Friede und Hoffnung für Europa

„Göttliche Liturgie“ wird die heilige Messe im byzantinischen Ritus genannt. Einmal im Jahr findet sie in feierlicher Form auch im Wiener Stephansdom statt. Das Bild zeigt, wie zu diesem Anlass große Ikonen vor dem Altar aufgestellt wurden. Rechts im Bild Generalvikar Yuriy Kolasa. | Foto: kathbild.at / Franz Josef Rupprecht
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  • „Göttliche Liturgie“ wird die heilige Messe im byzantinischen Ritus genannt. Einmal im Jahr findet sie in feierlicher Form auch im Wiener Stephansdom statt. Das Bild zeigt, wie zu diesem Anlass große Ikonen vor dem Altar aufgestellt wurden. Rechts im Bild Generalvikar Yuriy Kolasa.
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Vor 20 Jahren, am 22. Mai 2004, ging die größte Veranstaltung aller Zeiten in Mariazell – nun ja, nicht „über die Bühne“ sondern über einen Feldaltar. Der „Mitteleuropäische Katholikentag“ stand für einen europäischen Aufbruch in Kirche und Gesellschaft.

Erbärmlich gefroren hat der sonnenverwöhnte Italiener Angelo Sodano im Mai 2004 in Mariazell. Als Kardinal und Staatssekretär seiner Heiligkeit und damit sozusagen erster Mitarbeiter von Papst Johannes Paul II. musste er seinen kränkelnden Chef in dessen letzter Lebensphase häufig bei Events vertreten.

Die Hoffnung auf einen weiteren Besuch des polnischen Papstes im steirischen Marienwallfahrtsort blieb unerfüllt. Diese beiden Wermutstropfen – das regnerische Wetter und der angesagte und dann doch abgesagte Spitzengast konnten die Stimmung beim MEKT, dem Mitteleuropäischen Katholikentag vor 20 Jahren in Mariazell nicht wirklich trüben. Kardinal Christoph Schönborn prägte angesichts der Menschenmassen auf dem von Niederschlag getränkten Flugplatz bei Mariazell den Slogan von den „wetterfesten Christen“. Der Wiener Erzbischof konnte damals hunderttausend Gläubige aus den einst mehr oder weniger zur österreichischungarischen Doppelmonarchie zählenden Nachfolgestaaten begrüßen: Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Österreich selbst. Es war die größte Wallfahrt, die je in Mariazell verzeichnet wurde.

JUGEND UND HOCHADEL
Die vielfach sehr jungen Teilnehmer sogen mit der rauhen Gebirgsluft des alpinen Wallfahrtsortes auch den Atem der Freiheit in einem sich mehr und mehr politisch einenden Europa ein. In der ersten Reihe hatte Otto von Habsburg Platz genommen, neben ihm seine Gemahlin Regina, beide lebenslang und über ihren Tod hinaus mit dem bereits von ihren Vorfahren geförderten Marienheiligtum verbunden. Es entzieht sich meinem Wissen, was der Kaisersohn und Spitzenvertreter des ehemals regierenden Erz-Hauses angesichts „seiner“ wieder zusammengeführten Völker sinniert haben mag. Es wird ihn, den großen Verfechter einer europäischen Völkerfamilie, wohl sehr gefreut haben.

Hinter dem Feldaltar hielten – wie schon in der jahrelangen Vorbereitung auf die große Zusammenkunft – zwei Kirchenmänner die Fäden in der Hand: Der damalige Superior von Mariazell, P. Karl Schauer OSB sowie der in diesem Zeitraum als Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz tätige Ägidius J. Zsifkovics. Beide arbeiten auch heute noch gut zusammen: Letzterer als Diözesanbischof von Eisenstadt, der andere als sein Bischofsvikar. (Die kraftvolle Bildsprache des Altares war aus der Zeichenfeder des Wiener Architekten Harald Gnilsen geflossen. Manfred Fuchsbichler vom Bauamt Graz wurde beigezogen, um die Zusammenarbeit mit dem regionalen Diözesanbauamt in der Steiermark zu signalisieren. Sie waren ein wunderbares Team!)

