Zauber des Abschieds 4/4
Loslassen können

Auch in der Kirche braucht es manchmal eine Entrümpelungsaktion. 
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Meine Schwierigkeit mit Abschieden gilt manchmal sogar für Dinge.
Wenn ich versuche, mich von Büchern, Kleidung, Gegenständen zu trennen, werden sie oft genau in dem Moment überaus wertvoll. Also bin ich sehr zögerlich – zumindest zu Beginn von Räumaktionen. Denn irgendwann reicht es mir. Dann gilt: weg damit, Raum schaffen, leer machen, Hauptsache erledigt. Diese Haltung mag in dem Moment hilfreich sein, aber sie hat mich schon dazu verführt, Dinge wegzugeben, die ich danach vermisst habe.

DIE KIRCHE ÄNDERT SICH
Das mit dem Loslassen ist also so eine Sache, auf der individuellen Ebene, gesellschaftlich, für uns als Kirche. Manches geht sehr leicht – zu leicht, wenn ich an unsere Müllberge denke – an anderen Dingen wiederum kleben wir. Es gehe darum, die „Spiritualität des Loslassens“ zu üben, sagte einmal eine Ordensfrau, als wir in einem Meeting Zukunftspläne für unsere Diözese wälzten. Sie wusste, wovon sie sprach, auch ihre Gemeinschaft wird älter und hat keinen Nachwuchs.

Wenn ich an unsere Kirche denke, weiß ich, dass sich vieles ändern muss und wird. Wir erfahren das Wenigerwerden deutlich: weniger Glaubende, weniger Ehrenamt, weniger Priester, weniger Anerkennung und weniger Bedeutung. Und das, obwohl viele sich anstrengen und engagieren bis zur Erschöpfung. Sich in die Resignation und Weltflucht zurückzuziehen, ist eine Versuchung. Bringt aber nichts. Und ist nicht der Auftrag von Christinnen und Christen.

AUFERSTEHEN VERWANDELT
Tomáš Halík, berühmter tschechischer Theologe, der im Jahr 1978 im Untergrund zum Priester geweiht wurde, hat einen überaus realistischen Blick auf die kirchliche Wirklichkeit und sieht angstfrei, dass einige Formen von Kirche zu Ende gehen werden. Aber er traut der Kirche weiterhin die Fähigkeit zu, zur Verwandlung von Gesellschaft zum Guten beizutragen, wenn – das ist die Bedingung – Kirche selbst ständig verwandelt wird. Zu Beginn der synodalen Kontinentalversammlung im Februar in Prag sagte er: „Zur Ostererfahrung der jungen Kirche gehört auch die Überraschung, dass die Auferstehung keine Wiederbelebung der Vergangenheit ist, sondern eine radikale Verwandlung darstellt.“ Selbst Jesu engste Freundinnen und Freunde haben ihn danach ja nicht sofort erkannt.

SO WIRD GOTT SICHTBAR
Wie Kirche fruchtbar sein kann, zeigt uns das Evangelium vom kommenden Sonntag, mit dem wieder ein Kirchenjahr endet. Es ist eine klare Ansage: „Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.“ (Matthäus 25,35f.)

Dorthin gehen, wo wir gebraucht werden, wo die Not am größten ist. Das ist der Weg, den viele Christinnen und Christen zu gehen versuchen. Und bis zum Ende der Zeiten weitergehen sollen. Es ist der Weg, wie Gott in unserer Welt sichtbar wird: darin, was wir für die Menschen und für die Welt tun. Zunächst aber erwarten wir ein kleines Kind, unspektakulär in einer Behelfsunterkunft. Die Zukunft beginnt an einem unerwarteten Ort. Hoffnungsvoller kann die Perspektive nicht sein.

MARIA PLANKENSTEINER-SPIEGEL
Die Autorin leitete das Bischöfliche Schulamt in Innsbruck und ist seit Sommer in Pension.

Auch in der Kirche braucht es manchmal eine Entrümpelungsaktion. 
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MARIA PLANKENSTEINER-SPIEGEL  | Foto: Diözese Innsbruck
Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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