Burgkapelle Klagenfurt zum Flüchtlingsdrama
Ort der lebendigen Erinnerung

Foto: Ferdinand Neumüller/MMKK

Eine nachdenklich stimmende Installation im Sakralraum des Museums Moderner Kunst Kärnten (MMKK) schafft den 71 Opfern des traurigen Unfalls von Parndorf eine würdige Stätte der Erinnerung.
von Katja Schöffmann

Vielen Menschen ist es noch aus den Medien in lebendiger Erinnerung: das Flüchtlingsdrama vom 26. August 2015. Bei der Schlepperfahrt von Ungarn nach Österreich kamen insgesamt 71 Menschen, darunter auch vier Kinder, ums Leben. Die Opfer wurden im luftdicht verschlossenen Laderaum des LKWs gefunden.
Erinnerung an eine Tragödie
Der aus Villach stammende Bildhauer und Objektkünstler Michael Kos hat als lebendige Erinnerung an diese Menschen die nachdenklich machende Installation „Michael Kos 71 – Memory Box“ für die barocke Burgkapelle im MMKK geschaffen. Von einem Tag auf den anderen wurde aus einem beliebten Einkaufsort im Burgenland ein Symbol der Tragik.
Was außer der Verurteilung der Schlepper blieb, war eine nüchtern anmutende Zahl der Opfer, ohne das Wissen, wer sie genau waren oder welche Motivation und Hoffnung sie antrieben. Allein die Herkunftsländer – Afghanistan, Iran, Irak und Syrien – waren bekannt.
Für das berührende Denkmal in der Burgkapelle hat der 57-jährige Kos im Vorfeld mit Hilfe eines Grazer Künstlerkollektivs trotz Datenschutz alle Vornamen der Verunglückten ausfindig gemacht. Ein weißer Alu-Container mit den Originalmaßen des Unglücks-LKWs bildet das Zentrum der Installation. An der Wand im Inneren sind alle 71 Namen der Opfer zu lesen.
Die Menschen erhalten einen Namen
Alle auf Arabisch, wie sie in den Herkunftsländern üblich sind. Erst Wörter wie Ali, Fadila, Hasan und Zahra geben den Opfern eine begreifbare Identität, ein Gesicht. Ein Scheinwerfer lässt die Namen der Verunglückten kunstvoll auf den Boden und die Fresken auf den Wänden der Burgkapelle fallen. Zu lesen sind die Zeilen erst, wenn man von der Empore der Kapelle aus von oben in den LKW hineinblickt. So entsteht eine räumliche Entfernung des Betrachters zum Kunstwerk.
MMKK-Chefin Christine Wetzlinger-Grundig resümiert: „Die sinnliche Erfahrung der Realmaße des Gehäuses vermittelt die Dramatik des Geschehens in vollem Umfang und macht es nachvollziehbar.“
Nach dreijähriger, intensiver Beschäftigung mit der Flüchtlingstragödie hat Michael Kos in der Burgkapelle des MMKK einen Ort gefunden, „der geeigneter nicht sein könnte, um die ins Bodenlose gestürzte Verheißung eines geglückteren Lebens ins Bild zu setzen“. Die usprünglich bis 10. Jänner geplante Installation in der Burgkapelle des MMKK wurde wegen des 2. Corona-Lockdowns verlängert und ist daher nun bis einschließlich 2. Mai 2021 zu sehen.

Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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