KUNSTFERTIGE NONNEN
Die Wappen der damals offiziell eingeladenen Teilnehmerstaaten wurden in einem sakralen Kunstgegenstand verewigt. Im Auftrag der Österreichischen Bischofskonferenz erarbeiteten die Zisterzienserschwestern von Marienfeld (NÖ) ein mit Goldfäden durchwirktes neues Kleid der Mariazeller Gnadenstatue. Zusammen mit den strahlenden Blättern eines Zweiges der Duftrose umranken die gestickten acht Staatswappen den von Maria getragenen Jesusknaben – Christus, die „Hoffnung Europas“.

UKRAINE UND ÖSTERREICH – ALTE BANDE
Zumindest im Hinblick auf die ehemals habsburgisch geführten Gebiete könnte ein Hoheitszeichen auf dem Gewand der Gottesmutter vermisst werden, befanden sich doch wesentliche Teile der Ukraine einst unter den Kronen des Hauses Österreich. Freilich waren 2004 auch ukrainische Christen unter den hundertausend Pilgern gewesen. Doch erst im Oktober 2023 formten sich zumindest in Österreich lebende Ukrainer zu einer ersten Wallfahrt ihrer Ethnie nach Mariazell. 600 versammelten sich damals, mit Bussen kamen sie aus dem ganzen Bundesgebiet, auch aus Tirol und Vorarlberg, zwei Bundesländer, die bei ihren geistlichen Fahrten eher andere Ziele ins Auge fassen. Für viele von ihnen mag nicht das touristische Erlebnis des von Berg- und Waldkulissen gesäumten Naturjuwels der Steiermark an erster Stelle bei den Reisemotiven gestanden haben. Sie trugen bittere Not und ratlose Suche nach Trost vor den Gnadenaltar, denn in ihrer Heimat tobt ein mörderischer Krieg, in dem sich das von seinen westlichen Verbündeten unterstützte ukrainische Mutterland der räuberischen Aggression Moskaus und dem Terror aus Russland entgegenstemmt.

FAMILIE STATT ZÖLIBAT
Für den 9. Juni 2024 ist die zweite Wallfahrt der Ukrainer nach Mariazell angesagt. Kardinal Christoph Schönborn soll sie leiten, er ist ja als „Ordinarius“ für alle katholischen Christen Österreichs aus den östlichen Traditionen zuständig. In dieser Funktion steht ihm als Generalvikar Yuriy Kolasa zur Seite.

Kolasa kann mit seiner Ehefrau und den leiblichen Kindern jene Form des priesterlichen Lebensstils vollziehen, die bei den orthodoxen wie auch katholischen Klerikern des byzantinischen Ritus weit verbreitet ist: eigene Familie an Stelle von Zölibat.

BETEN MIT DEN BISCHÖFEN
Kolasa erhoffte sich bei einem Gespräch mit mir die Teilnahme weiterer Bischöfe am 9. Juni in Mariazell. Da ab dem darauf folgenden Tag die Vollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz (wie jedes Jahr zu ihrer Sommertagung in Mariazell) zusammentreten sollte, könnte sein Wunsch in Erfüllung gehen. Noch größer ist freilich Kolasas – und wohl aller seiner Landsleute – Sehnsucht nach einem „gerechten Frieden“.

Um den wollen er und seine Landsleute deshalb bei dieser Friedenswallfahrt ihre Gebete der Gottesmutter von Mariazell anvertrauen.

FRANZ JOSEF RUPPRECHT

www.katholischeostkirchen.at
www.basilika-mariazell.at

„Göttliche Liturgie“ wird die heilige Messe im byzantinischen Ritus genannt. Einmal im Jahr findet sie in feierlicher Form auch im Wiener Stephansdom statt. Das Bild zeigt, wie zu diesem Anlass große Ikonen vor dem Altar aufgestellt wurden. Rechts im Bild Generalvikar Yuriy Kolasa. | Foto: kathbild.at / Franz Josef Rupprecht
2004 als Superior von Mariazell und Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz tätig: P. Karl Schauer OSB und Ägidius J. Zsifkovics.  | Foto: kathbild.at / Franz Josef Rupprecht
Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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