Ordensfrauen kämpfen gegen Menschenhandel

Das Team von „SOLWODI Österreich“, 1. Reihe v. l.: Sr. Magdalena Eichinger, Sr. Ingeborg Kapaun, Sr. Patricia Erber, Sr. Anna Mayrhofer, Sr. Susanne Krendelsberger, P. Hans Eidenberger (Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – aktiv für Menschenwürde OÖ“). 2. Reihe v. l.: Sr. Sigharda Leitner, Sr. Maria Schlackl (Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – aktiv für Menschenwürde OÖ“).  | Foto: SOLWODI Österreich
  • Das Team von „SOLWODI Österreich“, 1. Reihe v. l.: Sr. Magdalena Eichinger, Sr. Ingeborg Kapaun, Sr. Patricia Erber, Sr. Anna Mayrhofer, Sr. Susanne Krendelsberger, P. Hans Eidenberger (Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – aktiv für Menschenwürde OÖ“). 2. Reihe v. l.: Sr. Sigharda Leitner, Sr. Maria Schlackl (Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – aktiv für Menschenwürde OÖ“).
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Engagierte Ordensfrauen aus sechs Gemeinschaften setzen sich seit zehn Jahren für Frauen ein, die Opfer von Menschenhandel, sexueller Gewalt und Ausbeutung geworden sind. Sie geben Einblicke in ihre Arbeit.

Ilona* hat den Ausstieg geschafft. Die junge Frau aus Ungarn wurde acht Monate lang zur Prostitution gezwungen (die Kirchenzeitung berichtete 2015 über ihren Fall). Mit der so genannten „Loverboy-Methode“ ist ihr gezielt Liebe vorgetäuscht worden. Der Mann, in den sie sich verliebte, hatte sie mit falschen Versprechungen von Ungarn nach Deutschland gelockt mit der Aussicht, dort gemeinsam eine Firma aufzubauen, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Der Traum von der großen Liebe und einem besseren Leben wurde für Ilona allerdings zum Albtraum. Aufgewacht ist sie in der Welt der Zwangsprostitution. Mit Demütigungen, Drohungen und Gewalt. Doch sie konnte ihren Peinigern entkommen.

BILANZ
Ilona ist eine von 95 Frauen, die in den vergangenen zehn Jahren Hilfe und Unterstützung von „SOLWODI Österreich – Solidarität mit Frauen in Not“ bekommen hat und in der anonymen Schutzwohnung des Vereins, der sich gegen Gewalt an Frauen, gegen Zwangsprostitution und gegen Frauenhandel einsetzt, untergekommen war. Mittlerweile lebt sie in ihren eigenen vier Wänden. „Eine Zeit lang haben wir sie noch über unsere Nachsorge betreut. Jetzt ist sie selbstständig und hat ihr Leben im Griff“, erzählt Sr. Anna Mayrhofer, die Leiterin der Schutzwohnung in Wien. Drei Viertel der 95 Frauen seien aufgrund von Armut, Not- und Gewaltsituationen, mangelnder Bildung, Arbeits- und Perspektivelosigkeit in ihren Heimatländern in der Prostitution gelandet, ein Viertel davon seien Menschenhandelsopfer, die zur Prostitution gezwungen wurden, sagt die Ordensfrau der Franziskanerinnen Missionarinnen Mariens. Die Mehrheit von ihnen kam aus Ungarn, Nigeria und Rumänien. „Die Hälfte der Frauen waren schwanger oder hatten Kleinkinder, die mitbetreut wurden. Oft war Schwangerschaft auch ein Grund, warum die Frauen aus der Prostitution wegwollten. Über verschiedene Beratungsstellen und Behörden sind sie dann zu uns gekommen“, sagt die Ordensfrau. Insgesamt gibt es zehn Plätze in der Schutzwohnung, belegt sind sie derzeit von sieben Bewohnerinnen aus Ungarn, Nigeria und China. „Die meisten sind von Menschenhandel betroffen“, so Sr. Anna Mayrhofer.

