Großes Pilgerziel Europas
Mont Saint Michel: Berg des Erzengels

Eines der großen Pilgerziele Europas: der Mont Saint-Michel. | Foto: David Rosenkranz

„Michael“ stammt aus dem Hebräischen und heißt „Wer ist wie Gott?“. Die Frage hat Menschen über Jahrhunderte bewegt und war namensgebend für eine Vielzahl von Wallfahrtsorten. Einer der berühmtesten ist der Mont Saint-Michel. Die Insel an der Küste Nordfrankreichs zieht jedes Jahr Millionen von Besucher/innen an. Mittlerweile lebt auch wieder eine Klostergemeinschaft dort.

Mont-Saint-Michel ist mit nur 30 Einwohnern und 300 Metern Durchmesser eine der kleinsten Gemeinden Frankreichs. Das UNESCO-Weltkulturerbe wird jährlich von ca. 3,5 Millionen Menschen besucht und ist somit eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Frankreichs. Der Granithügel ist nur wenige hundert Meter vom französischen Festland entfernt. Er war daher auch strategisch von überaus großer Bedeutung. Kein Wunder, dass kriegerische Auseinandersetzungen in der Geschichte eine große Rolle spielen. Die Insel wurde immer wieder belagert, einmal sogar elf Jahre lang. Doch die Insel ist weit mehr als das: ein Ziel für Pilger aus der ganzen Welt – und das seit dem 8. Jahrhundert.

Ein Traum stand am Anfang. Im Jahre 708 erschien der Erzengel Michael dem Bischof Aubert im Traum. Er soll ihn dazu aufgefordert haben, auf der Insel eine Kirche zu bauen. Der Bischof schien dem Traum nicht ganz zu trauen und ließ erst nach einigem Zögern mit dem Bau beginnen. Das Heiligtum faszininierte – auch die Benediktinermönche, die hier ein Kloster gründeten, das in den folgenden Jahrhunderten immer stattlichere Ausmaße annahm. Pilger kamen aus ganz Europa – unterbrochen von Kriegswirren, die das Reisen zu gefährlich machten. Die strategisch günstige Lage und der Schein des Heiligen bewahrten den Berg vor Zerstörung und Brandschatzung. Zum Glück. Denn noch heute finden Besucher den Klosterberg so vor wie Pilger zu Beginn der Neuzeit.
Auch klösterliches Leben ist wieder eingezogen. Seit 2001 wird die Abtei von Brüdern und Schwestern der „Monastischen Gemeinschaften von Jerusalem“ bewohnt, der auch Laien angehören. In ihrer Spiritualität folgen sie dem Beispiel des Heiligen Charles de Foucauld. Sie arbeiten für ihren Lebensunterhalt halbtags in einem Beruf, die andere Tageshälfte widmen sie dem kontemplativen Gebet und der Gemeinschaft.

Wie eine Zeitreise. Wer den Mont Saint-Michel ansteuert, landet an einem der großen Parkplätze auf dem Festland. Am besten man ist ganz in der Früh dort. Nicht nur des Lichtes wegen. Dann hält sich auch der Besucherstrom noch sehr in Grenzen.
Mont-Saint-Michel fest im Blick, nähere ich mich dem magischen Berg – die letzten Meter über eine langgezogene Brücke. Zu dieser Zeit ist noch Ebbe, das Wasser weit weg. Am Fuß des Klosterberges haben sich viele Hotels, Restaurants und Andenkenläden angesiedelt. Das alte Mauerwerk ist noch weitestgehend erhalten. Es ist wie eine Zeitreise zurück ins Mittelalter. Bis hierher erinnert der Mont Saint-Michel mehr an eine Burg – mit vielen Schießscharten und Wehrtürmen. Durch wunderschöne Gassen und über hunderte Stufen erreiche ich den Eingang der Abtei. Hier begegne ich Schwestern der Gemeinschaft von Jerusalem, die leicht an ihrem weißen Gewand zu erkennen sind.

Blick über das Meer. Der Weg durch die Abtei beginnt am Vorplatz der Kirche. Mich erwartet eine überwältigende Aussicht über die Bucht von Mont-Saint-Michel. Die Ebbe verwandelt sie in eine Vielzahl von kleinen Flüssen, die sich zwischen den Sandbänken mäanderartig den Weg bahnen. Mächtig steht auf der Kirchturmspitze eine vergoldete Statue des Erzengels. Dazu der böige Wind und das gleißende Licht im noch fernen Meer. Ich mache ein paar Fotos und gehe ins Innere der Abteikirche. Die gotische Kirche mit ihrem schmalen, hohen Schiff und den vielen Seitenkapellen beeindruckt sehr. Deutliche Spuren hinterlassen haben hier die Fischer. Zu meiner Überraschung hängt ein großes Segelboot von der Decke.
Von der Abteikirche geht es weiter zum Kreuzgang mit seinem Paradiesgarten. Er ist so angelegt, dass sich von hier aus der Blick ins offene Meer öffnnet. Vom Watt ist immer weniger zu sehen, das Wasser dringt rasch weiter vor. Rund 14 Meter beträgt der Höhenunterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser hier. Unmittelbar an den Kreuzgang schließen der Speise- und Kapitelsaal der Mönche an, schlicht „das Wunder“ genannt. Der Name hat mit der Architektur zu tun. Es sind Säle, die in allen ihren Dimensionen ihresgleichen suchen.
Riesige Gewölbe, die auf einigen wenigen, filigran wirkenden Säulen zu ruhen scheinen. Dazu Fenster, die beinahe vom Boden bis zur Decke reichen und den Raum mit Licht fluten.
Durch Kapellen und ehemalige Aufenthaltsräume geht es hinaus vor die Tore des Klosters. Inzwischen sind die Straßen prall gefüllt, eine lange Schlange hat sich vor der Abtei gebildet, immer wieder laufe ich an stark bewaffneten Soldaten vorbei. Mein Blick fällt sofort hinaus aufs Meer, der Berg ist inzwischen sichtbar eine Insel. Das Wasser hat vom Watt Besitz ergriffen.«

David Rosenkranz

Autor:

TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag

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