Tauschladen Thüringen
Ein Secondhand-Eldorado in Thüringen

Carina Kraus (li.) und Sabine Klapf sind die treibende Kraft im Tauschlädele, in dem nicht nur Kleidung getauscht, sondern auch verarbeitet und „apgeseikelt“ wird. | Foto: KKV / Simone Rinner
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  • Carina Kraus (li.) und Sabine Klapf sind die treibende Kraft im Tauschlädele, in dem nicht nur Kleidung getauscht, sondern auch verarbeitet und „apgeseikelt“ wird.
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Wenn liebevoll beschriftete Wände den Weg zu „Klim-Bim“, „Umzücha“ und „No me Häs“ weisen, befindet man sich im Eldorado aller Secondhand-LiebhaberInnen. Vereint unter einem Dach geben
das Repair-Café und das „Tauschlädele“ in Thüringen Dingen ein zweites, drittes oder viertes Leben. Carina Kraus und Sabine Klapf erzählen, warum ihnen „Häs tuscha“ so ein Anliegen ist.
Fünf Jahre lang veranstalteten Carina Kraus und Sabine Klapf Kleidertauschpartys im Thüringer Pfarrhaus. Dann kam Corona. Weil ihnen Nachhaltigkeit aber ein großes Anliegen ist und die Kleidertauschpartys Spaß gemacht hatten, wurde aus einer Idee und viel Arbeit im vergangenen September Wirklichkeit: ein eigenes Tauschlädele. Im „Agrarhüsle“ in der Werkstraße 32 kann man nun nicht nur defekte Dinge reparieren, sondern auch Kleider, Schuhe und Accessoires tauschen.

Herzen gegen Kleidung

Das Prinzip ist einfach, erklärt Kraus: Pro Stück, das ins Tauschlädele gebracht wird, bekommt man ein Herz in seinen Tauschpass, der übrigens auch übertragbar ist. Bei 20 hätten sie die Grenze ziehen müssen, erinnern sich Kraus und Klapf lachend an die Anfangszeit zurück, als Leute kartonweise Kleidung bringen wollten. „Qualität vor Quantität“ lautet die Devise des Tauschlädeles, denn „die Kleidung muss gut beinander sein − und auch nicht fleckig oder verzogen“, betont Kraus. Ausgeschlossen sind außerdem Unterwäsche, Socken, Strumpfhosen und Bademode. Wenn man etwas mitnimmt, wird ein Herz gestanzt. „Jedes Herz ist ein Stück - egal was du gebracht hast“, erklären die beiden Initiatorinnen. „Wir bewerten nicht, denn sonst bist du wieder in diesem Euro-Denken drin“, betont Klapf. Dabei könne der ideelle Wert eines einmal getragenen, furchtbar teuren Mantels, viel geringer sein, als das Lieblings-T-Shirt. Und was, wenn einen doch das schlechte Gewissen plagt? „Über eine freiwillige Spende freuen wir uns immer“, grinsen die beiden Frauen. Während die Anfangszeit nämlich noch als „LEADER“-Projekt finanziert war, müssen Miete und Betriebskosten nun selbst getragen werden. „Auch wenn uns die Agrargemeinschaft da sehr entgegenkommt“, sind Klapf und Kraus dankbar.

Kreativität

Auf zwei Stockwerken sind nun „Männerhäs“, „Frauahäs“ und „Kinderhäs“ verteilt. Accessoires und Schuhe inklusive. Kreativität beweisen die Frauen nicht nur bei der Gestaltung und Einrichtung der Räume, sondern auch bei der Platznutzung. Da wird aus dem Treppenaufgang ein Spielbereich für die Kinder oder eine Umkleide und aus alten Paletten ein gemütlicher Sitzbereich, der zum Kaffeetrinken und Kuchenessen einlädt. Ganz ohne Konsumzwang. Ideenreich geht es auch beim Re- und Upcycling zu. „Manchmal finden wir Kleidungsstücke, die man nicht mehr brauchen oder tauschen kann, aber wir möchten sie nicht achtlos wegwerfen“, erzählt Kraus, wie aus Hemden Einkaufstaschen, Kinderkleidung oder Polster mit Trachtenknöpfen werden.

Acht Stunden Öffnungzeit pro Woche, ein- und ausräumen, sortieren, Kuchen backen, umdekorieren und das Tauschlädele reinigen wären nicht zu stemmen, wenn aus den zwei Frauen in den letzten Monaten nicht 20 Frauen geworden wären. „Das sind total coole Frauen unterschiedlichen Alters − von 20 bis über 70“, sind die Initiatorinnen begeistert und würden sich freuen, wenn es noch mehr werden würden. Und auch Männer sind herzlich eingeladen. Jede/r darf seine Ideen und Talente mitbringen, betonen die beiden und haben selbst auch schon Visionen für die Zukunft. Eine Ecke mit fairer Kleidung zum Beispiel oder einen Büchertausch, der Ende April übrigens Realität wird.

Über 600 Interessierte besuchten in den ersten drei Monaten das Tauschlädele − mit Blick auf den kurzzeitigen Lockdown eine beachtliche Zahl. Dank der Nähe zum Radweg und der guten Busanbindung ist der Laden aber auch gut erreichbar, freuen sich die Frauen. Neben Stammkunden, die regelmäßig „wünderla“ kommen, gibt es auch viele Menschen, die weite Wege auf sich nehmen, erzählt Kraus von zwei Freundinnen, die auf Empfehlung extra aus dem Tirol anreisten. Und von einer Begegnung mit einer Frau, die sich lachend beschwerte, dass die Oberländerinnen angesichts der vorhandenen Konfektionsgrößen wohl nichts essen. „Ich finde, wir haben wirklich schöne Kleidung“, sind Kraus und Klapf auf ihr Tauschlädele stolz, das sich über freiwillige Spenden finanziert. Vielleicht mit ein Grund, warum sich der Laden einer großen Akzeptanz und Beliebtheit erfreut. Übrigens: Kleidung, die nicht mehr gebraucht wird, wird nicht eingelagert oder weggeworfen, sondern an soziale Organisationen und Vereine gespendet. Für ein drittes oder viertes Kleiderleben.«

Autor:

KirchenBlatt Redaktion aus Vorarlberg | KirchenBlatt

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