen, wo ich schon immer hin-schauen wollte? „Die Betriebsseelsorge will hier Hilfe leisten, in der Hoffnung, dass wir nach der Krise etwas andere Menschen sind, die ein bisschen mehr so sind, wie wir es schon immer sein wollten“, sagt Sternemann. Die Gedanken eines Industriearbeiters zielen in genau diese Richtung. Für den 49-Jährigen war es anfangs schwierig: „Der ganze Betrieb ist in einen richtigen Krisenzustand gefallen. Keiner wusste, wer was machen sollte, es gab ganz viele Unklarheiten.“ Mittlerweile beurteilt er die Bremse differenzierter: „Die Umwelt atmet auf und ich persönlich auch. Ich bin dankbar für das, was wir haben.“ Leider können das nicht alle so gelassen sehen, gerade ärmere Menschen werden erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. „Für sie wollen wir als Kirche Partei ergreifen“, betont Betriebsseelsorger Sternemann.

Ingrid Burgstaller

Foto: RB/CGN089/shutterstock.com

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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