Familie
Demokratie braucht Kindeswohl

Eine kinderfreundliche Gesellschaft ist eine Voraussetzung dafür, dass Demokratie Bestand hat, sagt Irmgard Griss.   | Foto: RB/dap
  • Eine kinderfreundliche Gesellschaft ist eine Voraussetzung dafür, dass Demokratie Bestand hat, sagt Irmgard Griss.
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Irmgard Griss ist Vorsitzende der Kindeswohlkommission der Bundesregierung. Die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes und Bundespräsidentschaftskandidatin stellt sich im Interview Fragen über das Muttersein, den Schutz von Kindern und des Lebens. Griss war vor kurzem zu einer Tagung im Salzburger Kapitelsaal – eine Kooperation der Universität Salzburg mit der Katholischen Aktion Salzburg.

von David C. Pernkopf

Rupertusblatt: Warum brauchen Kinder besonderen Schutz? Genügen Menschenrechte für Kinder nicht? Braucht es Kinderrechte?
Irmgard Griss: Kinder können sich nicht selbst schützen. Sie sind die Zukunft dieser Gesellschaft und brauchen die Extradosis an Förderung und Unterstützung, um sich entwickeln zu können. Es braucht die Diskussion über Kinderrechte, damit Menschen erkennen: Kinder haben Rechte, die sogar verfassungsrechtlich abgesichert sind, sie sind keine bloßen Anhängsel ihrer Eltern.

RB: Wo in unserer Gesellschaft muss diese Erkenntnis geschärft und wie sollen Kinderrechte konkret umgesetzt werden?
Griss: Besonders notwendig ist das im Bereich des Asyl- und Fremdenrechts. Dafür ist unsere Kommission von der Bundesregierung eingerichtet worden. Wenn Kinder, die fast ihre ganze Kindheit und Jugend hier verbracht haben, in das Herkunftsland der Eltern zurückgehen müssen, können Kindeswohl und Kinderrechte gefährdet sein. Es gibt aber auch in vielen anderen Bereichen noch blinde Flecken. Es braucht eine ständige Kindeswohlkommission, die prüft, wie es um die Kinderrechte in Gesetzgebung und Vollziehung steht. Was aktuell an Gesetzen beschlossen wird, bestimmt ja die Zukunft und das Leben unserer Kinder. Beim Klimaschutz ist es offensichtlich. Das Gleiche gilt für die Staatsfinanzen und das Pensionssystem. Wir müssen daher immer fragen: Wie wirkt sich die Gesetzgebung auf das Wohl und die Zukunft unserer Kinder aus? Da ist noch sehr viel Luft nach oben.

RB: Wie hat sich Ihr Leben verändert, als Sie Mutter wurden? Was haben Sie gelernt, das Sie jetzt in Ihre Arbeit einbringen können?
Griss: Ich habe erst spät Kinder bekommen. Eine sehr positive Erfahrung war für mich, dass sich die Sinnfrage nicht mehr gestellt hat. Ich musste für die Kinder da sein und gleichzeitig meinen Aufgaben als Richterin gerecht werden. Das hat mein Leben ausgefüllt. Kinder brauchen diese umfassende Sorge, damit sie entwickeln können, was in ihnen steckt. Ich wünsche allen Kindern und auch den Eltern diese Erfahrung.

RB: Kinder brauchen Schutz. Das würde jeder unterschreiben. Beim Lebensschutz scheiden sich die Geister, obwohl es ein Leben ist, das ganz von einem anderen abhängt, ganz schutzbedürftig ist. Welche Position beziehen Sie in der Frage Lebensschutz und Abtreibung?
Griss: Kinderschutz ist eindeutig. Ein Kind ist schwächer, es muss geschützt werden. Beim Lebensschutz ist es anders. Hier laufen zwei Interessen gegeneinander. Das Interesse des Ungeborenen, auf die Welt zu kommen, und das Interesse der Mutter, in dieser Lebenssituation kein Kind zu haben. Hier müssen wir abwägen: Ist die Mutter bereit und fähig, dem Ungeborenen ein Leben zu ermöglichen, in dem es sich entfalten kann? Auch im Interesse des Kindes müssen wir auf die Situation der Eltern Rücksicht nehmen und dürfen nicht einseitig für den Lebensschutz des Ungeborenen plädieren. Da maßt man sich an, über das Schicksal von Menschen zu bestimmen.

RB: Ist dann Abtreibung für Sie ein Menschenrecht? Das EU-Parlament hat einen entsprechenden Entschließungsantrag angenommen. Stimmen Sie dem zu?
Griss: Das ist ein schwieriger Slogan. Ich würde es so nicht sagen. Ich würde auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau oder der Eltern verweisen. Und wir müssen als Gesellschaft Verhältnisse schaffen, die es Eltern und vor allem Frauen ermöglichen, Kinder zur Welt zu bringen. Dazu müssen wir die Beratungsleistungen verbessern, finanzielle und psychologische Hilfen verstärken. Es gibt immer wieder Frauen, die sich völlig allein gelassen fühlen.

Wordrap und Kurzbio

Glauben ist – Teil meiner Identität.
Hoffnung ist – lebensnotwendig.

Liebe ist – lebensnotwendig.

Wer ist Gott? – Das weiß ich nicht.


1946 geboren, studierte Irm­gard Griss Rechtswissenschaften in Graz und Harvard. Sie arbeitete als Richterin bis sie 2007 zur Präsidentin des Obersten Gerichtshofs ernannt wurde. 2016 trat sie bei der Präsidentschaftswahl als unabhängige Kandidatin an. Von 2017 bis 2019 saß sie für die Partei NEOS im Nationalrat.

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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