Zauber des Abschieds | Teil 1
Wir sind sterblich

Die Blätter fallen, das Rad des Lebens dreht sich weiter.  | Foto: Xenya/photocase.de
  • Die Blätter fallen, das Rad des Lebens dreht sich weiter.
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November. Der Föhnsturm hat die Blätter weitgehend von den Bäumen geblasen, die Natur zieht sich zurück, es wird dunkler und stiller. In unseren Breiten passt der November gut, um in einer kleinen Serie über Abschiede nachzudenken.

Am Anfang des Monats steht das Erinnern an den radikalsten Abschied, der uns allen gewiss ist. Ein Abschied, der uns zutiefst trifft und unsere Welt verändert. Die Kirche denkt an die Menschen, die bereits verstorben sind, an alle Heiligen und an alle Seelen.

SO VIELE TOTE
Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen an diesen Tagen geht. Sind Sie in frischer Trauer um jemanden, den Sie erst vor Kurzem verloren haben? Ist es für Sie ein vertrauter Brauch, das Grab zu richten, sich an die zu erinnern, deren Namen Sie am Grabstein lesen? Oder mögen Sie dieses ritualisierte Gedenken gar nicht? Zu unserer persönlichen Situation kommt die weltpolitische Lage. Wir alle sind bestürzt, wie viele Menschen in den Kriegen in Europa und im Vorderen Orient umgebracht werden, Opfer von brutaler Gewalt sind. So viel Tod und Trauer! So viele Menschen und Länder sind davon betroffen.

KOSTBARER AUGENBLICK
Trotzdem: Mir persönlich sind sie lieb, diese Tage der Erinnerung. Allerheiligen und Allerseelen. Es sind Momente, in denen die Endlichkeit unseres Lebens öffentlich zum Thema wird. Das sind wir ja nicht mehr gewohnt. Viele versuchen, das Altwerden möglichst hintanzuhalten, ganze Industrien leben von der Sehnsucht nach Jugendlichkeit. Dabei ist es die einzige Gewissheit, die für uns alle gleichermaßen gilt: Unser Leben ist endlich. Diese Einmaligkeit macht das Leben kostbar. Je älter wir werden, je öfter wir erleben, wie unvermittelt sich alles ändern kann, desto mehr wissen wir vermutlich den Wert des Augenblicks zu schätzen.

DENK AN DEN TOD ...
Im 17. und 18. Jahrhundert hatten die Menschen das Wissen um ihre Sterblichkeit nahe. Im Dreißigjährigen Krieg beispielsweise starb ein Drittel der Bevölkerung Europas durch Gewalt, an Hunger, wegen Seuchen. „Memento mori“ – Gedenke des Sterbens – war ein zentrales Motiv in der Kunst. Wenn wir nach wie vor in jedem „Gegrüßet seist du, Maria“ beten: „Bitte für uns, jetzt und in der Stunde unseres Todes“, dann sind wir in diese Tradition eingebunden.

... UND NÜTZE DEN TAG
Zugleich hat diese Epoche in der Vergangenheit das Leben gefeiert wie wenige davor. Ihr verdanken wir die üppige, goldene und pralle Kunstform des Barock sowie das „Nütze den Tag“. Sie gehören also zusammen wie die beiden Seiten einer Medaille: Das Wissen um die Sterblichkeit und die Freude am Leben, am Genießen, an der Fülle.

WIEDER NEUES LEBEN
Vor neun Jahren standen wir an Allerheiligen am Friedhof vor dem Grab meines Mannes. Die mittlere Tochter verspätete sich, sehr unüblich für sie. Als sie anrief „Mama, ich kann nicht zum Friedhof gehen, das Baby kommt früher als gedacht, ich bin auf dem Weg in die Klinik“, spürte ich so intensiv wie selten, wie nahe Leben und Tod sein können und wie sehr wir alle miteinander verbunden sind. Die auf der Erde und die bei Gott.

Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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