Sterbe- und Trauerbegleitung
Das Abenteuer wartet

Foto: Lilli Berger

Mit dem Thema Tod ist jeder und jede von uns früher oder später konfrontiert. Im Alltag schieben wir den Gedanken daran gerne weit von uns. Für die Sterbe- und Trauerbegleiterin Johanna Klug ist der Tod jenes Puzzleteil, das das Leben erst komplett macht.  

Johanna Klug war sechzehn, als sie das erste Mal einen toten Menschen sah. Sie arbeitete damals in einem Altenheim, um sich neben der Schule etwas dazuzuverdienen. Eine ihrer Aufgaben war es, den Bewohner/innen  das Frühstück zu bringen. An diesem Tag war Peter der Letzte, der noch darauf wartete. Johanna Klug betrat sein Zimmer, fand das Bett leer vor und stellte das Tablett auf einem Tisch ab. Als sie wieder gehen wollte, bemerkte sie den ausgebeulten Vorhang, der den Wohnraum vom Badezimmer trennte. Sie griff nach dem Stoff, zog ihn zur Seite und da lag Peter: der Körper gekrümmt, der Blick leblos, auf der Stirn getrocknetes Blut. Dieses Erlebnis führte der heutigen Sterbe- und Trauerbegleiterin vor Augen, welch seltsamen Umgang die Menschen mit dem Tod pflegten: Über Peter wurde geschwiegen, weder unter den Pflegerinnen noch zu Hause bei ihrer Familie war dies lange Thema. „Es war nicht Peters Tod, der mich tieftraurig machte, sondern die Art und Weise, wie damit umgegangen wurde. Die Menschen ließen nicht zu, dass er Teil der Realität wurde.“ So schreibt sie es in ihrem neuen Buch, in dem sie zehn Geschichten über Menschen, die sie begleitet hat, mit ihrer eigenen Biografie verwebt. 

In den Raum spüren

Die Menschen, die Klug im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit auf der Palliativstation kennenlernt, wollen keineswegs (nur) über den Tod reden, sondern über ganz verschiedene Dinge: über Kunst, Politik und Literatur, oder einfach über das Wetter. „Sterbende sind immer noch Lebende, sie wollen auch so behandelt und nicht zu Objekten degradiert werden“, sagt Johanna Klug. Immer wenn sie jemand Neuen kennenlernt, spürt sie in den Raum hinein und wartet ab, was passiert – ohne sich an Worthülsen zu klammern, die die eigene Hilf- und Ratlosigkeit überdecken sollen. Diese rühre meist daher, dass „wir in einem Zeitalter leben, in dem Konsum, Leistung und Selbstdarstellung im Mittelpunkt stehen. Die Beschäftigung mit der eigenen Endlichkeit passt da nicht rein, denn sie könnte unser ganzes Leben infrage stellen. Wir könnten plötzlich erkennen, dass wir die ganze Zeit für die falschen Dinge gelebt haben.“

Ins Leben integrieren

Die 28-Jährige plädiert für eine ganz natürliche Integration des Tods ins Leben. Er sei wie das Puzzlestück, das das Leben erst komplettiert: „Wenn ein Stück fehlt, wie soll das Leben dann in seiner Gänze erfahren werden?“ Niemand müsse sich 24/7 mit dem Tod beschäftigen, schon kleine Portionen ab und zu würden reichen.

„Besonders wichtig ist dabei der Austausch mit anderen Menschen“, sagt Johanna Klug. „Wenn man Dinge ausspricht, verändert sich oft gleich die Perspektive. Man sieht, dass man nicht allein ist, und die Angst staut sich nicht im Inneren an.“ Natürlich brauche das Mut, da man sich dadurch verletzlich mache. „Doch das ist eine Stärke, denn Verletzlichkeit zu zeigen heißt sich wahrhaft zu begegnen.“ Verbunden mit der Angst vor dem Sterben ist auch oft die Frage, was danach kommt. Johanna Klug geht damit folgendermaßen um: „Das ganze Leben wollen wir Kontrolle ausüben, so auch im Tod. Wir wollen wissen, wie es danach weitergeht. Ich versuche, mich davon zu lösen. Für mich kommt danach einfach ein Abenteuer, so wie das Leben an sich auch ein Abenteuer ist – ich weiß nie, was mich erwartet.“ 

Lesungen in OÖ: Do., 24.11., OKH Vöcklabruck, 19.30 Uhr; Fr., 25.11., ent Kunst- und Kulturwerkstatt Stadt Haag, 19 Uhr; weitere Termine und Infos unter www.endlichendlos.de

Buchtipp: Liebe den ersten Tag vom Rest deines Lebens. Johanna Klug, Gräfe und Unzer Edition 2022, 224 S., € 17,99

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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