Ein Besuch im Heimatmuseum Fügen
Vom Zillertal in alle Welt

Andre Lindner ist Obmann des Heimat- und Museumsvereins Fügen. | Foto: Pfennig

In Oberndorf bei Salzburg ertönte in der ehemaligen Sankt Nikolaus-Kirche 1818 erstmals das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“, geschrieben von Josef Mohr und komponiert von Franz Xaver Gruber. Da ausgerechnet kurz vor Weihnachten die Orgel ausfiel, wollten die beiden den Kirchenbesuchern mit einem neuen Lied zu Gitarrenbegleitung Freude bereiten. „Es war kein ursprüngliches Kirchenlied und daher war eine Aufführung in der Kirche zunächst verboten“, erzählt Andre Lindner, Obmann des Heimat- und Museumsvereins Fügen, im Tiroler Sonntag-Interview.

Im Frühjahr 1819 lernte der Zillertaler Orgelbauer Karl Mauracher bei Reparaturarbeiten an der Orgel zufällig das „Stille Nacht“-Lied kennen. Begeistert brachte er eine Abschrift mit nach Fügen und gab es an die Rainer-Sänger, die Mitglieder des Kirchenchores waren, und die Geschwister Strasser weiter. In Fügen wurde es noch im selben Jahr in der Pfarrkirche bei der Christmette aufgeführt.
Die Zillertaler Sängergesellschaften trugen bald darauf das Lied hinaus in die ganze Welt: „Das Lied hatte anfangs in Salzburg keinen großen Stellenwert und wäre vielleicht sogar in Vergessenheit geraten. Ohne die Zillertaler wäre es nie so populär geworden und hätte sich nicht zum bedeutendsten Weihnachtslied entwickelt“, ist Andre Lindner überzeugt.

Die singenden Händler. „Die Zillertaler waren schon immer weltoffene und gesellige Leute und bekannt für ihre Handelsreisen. Sie zogen aus, um ihre Produkte zu verkaufen. Sie merkten schnell, dass sie durch ihr Singen mehr verkaufen konnten. So entstanden die Sängergruppen“, erzählt Andre Lindler.
Eine Anekdote über die Sänger: Kurz vor Weihnachten 1822 machten die beiden damals mächtigsten Männer im Fügener Schloss Station: Kaiser Franz I. und der russische Zar Alexander I. Die Rainer-Sänger wurden engagiert, die beiden am Abend zu unterhalten. Spontan erhielten sie eine Einladung nach Sankt Petersburg.
Im Herbst 1824 zogen die ersten Sänger in die Ferne. Zillertaler Sänger kamen in die Schweiz, nach Deutschland, Schweden, England, wollten nach Russland und reisten sogar nach Amerika. „Sie waren überall sehr angesehen und erfolgreich. Der britische König George IV. ließ beispielsweise für die Geschwister Rainer eigens eine Tracht mit Hermelinpelzen und einen mit Silberfäden bestickten Ranzen anfertigen, der auf einem silbernen Schild das britischen Königswappen zeigt. Beides war eine besondere Ehre. In England wurden die ‚Tiroler Nationalgesänge‘ erstmals gedruckt und ins Englische übersetzt“, so Andre Lindner. Weitere Highlights der Sänger waren der Auftritt am Weihnachtsabend 1839 vor der Trinity Church in New York sowie bei den Weltausstellungen 1851 in London und 1855 in Paris.

Größte Single-Sammlung der Welt. Im Museum befindet sich auch die größte Single-Sammlung des „Stille Nacht“-Liedes. Besucher/innen können sich ausgewählte Aufnahmen im Museum anhören. Mittlerweile wird dieses Lied in mehr als 230 Sprachen gesungen. Ob chinesisch, indisch, arabisch oder in einem afrikanischen Dialekt – kein anderes Lied hat eine vergleichbare Resonanz erfahren. Einige Abschriften, darunter eine Übersetzung in den afrikanischen Bantu-Dialekt, die vom berühmten „Urwalddoktor“ Albert Schweizer vom Juli 1960 stammt, sind in Fügen auch ausgestellt.

Autor:

TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag

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