IM_LAND
Feingefühl und offene Ohren

Petra Lunzer leitet seit Jahren die ökumenische Telefonseelsorge im Burgenland. Es sind Schicksale und Situationen, auf die sich das Team der ehrenamtlichen Mitarbeitenden in jedem Gespräch aufs Neue einlassen. Aufgezeichnet von CHRISTOPHER ERBEN

„Wenn wir den Hörer abheben, wissen wir nie, was auf uns zukommt“, sagt Petra Lunzer. „Weil jedes einzelne Gespräch anders verläuft.“ Vor 24 Jahren begann die vierfache Mutter ehrenamtlich in der Telefonseelsorge mitzuarbeiten und durchlief damals dort die spezifische Ausbildung, in der jede und jeder auf den Einsatz gezielt vorbereitet wird. Im Jahr 2015 stieg die Pöttelsdorferin ins ökumenische Leitungsteam ein.

Petra Lunzer: Bei psychischer Überlastung, Einsamkeit oder innerer Anspannung rufen uns Menschen unter der Notrufnummer 142 an. Sie befinden sich häufig in einem Ausnahmezustand und sind verzweifelt, weil sie weder ein noch aus wissen. Auch einsame und sozial isolierte Menschen kontaktieren uns. Denn sie haben oft niemanden in ihrem Umfeld, mit dem sie reden können und bei dem sie ihre Ängste, Sorgen und Nöte deponieren können. Vor Jahren telefonierte ich mit jemandem, der die Matura nachholen wollte, jedoch fand er keine Unterstützung in seinem privaten Umfeld. Niemand traute ihm diesen Abschluss zu. In unserem Telefonat machte ich ihm Mut, sich und seinen Zielen treu zu bleiben. Er ging gestärkt aus dem Telefonat hervor und entschied sich, die Schule weiter zu besuchen. Für das für ihn entlastende und zugleich motivierende Gespräch war er sehr dankbar. Zum Schluss konnten wir sogar noch herzhaft miteinander lachen.

Rund 30 Anrufe erreichen uns jeden Tag im Schnitt. Unser Team besteht derzeit aus etwa 80 Ehrenamtlichen, die in vier Schichten bei uns arbeiten. Sie kommen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten und Berufen. Dadurch ergibt sich eine bunte Vielfalt an Lebenszugängen und Erfahrungen. Bei jedem Telefonat lassen sie sich auf das Gegenüber mit viel Empathie, Takt und Wertschätzung ein. Sie schenken ihm dabei ein offenes Ohr, damit er sich angenommen und verstanden fühlt. Tipps geben wir jedoch nur in Ausnahmefällen. Was wir derzeit zunehmend beobachten, ist, dass besonders junge Menschen uns lieber anschreiben – sprich, eher mit uns chatten oder ein E-Mail schreiben – als mit uns persönlich zu telefonieren. Diese Form der Kommunikation ist noch niederschwelliger und vielleicht einladender als die am Telefon.

Die ökumenische Telefonseelsorge ist für alle Menschen in einer Notsituation da. Nicht nur in Betreuungsgesprächen, sondern auch in akuten Lebenskrisen versuchen wir, ihnen am Telefon zu helfen und sie zu unterstützen, damit sie diese bewältigen. In akuten Fällen bleiben wir zum Beispiel mit dem Anrufer oder der Anruferin so lange im Gespräch, bis sich die weiteren Schritte abzeichnen. Ich erinnere mich noch an eines, in dem mir eine Frau vom Tod ihres Mannes erzählt hat. Dieser lag noch „bei ihr“ im Nebenzimmer.

Einige, die uns anrufen, befinden sich in sehr dunklen Kammern ihres Daseins. Sie aus dieser mit viel Einfühlungsvermögen zu begleiten, ist für uns manchmal zwar sehr kräfteraubend, aber auch sinnstiftend und bereichernd. An der Telefonseelsorge sind mein Team und ich daher persönlich enorm gewachsen und gereift. Ja, weil wir uns für Seelen in Not einsetzen – und das mit Leidenschaft und Hingabe.

Telefonseelsorge und Onlineberatung

Die Mitarbeitenden der Telefonseelsorge Burgenland sind rund um die Uhr kostenlos unter der Nummer 142 sowie per Chat (von 16 bis 22 Uhr) und via E-Mail erreichbar.

Ehrenamtliche MitarbeiterInnen sind herzlich willkommen.

www.martinus.at/telefonseelsorge

www.onlineberatung-telefonseelsorge.at

Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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