VEREINSGRÜNDUNG
Hinter „SOLWODI Österreich“ stehen engagierte Ordensfrauen aus sechs Gemeinschaften (siehe Randspalte). Die Gründung des Vereins im Oktober 2012 hat Sr. Patricia Erber, Provinzleiterin der Salvatorianerinnen in Österreich, in die Wege geleitet. „Begonnen hat alles bei einem internationalen Treffen unserer Ordensgemeinschaften 2001. Da hörte ich zum ersten Mal von der prekären Situation nigerianischer Frauen, die nach Italien gebracht und dort auf dem Straßenstrich angeboten und ausgebeutet werden. Eine italienische Ordensfrau rief damals dazu auf, diese Frauen zu unterstützen. Ihrem Ruf bin ich gefolgt“, erzählt die Obfrau des Vereins. In Gesprächen mit verschiedenen Organisationen hat die Salvatorianerin dann erfahren, „dass Frauenhandel und Zwangsprostitution auch in Österreich ein Thema ist.“ Im Laufe der Zeit formierte sich eine Gruppe bestehend aus sechs Ordensfrauen und Personen unterschiedlicher NGOs, die sich intensiv mit der Problematik befassten. „Sehr hilfreich war der Austausch mit Streetworkern, da sie direkt in Kontakt waren mit betroffenen Frauen. Sie machten uns darauf aufmerksam, dass es ganz wichtig wäre, neben der damals einzigen bestehenden Schutzeinrichtung für Menschenhandelsopfer noch eine zusätzliche Anlaufstelle für Frauen zu haben, damit sie aussteigen können, wenn sie das wollen“, sagt Sr. Patricia Erber. Die sechs Ordens-Pionierinnen haben eine solche schließlich 2012 gegründet. In Folge nahmen sie Kontakt mit „SOLWODI Deutschland“ auf, einem international tätigen Verein, der 1985 von der deutschen Ordensfrau Lea Ackermann in Kenia ins Leben gerufen wurde und der sich seither für die Opfer von Frauenhandel und Zwangsprostitution einsetzt. „Sr. Lea hatte nichts dagegen, dass wir den Vereinsnamen verwenden, im Gegenteil, sie freute sich sehr, dass wir aktiv werden.“

HILFE ZUR SELBSTHILFE
Eine große Bereicherung und Stütze des Vereins war damals – und ist heute noch – Sr. Anna Mayrhofer. Sie übernahm die Leitung der Schutzwohnung. Als ausgebildete Sozialarbeiterin hatte sie davor bereits 13 Jahre bei „SOLWODI Deutschland“ eine Einrichtung für Frauen in Not aufgebaut und geleitet und brachte viel Erfahrung mit. „In der Regel bleiben die Frauen ein Jahr hier. Unsere Devise lautet, so lange wie nötig, so kurz wie möglich. Hilfe zur Selbsthilfe ist bei uns zentral“, sagt Sr. Anna Mayrhofer. Natürlich gäbe es Fälle, wo ein Aufenthalt länger dauert, „vor allem wenn mehrere Probleme zusammenkommen wie soziale, psychische, medizinische und rechtliche Schwierigkeiten. Da sind viele unterschiedliche, niedrigschwellige Angebote nötig“, erklärt die Ordensfrau. Die reichen von Behördengängen, um beispielsweise den aufenthaltsrechtlichen Status zu klären, Hilfe bei der Wohnungs- und Arbeitssuche bis hin zur Vermittlung von Deutschkursen und Therapien.

