"Wenn du glücklich bist, dann..."

Das Thema Glück begleitet das KirchenBlatt in den nächsten Wochen immer wieder in verschiedenen Formen - halten Sie die Augen offen.   | Foto: Yan / pexels.com
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"...klatsche in die Hand", heißt es in einem bekannten Kinderlied. Aber wer kann - v.a. in Zeiten von Corona - noch klatschen? Was es zum Glücklichsein braucht und was nicht, erklärt der Glücksforscher Dr. Karlheinz Ruckriegel.

Interview: Simone Rinner

Herr Dr. Ruckriegel, was ist Glück? Oder anders gefragt: Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit wir glücklich sind?
Karlheinz Ruckriegel: Die Glücksforschung hat eine Reihe von Glücksfaktoren herausgearbeitet. Unser wichtigster Glücksfaktor sind gelingende, liebevolle soziale Beziehungen (Partnerschaft, Kinder, Familie, Freunde, Nachbarschaft, Arbeitskollegen,...). Wir Menschen sind das sozialste Wesen auf dieser Erde. Gemeinschaft (Zuwendung und Fürsorge) ist ein emotionales Grundbedürfnis für uns. Ein weiterer Glücksfaktor ist unsere psychische und physische Gesundheit. Es lohnt sich also, gezielt etwas für die Gesundheit zu tun (Konsum- und Ernährungsverhalten, Bewegung). Eine bedeutende Rolle beim Glücklichsein spielen auch Engagement und eine erfüllende Tätigkeit. Wir haben ein Grundbedürfnis nach sinnhaftem Tun und Wertschätzung oder Anerkennung. Auch brauchen wir ein gewisses Maß an persönlicher Freiheit. Wir haben ein Grundbedürfnis nach einem Mindestmaß an Kontrolle über unsere Umwelt. Wir brauchen das Gefühl, auf unser Leben Einfluss zu haben, d.h. selbstwirksam zu sein. Wichtig sind auch die Einstellungen, die wir haben: Sind wir optimistisch, sind wir dankbar, ...? Schließlich brauchen wir genug Einkommen, um unsere materiellen Grundbedürfnisse zu decken und eine soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben jetzt und im Alter zu ermöglichen (Stichwort: finanzielle Sicherheit). Wir wissen aus der Glücksforschung aber auch, dass - nachdem die materiellen Grundbedürfnisse abgedeckt sind und eine soziale Teilhabe möglich ist - mehr Geld/Einkommen (Wohlstand) das subjektive Wohlbefinden kaum mehr erhöht. Sind die materiellen Grundbedürfnisse gedeckt und ist eine soziale Teilhabe möglich, so ist eine Fokussierung auf das Materielle nicht mehr zweckdienlich für ein glückliches Leben, da Gewöhnung und Vergleich dem entgegenwirken. Man sollte sich diese beiden Effekte stets bewusst machen und sich vor diesem Hintergrund genau überlegen, wofür man seine Zeit verwendet. Letztlich ist unsere Zeit unser knappes Gut.

Gibt es einen Unterschied zwischen Glück und „Glücklichsein“? Oder müsste es mehr um „Zufriedenheit“ gehen?
Ruckriegel: Wenn wir von Glück sprechen, geht es um subjektives Wohlbefinden, also um das Glücklichsein. Es hat zwei Ausprägungen, und zwar das „emotionale“ und das „kognitive“ Wohlbefinden. Mit emotionalem Wohlbefinden ist die Gefühlslage im Moment gemeint, wobei es im Wesentlichen auf das Verhältnis zwischen positiven und negativen Gefühlen im Tagesdurchschnitt ankommt (Anhaltspunkt: das Verhältnis von positiv zu negativ sollte mindestens 4:1 betragen). Hier geht es um das Wohlbefinden, das Menschen erleben, während sie ihr Leben leben. Beim kognitiven Wohlbefinden geht es hingegen um den Grad der „Zufriedenheit“ mit dem Leben (Bewertung). Es findet eine Abwägung zwischen dem, was man will (den Zielen, Erwartungen und Wünschen) und dem, was man hat, statt. Es geht also um das Urteil, das Menschen fällen, wenn sie ihr Leben bewerten, wobei es hier entscheidend auf die Ziele ankommt, die Menschen für sich selbst setzen. Ziele sollten realistisch und sinnhaft sein. Emotionales und kognitives Wohlbefinden sind gleichermaßen wichtig, denn beide beeinflussen sich gegenseitig. Eine glückliche Person erfreut sich häufig (leicht) positiver Gefühle, erfährt seltener negative Gefühle im Hier und Jetzt und sieht einen Sinn in ihrem Leben, verfolgt also sinnvolle (Lebens-) Ziele. Dauerhaftes Glück erfordert, dass wir den Weg genießen, der uns zu einem lohnenswerten Ziel führt. Es geht darum, dass wir uns wohlfühlen mit bzw. in unserem Leben. Und dieses Gefühl ist weltweit für alle gleich.

Kann man „Glücklichsein“ lernen oder es mehr schätzen lernen?

