Benediktinerin Carmen Tatschmurat im Interview
Das Leben neu ordnen

Als Benediktinerin der Münchner Abtei Venio verband Sr. Carmen Tatschmurat weltliche Berufstätigkeit mit einem intensiven geistlichen Leben. Ihre Erfahrungen gibt sie in einem Buch weiter.    Abtei Venio | Foto: Abtei Venio
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Carmen Tatschmurats Horizont ist so weit wie ihre Biographie: Wurzeln in Bayern und Turkmenistan, Soziologieprofessorin, Benediktinerin und Äbtissin, Leseratte. Nach ihrer Emeritierung nahm sie ihr Leben neu in den Blick – und hat ein Buch darüber geschrieben.

Nach vielen Jahren als Professorin und Äbtissin nahmen Sie sich eine einjährige Auszeit. Wie ging es Ihnen währenddessen?
Carmen Tatschmurat: Am Anfang, als ich von der Corona-Zeit sehr erschöpft war, fühlte
es sich wie Urlaub an. Doch dann habe ich mich gefragt: „Was tu‘ ich jetzt?“ Ich wollte mein Leben bewusst anschauen. Als Ordensfrau bin ich nicht einfach in Pension. Ich begann, Notizen zu machen, aus denen schließlich ein Buch entstand.

Was war am schönsten in dieser Zeit?
Tatschmurat: Die Zeit in der Natur – ich bin jeden Morgen schwimmen gegangen, war auch viel im Wald und habe mich dabei sehr mit Gott und der Welt verbunden gefühlt. Auch die andere Zeitstruktur hat gut getan – intensiv die Gegenwart nützen zu können, ohne viele Pläne.

Hat es Ihren Glauben verändert?
Tatschmurat: Glaube und Gottesbeziehung ändern sich ein Leben lang. Glaube ist ja mehr als ein Gefühl oder eine Wahrnehmung: ein inneres Wissen von der Gegenwart Gottes, das mich über alle Höhen und Tiefen und auch durch diese dichte Zeit begleitet hat. Stille Zeiten und Meditation sind mir in diesem Jahr noch wichtiger geworden.

Haben Sie auch viel gelesen? In Ihrem Buch widmen Sie dem Lesen ein ganzes Kapitel...
Tatschmurat: Ja, denn ich habe schon immer viel gelesen. Gebet, Arbeit und Lesung sind die drei Pfeiler geistlichen Lebens nach der Benediktregel. Für mich ist das nicht auf geistliche Literatur beschränkt, denn durch das Lesen entdecke ich die Welt und entschlüssele viel.

Das wird an den vielfältigen Quellen Ihres Buches deutlich – von Netflix bis Marie Kondo über Krimis... Wie kommt es dazu?
Tatschmurat: Mein Vater war Journalist bei Radio Free Europe, ich habe in den 70er Jahren Soziologie studiert, später kam die Spiritualität dazu. Mein Impuls in dieser Vielfalt war und ist, die Welt zu verstehen. Dabei bleibe ich, auch wenn die Welt stets unübersichtlicher und schwerer verständlich wird.

Wie gehen Sie mit dieser Unübersichtlichkeit um, die viele Menschen belastet?
Tatschmurat:
Auch ich bin oft zutiefst verwirrt und beunruhigt. Ich habe nicht auf alles Antworten, aber große Fragen. Aber ich bin überzeugt, dass es gerade dann umso wichtiger ist, den Alltag gut zu leben, Frieden zu bewahren, im Gespräch zu bleiben. Und mir aus all dem scheinbar Kleinen heraus immer wieder die Frage zu stellen: Was bedeutet das alles von Gott her?

Ist das so etwas wie die Quintessenz Ihres Buches?
Tatschmurat: Ja, es geht darum, sich auf den Weg zu machen zu dem, was gerade wichtig ist – in dem Versuch, alles, was wir tun, in einen größeren Kontext zu stellen: Was bedeutet das alles für die Ewigkeit? Diese Perspektive tut sehr gut, zumindest immer mal wieder.

Sie sprechen in Ihrem Buch von Kraftquellen, vom persönlichen „Passwort“. Wie lautet Ihres?
Tatschmurat: Zuerst die Stille und das Gebet. Und dann zunehmend ein Vertrauen, dass ich nicht alles wissen und verstehen muss, sondern vertrauen kann, dass es im Letzten gut und richtig ist, wie ich lebe.

Mein Leben neu ordnen: Vortrag mit Carmen Tatschmurat am Montag, 22.4. um 19:00 Uhr im Haus der Begegnung, Innsbruck. Anmeldung unter hdb.kurse@dibk.at

Zum Weiterlesen: Mein Leben neu ordnen. Benediktinische Impulse für Zeiten des Umbruchs. Vier-Türme-
Verlag 2022, 144 Seiten, 21,50 €.

Als Benediktinerin der Münchner Abtei Venio verband Sr. Carmen Tatschmurat weltliche Berufstätigkeit mit einem intensiven geistlichen Leben. Ihre Erfahrungen gibt sie in einem Buch weiter.    Abtei Venio | Foto: Abtei Venio
Foto: Vier-Türme-Verlag
Autor:

Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag

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