EIN_BLICK
Von Syrien nach Österreich. Eine Fluchtgeschichte

Wegen des Krieges in Syrien ist Hamed Abboud 2012 aus seiner Heimat nach Österreich geflüchtet. Der Autor berichtet von seiner Odyssee nach Europa.

Hamed Abboud erinnert sich. Vor einigen Jahren spielte der Syrer in seiner Phantasie immer wieder mit dem Gedanken, einmal nach Europa zu kommen. Da gab es mehrere Möglichkeiten: als Student der Telekommunikationstechnologie, oder nach Abschluss des Studiums als Ingenieur, oder als Schriftsteller. Aber als Flüchtling? Nein. Das hätte er sich damals nicht gedacht.

BÜRGERKRIEG

Im März 2011 ist in Syrien der Bürgerkrieg ausgebrochen. Das Leben dort wurde für den jungen Studenten und Dichter Hamed Abboud, geboren 1987 in der syrischen Stadt Deir ez-Zor, immer gefährlicher. „Die Universitäten waren der Ort, an dem Studierende friedlich gegen die Regierung demonstrierten.“ Zunehmend wurden diese Proteste mit militärischer Gewalt niedergeschlagen. „Dazu kam, dass ich damals als junger Schriftsteller in Syrien meinen ersten Gedichtband veröffentlichte. Darin habe ich mich in nur einer Zeile kritisch gegenüber der syrischen Regierung geäußert. Das brachte mich zusätzlich in große Gefahr, ins Gefängnis gesteckt zu werden“, erzählt der Autor.

AUF DEN WEG GEMACHT

Die Entscheidung, die Heimat zu verlassen, fiel ihm schwer. Doch der Krieg eskalierte mehr und mehr. „Also bin ich 2012 mit meiner Mutter und meiner Schwester zu meinem Bruder nach Ägypten geflogen, der schon ein paar Monate zuvor dorthin flüchtete. Wir haben es mit der letzten Maschine aus Aleppo geschafft, bevor der Flughafen für lange Zeit gesperrt wurde. Mein 74-jähriger Vater, er ist pensionierter Lehrer, wollte trotz des Krieges in Syrien bleiben“, sagt Hamed Abboud. „Zunächst dachten wir ja, dass sich die Situation bald beruhigen wird und wir dann wieder schnell nach Syrien zurückkehren können. Leider war das nicht der Fall. Und so ist aus ein paar Monaten Aufenthalt in Ägypten ein Jahr geworden.“

„Es war wie im Film: Wir sind tatsächlich dem Tod entkommen.“

HAMED ABBOUD

ZU FUSS ÜBER DIE BALKANROUTE

Die Flucht ging für Hamed Abboud und seinen Bruder dann weiter nach Dubai, um Arbeit zu suchen, „doch ohne gültige Aufenthaltstitel wurden wir in die Türkei ausgewiesen. Dort fand ich zwar einen Job im Bereich Holzexport, musste aber schwarz arbeiten. Illegal. Ohne Perspektive. Ohne Sicherheit.“ Es gab keine Hoffnung, Wurzeln zu schlagen. Also suchten beide verzweifelt nach einem neuen Lichtblick. „Mein Bruder konnte mich schließlich davon überzeugen, mich mit ihm über die Balkanroute nach Österreich durchzuschlagen. Da waren wir meistens zu Fuß unterwegs. Drei Monate und zwei Tage.“

EINE GEFÄHRLICHE ODYSSEE

Die Sorge, dass das Vorhaben, illegal Grenzen zu überqueren, zum Scheitern verurteilt sein könnte, war sehr groß und die Angst wurde ihr ständiger Begleiter, erzählt der Autor. Sie mussten immer damit rechnen, von der Polizei aufgegriffen und dann ausgewiesen zu werden oder im Gefängnis zu landen. „Nachts waren wir zu Fuß unterwegs. Tagsüber versteckten wir uns in den Wäldern. Manchmal hatten wir kaum etwas zu essen. Wir wurden von Dieben beraubt und sind von der albanischen Mafia in Serbien entführt und eine Woche in eine Garage gesperrt worden. Es war wie im Film: Wir sind tatsächlich dem Tod entkommen“, erinnert sich Hamed Abboud. Die gefährliche Odyssee führte von Syrien über Ägypten, Dubai, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und schließlich Ende 2014 nach Österreich.