Ruckriegel: Wir wissen aus Psychologie und Neurobiologie, dass wir einen Negativitätsbias haben, d.h. wir nehmen negative Gefühle schlicht viel stärker wahr als positive. Dies ist evolutionsbedingt heute aber nicht mehr zeitgemäß. Deshalb ist es wichtig, die positiven Gefühle zu stärken. Ein gutes Mittel hierfür ist, zwei- bis dreimal die Woche für zwei oder drei Monate abends ein Dankbarkeitstagebuch zu schreiben, in das man drei Geschehnisse des Tages einträgt, für die man dankbar ist und dazu auch vermerkt, was man selbst dazu beigetragen hat, dass sich diese Dinge ereignet haben (Selbstwirksamkeit). Auch sollte man sich öfters direkt bei anderen bedanken, wenn dafür ein Anlass besteht. Dadurch ändert sich nach und nach unsere Sichtweise auf die Realität: Sie wird viel positiver, d.h. realistischer wahrgenommen. Außerdem sollte man darauf achten, sehr sorgsam mit negativen Gefühlen umzugehen. Sich aufzuregen, weil man im Stau steht, macht keinen Sinn. Es geht also auch um einen bedachten Umgang mit unseren negativen Gefühlen. Hier ist Emotionsmanagement gefragt. Wir können beeinflussen, wie wir uns fühlen, indem wir verändern, was wir denken (Einstellungsänderung). Eine positive Grundeinstellung erweitert den Horizont, vermeidet einen Tunnelblick. Man sollte sich sinnvolle Ziele setzen und im Alltag umsetzen. Diese können durchaus ambitioniert sein. Sie müssen aber zumindest eine gewisse Realisierungschance haben. Bei bloßen Luftschlössern ist Frustration vorprogrammiert. Inhaltlich sollte man bei diesen Zielen die „Glücksfaktoren“ im Auge haben. Weltweite Untersuchungen zeigen: Menschen, die in ihrem Leben persönlichem Wachstum, zwischenmenschlichen Beziehungen und Beiträgen zur Gesellschaft Priorität gegenüber Geld, Schönheit und Popularität einräumen, haben deutlich bessere Zufriedenheitswerte. Dies hängt damit zusammen, dass die erstgenannten Ziele unsere psychischen Grundbedürfnisse nach Autonomie (selbst entscheiden), Kompetenz (sich wirksam erleben) und Zugehörigkeit (verbunden sein) am besten befriedigen. Man sollte sich nicht ständig unter Zeitdruck setzen bzw. setzen lassen und bewusst Pausenzeiten genießen. Permanenter Zeitdruck ist ein Glücks- und Produktivitätskiller. Wir wissen aus der Glücksforschung, dass Zeit unser knappes Gut ist. Wir sollten daher sehr sorgsam damit umgehen, damit wir ein hohes Maß an subjektivem Wohlbefinden und damit an Lebensqualität erfahren.

In Zeiten von Corona sind viele dieser Glücksfaktoren (gefühlt) nur eingeschränkt oder gar nicht umsetzbar. Was können wir tun, um trotzdem glücklich(er) zu werden oder zu sein?

Ruckriegel: Nach dem ersten Lockdown im Mai haben repräsentative Umfragen in Deutschland für den Deutsche Post Glücksatlas ergeben, dass Corona ein Umdenken angestoßen hat. Mehr als 80 Prozent der Befragten sagten, dass die Krise ihnen gezeigt habe, wie wichtig Familie und Freunde seien. 60 Prozent antworteten, dass sie weniger zum Leben bräuchten, mehr als 40 Prozent wollen weniger konsumieren. Gerade in der derzeitigen Situation ist es aber auch wichtig, auf die Gefühlsbilanz zu achten. Wir sollten uns nicht auf negative Gefühle fokussieren. Wer sich im Stau aufregt bis zum Anschlag, ändert am Stau gar nichts. Auch an der Pandemie können wir gerade nicht viel ändern. Aber es gibt jeden Tag noch genug Gutes. Ein interessantes Gespräch, eine Arbeit, die wir fertig stellen, ein Kompliment, das wir bekommen. Eine positive Gefühlsbilanz macht uns resilienter.

Zum Thema Glücksforschung

Die Glücksforschung ist ein interdisziplinäres Fachgebiet, in dem insbesondere Psychologen, Soziologen, Ökonomen, Neurobiologen und Mediziner zusammenarbeiten. „Sie beschäftigt sich mit Glück im Sinne des Glücklichseins, also mit dem ‚subjektiven Wohlbefinden‘, nicht aber dem Glückhaben, also dem Zufallsglück, welches ohne eigenes Zutun zufällt wie etwa ein Lottogewinn“, erklärt der Glücksforscher Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel. Während im Deutschen mit dem Wort Glück beides gemeint sein kann, haben die meisten anderen Sprachen eigene Wörter für beide Arten des Glücks wie etwa Happiness (Glücklichsein) und Luck (Glückhaben) im Englischen. Ruckriegel ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fakultät Betriebswirtschaft der TH Nürnberg und berät zahlreiche Unternehmen und Organisationen sowie die Politik darin, wie sie die Erkenntnisse der interdisziplinären Glücksforschung umsetzen können.

Autor:

KirchenBlatt Redaktion aus Vorarlberg | KirchenBlatt

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