Gewaltfreie Kommunikation über die Pandemie
„Im Gespräch bleiben“

Foto: Lehrner

Wenn Impfbefürworter/innen und Impfskeptiker/innen aufeinandertreffen, prallen oft nicht nur Argumente aufeinander, sondern Gefühle, Bewertungen und Unverständnis.

Ein moderiertes Gespräch in der Kleingruppe kann helfen, die Position der jeweils anderen besser zu verstehen.

Es werde zu oft über jene geredet, die eine andere Position vertreten, aber selten mit ihnen, sagt der pensionierte Arbeitnehmer/innen- und Krankenhausseelsorger Gerhard Lehrner aus Wartberg: „Deshalb eskalieren Konflikte über den Umgang mit der Corona-Pandemie immer mehr.“

Ihm kam die Idee, Vertreter/innen beider Seiten – für bzw. gegen die Corona-Impfung – zu einem moderierten Gespräch zu laden und dieses nach dem Vorbild der gewaltfreien Kommunikation von Marshall B. Rosenberg zu gestalten.

Der US-amerikanische Psychologe legte vier Grundprinzipien oder Fragen fest, nach denen ein solches Gespräch ablaufen soll: Beobachtungen (Wie nehme ich den Konflikt wahr?), Gefühle (Was fühle ich?), Bedürfnisse (Was brauche ich?) und Bitten (Um welche konkrete Handlung bitte ich?). Ziel ist es, den anderen „mit Respekt und Achtung zu begegnen und versuchen zu verstehen“. Im konkreten Fall hieß das, jeder und jede Einzelne spricht über die persönliche Meinung zur Corona-Impfung, während die anderen nur zuhören und sich gegebenenfalls Notizen machen, um im späteren Gesprächsverlauf darauf zurückzukommen. 

Mehr Respekt

Lehrner fand zwei Männer und zwei Frauen, die an dem Gespräch im Pfarrheim Wartberg teilnahmen. Martin Huber (Name geändert) war einer von ihnen. Das Angebot der gewaltfreien Kommunikation sprach ihn an: „Ich habe gleich zugesagt, weil ich selber nach Möglichkeiten suche, damit umzugehen. Ich arbeite im Sozialbereich und bemerke, dass das Thema Corona-Impfung auch innerhalb von Teams zu Verhärtungen und Unverständnis führen kann. Ich finde es aber sehr wichtig, dass wir alle wieder ins Gespräch kommen und auch bleiben.“

Das Treffen im Wartberger Pfarrheim habe zwar vier Stunden gedauert und sei anstrengend gewesen, aber aufschlussreich: „Mir hat es geholfen, besser zu verstehen, woher die Ängste kommen und wie tief das gehen kann. Ich hatte nachher das Gefühl, dass ich die Person und ihren Umgang mit der Pandemie besser respektieren kann“, sagt Huber.

Während des Gesprächs selbst sei ihm das nicht immer gelungen, gibt er zu. Manche der von der Gegenseite vorgebrachten Argumente seien ihm „schier unglaublich“ vorgekommen, sodass er „kurz vorm Platzen“ gewesen sei. Genau das ist jedoch das Ziel der gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg, sagt Lehrner: „Es wird nicht gewertet oder unterbrochen. Eine oder einer spricht, die anderen hören zu.“ 

Nicht missionieren

Franz Weber (Name geändert), einem anderen Gesprächsteilnehmer, ging es wie wahrscheinlich vielen Menschen zurzeit: „Ich wollte eigentlich nicht mehr über das Thema Corona diskutieren, weil es keinen Sinn hat.“ Trotzdem ließ er sich auf den Vorschlag ein. Die vier Stunden seien für ihn wie im Flug vergangen.

Was nahm er sich daraus mit? „Ich habe für mich drei Aspekte herauskristallisiert. Erstens, dass man nicht missionarisch sein darf. Man kann die Meinung eines anderen nicht verändern. Veränderung wird durch gute Beziehungen bewirkt, nicht durch Argumente. Zweitens muss ich zur Kenntnis nehmen, das der klassische Österreicher gerne das als wahr nimmt, was wichtige Menschen sagen. Drittens gibt es in einer Demokratie, in einer Gesellschaft einfach verschiedene Zugänge zu Themen, auch das muss man akzeptieren.“

Dialog fördern

Das Gespräch sei von allen als respektvoll und wertschätzend wahrgenommen worden, sagt Lehrner: „Alle vier sind mit einem positiven Gefühl aus der Runde gegangen.“ Huber und Weber betonen beide die wichtige Rolle des Moderators: „Ohne Moderator werden solche Gespräche ab einem gewissen Punkt redundant und es steht These gegen These“, sagt Weber.

„Es braucht definierte Vertrauensräume mit klaren Regeln und einen Moderator, der einen respektvollen Umgang gewährleistet“, sagt Huber. Es gehe dabei weniger um Argumente für oder gegen die Coronamaßnahmen oder eine Impfpflicht, sondern darum, den zwischenmenschlichen Dialog zu fördern. Huber nimmt hier auch ganz klar die Kirche in die Pflicht: „Die Kirche sollte in dieser aufgeheizten Situation mehr sichtbar sein und solche Vertrauensräume stärker anbieten.“«

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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