NEUES LEBEN

Seinen Ankommensprozess empfand Hamed Abboud nicht so schwierig. „Als Schriftsteller wusste ich, dass die Sprache der wichtigste Schritt ist zur Integration. Also habe ich die erste Zeit im Flüchtlingsquartier im Burgenland damit verbracht, die deutsche Sprache zu lernen.“ Seit 2015 hat Hamed Abboud die Aufenthaltsgenehmigung in Österreich. Das Burgenland ist seine zweite Heimat geworden, auch wenn er nun als erfolgreicher Schriftsteller in Wien zu Hause ist. „Mein Leben war bisher voller Überraschungen. Unerwartet habe ich mit 12 Jahren aus Liebeskummer mein erstes Gedicht verfasst. Seitdem begleitet mich das Schreiben. Unerwartet bin ich Flüchtling geworden. Unerwartet wandelte sich während der Flucht mein Schreibstil, der mir mehr Raum gab, über Flucht, über Exil, über ein neues Leben zu berichten. Das Schreiben hat mir geholfen, diese herausfordernde Zeit zu verarbeiten.“ Unerwartet sei er dann auch ein „syrischer Burgenländer“ geworden. „So nennen mich meine Freunde mit Augenzwinkern. Ich wurde hier herzlich empfangen und willkommen geheißen und konnte mir ein neues Leben aufbauen.“

Hamed Abbouds Mutter und seine Schwester kamen erst ein paar Jahre nachdem er und sein Bruder nach Europa geflüchtet sind aus Ägypten nach. Da sich die Flüchtlingspolitik in dieser Zeit verändert hatte, durften sie nicht nach Österreich einreisen, sondern wurden in Frankreich aufgenommen. Dort sind sie mittlerweile anerkannte Flüchtlinge. „Als Familie können wir also nicht in einem Land miteinander leben, aber es gibt die Möglichkeit, einander zu besuchen“, sagt der Autor mit Wehmut. Zu seinem Vater und zu Verwandten in Syrien und zu Freunden, die in aller Welt verstreut sind, habe er immer wieder Kontakt, sagt Abboud.

WÜNSCHE

Ein großes Anliegen ist dem Schriftsteller, dass Menschen Vorurteile gegenüber geflüchteten Personen abbauen und man ihnen nicht einen permanenten Stempel als Flüchtlinge aufdrückt. Das versucht er durch persönliche Begegnungen bei Lesungen, bei Diskussionen, bei Einladungen, wo er von seinen Fluchterfahrungen erzählt. „So bekommen die Menschen ein lebendiges Bild von einer geflüchteten Person und eine Vorstellung davon, was es heißt, seine Heimat verlassen zu müssen. Meine große Hoffnung ist, dass es mir mehr und mehr gelingt, Brückenbauer zu sein.“

FLÜCHTLINGSPOLITIK

Gemeinsam mit Jakob Sauseng von der Plattform Asyl für Menschenrechte wird Hamed Abboud am 17. April um 19 Uhr online einen Vortrag halten und über seine persönlichen Fluchterlebnisse berichten. Jakob Sauseng gibt Einblicke zum Thema „EU-Flüchtlingspolitik: Balanceakt zwischen Ignoranz und Verantwortungslosigkeit“.

Am 10. April wurde die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) durch das EU-Parlament und den Rat der EU beschlossen, die 2026 in EU-Recht gegossen werden soll. Jakob Sauseng befürchtet, dass sich durch dieses Reformpaket die Situation weder an den Asylaußengrenzen noch im Mittelmeerraum verbessern werde. Wichtiger als neue Gesetzesänderungen wäre laut Sauseng „die Durchsetzung des bereits bestehenden Rechts in allen europäischen Ländern. Es gibt u. a. die Genfer Flüchtlingskonvention, die Antifolterkonvention, die Kinderrechtskonvention, die Grundrechtecharta der Europäischen Union. Leider werden sie von vielen Mitgliedstaaten der EU nicht konsequent umgesetzt.“ Zentrale Forderungen Sausengs sind nach wie vor z. B. sichere und legale Wege für Menschen, die um Schutz in der EU ansuchen und eine gerechte interne Verteilung von geflüchteten Personen innerhalb der EU. „Zudem braucht es eine Fokusverschiebung: weg vom Bekämpfen geflüchteter Personen hin zur Bekämpfung von Fluchtursachen“, sagt Sauseng.

Der Vortrag findet im Zuge der Online-Reihe „Europa im Fokus“ des Forums Katholische Erwachsenenbildung Österreichs und der Katholischen Bildungswerke Österreichs anlässlich der bevorstehenden EU-Wahlen statt.

SUSANNE HUBER

Infos: www.hamedabboud.atwww.plattform-asyl.eu
Direktlink zum Online-Vortrag am 17. 4., 19 – 20.30 Uhr: https://us02web.zoom.us/j/84173462182#success

Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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