TRAUMATA AUFARBEITEN
Die größte Herausforderung ist: „Prostitution schädigt den Menschen. Am Ende sind alle Betroffenen psychische und physische Wracks. Dazu kommt, dass sie niemanden mehr vertrauen können und es fehlen die sozialen Kontakte. Oft haben sie keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung. Es geht aber nicht nur darum, einen anderen Job zu finden, sondern zunächst müssen all die Erfahrungen, die sie in der Prostitution gemacht haben, langsam aufgearbeitet werden mit Hilfe von Therapeuten, soweit sie das möchten. Manche schaffen den Ausstieg, manche nicht“, so Sr. Anna Mayrhofer und Sr. Patricia Erber stimmt zu. Als ausgebildete Psychotherapeutin weiß sie, „traumatisierte Frauen brauchen Zeit, bis sie stabiler werden. Hier sind Geduld und Einfühlungsvermögen gefragt.“

BEWUSSTSEINSBILDUNG
Oft seien die Grenzen zwischen Prostitution, Zwangsprostitution und Menschenhandel fließend. „Die Nachfrage fördert den Markt und somit auch den Menschenhandel, da viel Geld damit verdient werden kann. Dafür Bewusstseinsbildung zu schaffen ist dringend notwendig“, so Sr. Anna Mayrhofer. Die SOLWODI-Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – aktiv für Menschenwürde“ in Oberösterreich, gegründet von Sr. Maria Schlackl, ist hier besonders aktiv, wenn es um die Sensibilisierung für die Lage der betroffenen Frauen geht, u. a. durch Veranstaltungen.

SCHWIERIGE IDENTIFIZIERUNG
In Österreich gibt es laut Bericht der Task Force Menschenhandel (2019) 6432 Menschen, die in der Prostitution registriert sind. „Wie viele von Menschenhandel und Zwangsprostitution betroffen sind, lässt sich schwer sagen, denn um die Opfer identifizieren zu können, müssen sie auch aussagen. Die meisten Frauen tun das nicht, weil sie Angst haben. Das kommt den Tätern zugute, weil es kaum Strafverfolgung gibt und sie nicht verurteilt werden. Das macht das Geschäft der Ausbeutung von Frauen so lukrativ und risikoarm“, so Sr. Anna Mayrhofer. Ein anderes Problem ist der Opferschutz. Die Gesetze in den EU-Mitgliedsstaaten seien laut Sr. Anna sehr gut, „aber in Österreich gibt es für Drittstaatenangehörige nur eine Aufenthaltsgarantie für die Zeit des Verfahrens. Ich kann also keiner Frau versprechen, dass sie dableiben darf, wenn sie eine Aussage macht.“

UNTERSTÜTZUNG
Finanziert wird „SOLWODI Österreich“ von Ordensgemeinschaften, der Österreichischen Ordenskonferenz und privaten Spendern. „Ohne ihre Hilfe ginge es nicht“, sagt Sr. Patricia Erber. Der große Wunsch wäre, so Sr. Anna Mayrhofer, „dass es uns gar nicht mehr braucht.“ Derzeit ist das wohl ein frommer Wunsch.

SUSANNE HUBER

* NAME VON DER REDAKTION GEÄNDERT

Für Frauen in Not
Der gemeinnützige Verein „SOLWODI Österreich“ engagiert sich seit 10 Jahren für Frauen, die von sexueller Gewalt und Menschenhandel betroffen sind.

Gegründet wurde „SOLWODI Österreich“ von sechs Ordensgemeinschaften: Caritas Socialis Schwesterngemeinschaft, Kongregation der Schwestern vom Göttlichen Heiland Salvatorianerinnen, Congregatio Jesu, Institut der Franziskanerinnen Missionarinnen Mariens, Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Wien-Gumpendorf und der Missionskongregation der Dienerinnen des Heiligen Geistes.

Zum Jubiläum findet am 8. Februar eine Veranstaltung im Kardinal-König-Haus in Wien statt. Dabei werden neben der Entstehungsgeschichte auch Einblicke in die Tätigkeiten des Vereins gegeben.

www.solwodi.at
Hotline: +43 664/88 63 25 90

Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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