Katholische Kirche erlaubt Segnung für homosexuelle Paare

Es ist eine Revolution mit Wenn und Aber. Manchmal gehen Entwicklungen doch schneller als erwartet, befindet der Brixener Moraltheologe Martin M. Lintner.

Man habe bereits seit einigen Jahren gespürt, dass Papst Franziskus die Situation in der Kirche im Umgang mit irregulären Beziehungen verändern möchte. Und dennoch kam die Erklärung „Fiducia supplicans“ (Flehendes Vertrauen) des vatikanischen Glaubensdikasteriums nun überraschend, meint ein sehr genauer Kenner der Lage – der Brixener Moraltheologe Martin M. Lintner. Nichts habe darauf hingedeutet, dass sich so schnell etwas ändern würde.

NEUES SEGENSVERSTÄNDNIS
Was aber ändert die Erklärung überhaupt? Im Vergleich zu einer Stellungnahme derselben Behörde im Jahr 2021, die damals noch Glaubenskongregation hieß, ist tatsächlich Grundlegendes neu: Die Kirche habe nicht die Befugnis, gleichgeschlechtlichen Verbindungen den Segen zu erteilen, hieß es damals noch. Eine Segnung homosexueller Paare durch Priester sei daher nicht erlaubt. In der Erklärung vom 18. Dezember 2023 heißt es hingegen: „Wenn also Menschen einen Segen erbitten, sollte eine umfassende moralische Analyse keine Vorbedingung für die Erteilung des Segens sein.“ Im Grunde ändert die Erklärung damit nicht die Lehre über homosexuelle Handlungen, sondern die Lehre über das Segnen.

POTENZIAL FÜR MEHR
Das mag man für spitzfindig halten, aber das Resultat ist dennoch eine kleine Revolution, die sich zu einer großen entwickeln könnte. „Ich glaube, dass es nicht der letzte Schritt sein wird“, meint Martin M. Lintner. Die Praxis werde im Lauf der Zeit auch Auswirkungen auf die Lehre haben, ist er überzeugt. Und was ist mit den Katholikinnen und Katholiken, die mit dem neuen Ton im Glaubensdikasterium keine Freude haben? Sie müssten sich fragen, so Lintner, ob sie nur dann in Treue zum Papst stünden, wenn er macht, was sie wollen. Papst Franziskus habe seine Kritiker:innen bereits lange gewähren lassen. „Das hätten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. nicht so lange gelten lassen.“ Franziskus nehme dasselbe Recht wie seine Vorgänger in Anspruch: dass er als Papst und Pontifex in seinem Gewissen Entscheidungen trifft, die nicht nur Privatangelegenheit sind, sondern zum Weg der Kirche werden.

NICHT NUR HOMOSEXUELLE PAARE
Die Erklärung, die vom Präfekten des Glaubensdikasteriums, Kardinal Víctor Manuel Fernandez, unterzeichnet ist, bezieht sich nicht nur auf homosexuelle Paare, sondern auch auf andere irreguläre Beziehungen, etwa Geschiedene in neuen Partnerschaften. Wichtig ist im vatikanischen Schreiben, dass die Segnungen nicht mit Hochzeiten zu verwechseln sein dürfen und nicht im Rahmen eines Gottesdienstes gespendet werden sollen. „Daher sollte die seelsorgerische Sensibilität der geweihten Amtsträger auch darin geschult werden, spontan Segnungen auszusprechen, die nicht im Benediktionale zu finden sind.“

POSITIVES ECHO IN ÖSTERREICH
Die österreichischen Bischöfe begrüßen die Erklärung. Segnen sei ein Grundbedürfnis, „das grundsätzlich niemandem verwehrt werden darf – wie Brot“, so der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner.

MONIKA SLOUK

Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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