Eine Moritat in 11 Strophen
Der Fluch des Kuster-Berges

Die sehenswerte St. Johannes-Kirche auf der Flattnitz (Kärnten) findet der Wanderer in der Nähe des Kuster.    | Foto: Privat
  • Die sehenswerte St. Johannes-Kirche auf der Flattnitz (Kärnten) findet der Wanderer in der Nähe des Kuster.
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Durch die Corona-Situation gezwungen werden sich viele für einen Urlaub in den Bergen entscheiden. Auch unsere anonyme Autorin besucht seit vielen Jahren eine ruhige Alm und hat dort an einem der seltenen Regentage – inspiriert von Zirbengeist und halbwahren Begebenheiten – die folgende schauerliche Moritat verfasst. Das Vers- und Reimschema ist nicht dem Geist der Zirbe, sondern dem Erbe des großen Alexander S. Puschkin zu verdanken, der seinen Roman „Eugen Onegin“ in dieser „Puschkin-Strophe” verfasst hat.

Kommst du von Norden, Autofahrer
Verlass beizeiten die A 2
Erweise dich als Kraftstoffsparer
Und fahr am Wechsel rechts vorbei
Durch Dunkel bald und bald durch Helle
Durchfährst du dutzende Tunelle
Die Gegend ist womöglich schön
Egal, du kannst sie eh nicht sehn
Dich aber sieht, sorgloser Flitzer
Der sich an keine Vorschrift kehrt
Und statt der Achzig Neunzig fährt
Die Polizei, mit ihrem Blitzer
Und was du an Benzin erspart
Kassiert der Fiskus solcherart.

***

Dafür hast du nach wenig Stunden
Hinauf von Stadl an der Mur
Schon dein ersehntes Ziel gefunden
Grad Eins zeigt deine Plastikuhr.
Da liegt vor dir die grüne Schale
Umrundet schon so viele Male.
Von ihrer Kirche stolz gekrönt.
Vom noblen Almgasthof verschönt.
Hier stört dich kein Touristenrummel
Kein Partyzelt, kein Open Air
Im Baum schreit nur der Tannenhäher
Im Blütenteppich summt die Hummel
Das hast du dir gewünscht, dazu
Kommst du hierher, hier ist die Ruh.

***

Zumindest so bis gegen Abend ...
Wenn du bei deinem Nachtmahl sitzt.
Dich an dem Wein und Braten labend
Und es auf einmal kracht und blitzt
Der Strom fällt aus, man bringt die Kerzen
Der Hagel prasselt, und mit Scherzen
Verdeckst du die Gewitterangst
Und dass du um dein Auto bangst.
Denn wenn die Wolkenbrüche toben
Schwemmt selbst der zahme Bach ganz schnell
Auf Wege Massen von Geröll
Das Abflussrohr ist zugeschoben.
Und wo man mittags noch spaziert,
Rauscht Wasser, wo kein Weg durchführt.

***

Drum, Wanderer geniess die Frühe!
Die Luft ist frisch, der Tag ist blau
Im Wiesengrase dösen Kühe
Das Fell noch feucht vom Morgentau.
Zum See geh hin, der wie ein Spiegel
Heraufglänzt in dem Morgenlicht,
Dort weist ein blauer Pfeil am Hügel
Zum Wald hinauf: Dem folge nicht!!!
Den Blick wend ab, mach einen Bogen
Geh nicht den Forstweg, den er weist
Denn Unglück trifft, so wie es heisst,
Den, der den Weg hinauf gezogen.
Muss man schon Mut und Härte sehn
Kannst du im See ja schwimmen gehn.

***

Schon Mancher, der den Weg beschritten,
Aus Leichtsinn und Angeberei
Hat dort ein schlimmes Los erlitten.
Die Chronik meldet mancherlei.
Da war die Deutsche mit zwei Hunden
Die wurden niemals mehr gefunden.
Im Abgrund fand sich nur allein
Ein Halsband und ein Lottoschein.
Hat jemand sie hinabgestossen?
Hat sie ein Hund hinabgezerrt?
Was hat den Rückweg ihr versperrt?
Hat sie vorher gar Schnaps genossen?
Die Polizei vor Rätseln steht
Wie meist, wenns um den Kuster geht.

***

Vor Jahren schon verschwand als Erster
Ringsum geachtet und geschätzt
Ein pflichtbewusster alter Förster,
Der sich zum Stammtisch hat gesetzt
Und sagte „Morgen geh ich pirschen
Am Kuster auf den starken Hirschen.
Und treff ich dort den Wildrer an
Nimm ich ihn fest und zeig ihn an.
Und schlag ihm noch die Nase blutig!
Ich hoff der Bursche merkt sich das!“
So rief er – nach dem fünften Glas.
Der Obstler macht halt laut und mutig.
Zwei Burschen haben mitgehört:
Der Förster ist nie heimgekehrt ...

***

Im Dickicht hat sich auch verloren
Von einem Grazer jede Spur
Der auf sein Smartphone hat geschworen
Bei Wanderung in der Natur.
Er suchte Pilze zum Panieren
Im Unterholz auf allen Vieren
Als er die Richtung so verlor
Zog er sein Telefon hervor.
Da musste er mit Schrecken sehen:
Sein Akku war schon lange leer
Den Rückweg fand er auch nicht mehr
Und er fing an im Kreis zu gehen...
Im Gurktal und im Metnitztal
Sucht man ihn heut noch überall.

***

Da war auch eine Jugendgruppe
Verführt durch ein Computerspiel
Die stieg hinauf zur Kusterkuppe
Nach einem virtuellen Ziel
Sie suchten, wie jetzt alle andern
Ein Pokemon, statt nur zu wandern
Den Blick aufmerksam und gebannt
Dem Handydisplay zugewandt
Sie sahen nicht die grauen Schatten
Und hörten nicht den leisen Tritt
Der Wölfe, die voll Appetit
Sie auf dem Weg begleitet hatten.
In Facebook kommen sie noch vor
Die die reale Welt verlor ...

***

Diktiert der Ehrgeiz Tourenziele
Und kommt man dann nicht aus dem Bett
Und ist es schon um zehn recht schwüle
Dann hat man auf dem Berg sein Gfrett.
Das hat in vorgerückten Jahren
Ein Rat vom Kreisgericht erfahren,
Der nicht ans Frühaufstehn gedacht
Sich spät auf seine Bergtour macht.
Beim Aufstieg sieht er Wolkentürme
Die wachsen hoch und höher auf
Den Rückweg nimmt er schon im Lauf
Schon nahen sich Gewitterstürme
Stockfinster wird es auf einmal
Und es ist noch recht weit ins Tal.

***

Als es dann schüttet, blitzt und hagelt
Flieht er in einen Stadel scheu
Ein Glück, die Tür ist nicht vernagelt
Und drinnen duftet es nach Heu.
Nicht nur nach Heu, denn die Friseuse
Aus Villach floh auch vorm Getöse
Und dieses üppig fesche Weib
Bebt jetzt vor Angst am ganzen Leib.
Wer Schutz und Nähe sucht – und findet
Zum Trost sich aneinander schmiegt,
Ob die Moral bei dem obsiegt?
Ein Zweifel ist da wohl begründet
Der Rat, der war auf jeden Fall
Beim Nachtmahl äußerst jovial.

***

Drum Urlauber lass dich belehren
Gefahren lauern, gib nur acht
Willst du gesund nach Hause kehren
Besteig die Berge mit Bedacht!
Der Uhu haust dort in den Wänden
So manches Haustier musste enden
Als Futter für die Uhubrut
Drum hüte deinen Dackel gut!
Und iss nicht von dem Pilz, dem roten
Mit weissen Punkten, lass ihn stehn,
Und willst du nachts noch saufen gehn,
Dann ist das Lenkrad dir verboten.
Und bei dem nächsten Almbesuch
Sei auf der Hut vorm Kusterfluch!

Autor:

Redaktion martinus aus Burgenland | martinus

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