Kongo
„Krücken gaben mir mein Leben zurück“

Foto: LILA/Caritas OÖ

Junge Menschen mit Beeinträchtigungen haben es in der Demokratischen Republik Kongo nicht leicht. Die Caritas OÖ verhilft ihnen zur Selbstständigkeit.

Als kleines Mädchen kroch Charly auf allen Vieren durch die Straßen von Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo in Zentralafrika. Durch diese Straßen fährt keine Müllabfuhr, jeglicher Abfall bleibt dort liegen, wo er weggeworfen wurde. Der Großteil der Bevölkerung ist arm und lebt in Slums. Die Wege zwischen den einfachen Behausungen bestehen aus bloßem Erdboden, die in der Regenzeit oft unpassierbar werden. Asphaltiert wird nur, wo die Straße für Handel und Wirtschaft wichtig wird. 

Es geht weiter 

Charly lebte bis zu ihrem elften Lebensjahr bei ihrer Tante, bis auch diese sie aufgrund ihrer Beeinträchtigung verstieß. Das Mädchen wurde mit einem offenen Rücken geboren, ihre Gehfähigkeit war dadurch stark eingeschränkt. Das reichte aus, um von ihrer Umgebung gemieden zu werden: „War ich mit anderen zusammen, wurde ich stets weniger beachtet. Niemand wollte sich um mich kümmern“, erzählt Charly. 

Ihr Schicksal änderte sich erst, als sie in das Operations- und Rehabilitationsprojekt der Caritas OÖ in Kinshasa aufgenommen wurde. Mit der Projektpartnerin AMD/RAC (die französische Abkürzung für „Hauskrankenpflege und gemeindenahe inklusive Rehabilitation“, siehe auch Kasten rechts) werden für Kinder mit Beeinträchtigungen Operationen und Behandlungen ermöglicht, damit sie ein normales Leben führen können. 

Große Pläne

Koordinatorin und Leiterin des Projekts ist Astrid Moanda. Mit Stolz und Freude blickt sie auf die Entwicklung, die die Kinder und Jugendlichen machen, wie ihr besonderer Schützling Charly. Die heute 18-Jährige wurde wie viele andere Mädchen und Burschen in einer Privatklinik vom Pastor, Universitätsprofessor und Kinderchirurgen Muepu Muebe Idesbald operiert. Das Gehen fällt ihr nun leichter, außerdem kann sie dank ihrer Krücken ihren Mitmenschen endlich auf Augenhöhe begegnen: „Die Krücken haben mir mein Leben zurückgeben. Und die Hoffnung, dass es weitergeht“, sagt Charly. 

Ein Vorbild ist für sie die Künstlerin Madame Stella. Diese wurde ohne Arme und Beine geboren, brachte fünf gesunde Kinder zur Welt und hat sich vorgenommen, alles zu tun, um nicht auf der Straße zu landen. Um ihre Familie zu versorgen, malt sie Bilder und verkauft diese. Unter anderem wurden ihre Gemälde in Linz ausgestellt. „Von dem Erlös habe ich einen Kühlschrank und Medikamente gekauft sowie das Schulgeld für meine Kinder bezahlt“, erzählt sie. „Madame Stella zeigt, was man erreichen kann trotz einer Beeinträchtigung“, sagt Astrid Moanda. Von dieser Energie lässt sich auch Charly anstecken: „Ich möchte eine große Schneiderin werden und mich selbstständig machen.“ Die Grundausstattung dafür erhält sie im Caritas-Projekt: eine Nähmaschine, Stoffe und Zubehör; in einem dazugehörigen Kurs lernt Charly die wichtigsten Techniken. 

Schicksalswende

Nicht für die Schneiderei, dafür für das Herstellen von Saft aus Früchten hat sich die 22-jährige Bibiche entschieden. Auch sie besucht einen Kurs und bekommt die notwendigen Utensilien wie Töpfe, Gläser oder eine Flotte Lotte® von der Caritas. Wie Charly hat auch Bibiche einen langen Leidensweg hinter sich. 2019 war sie eines Tages bei einer Freundin zu Hause und wollte gerade einen Topf mit Essen zu ihr tragen. In dem Moment bekam sie einen epileptischen Anfall und stolperte über die Feuerstelle. Darauf befand sich ein Topf mit heißem Wasser, der ihr Gesicht und den Oberkörper verbrühte.  „Meine Freundin flüchtete, ich hab sie nie wieder gesehen. 45 Minuten lag ich bewusstlos da, bis mich jemand fand“, erzählt sie. Das heiße Wasser schmolz ihren Kopf an ihrer Schulter fest, und auch ihre Lippen war derart verbrüht, dass sie nicht mehr sprechen konnte. 

Was folgte, war ein viermonatiger Krankenhausaufenthalt. In dieser Zeit ging es ihr sehr schlecht: „Ich hatte Schmerzen und habe mich für die Wülste im Gesicht geschämt“, sagt sie. Ihr damaliger Verlobter und jetziger Ehemann stand ihr dennoch zur Seite und versicherte ihr: „Ich liebe dich trotzdem.“ Schließlich wurde Bibiche in das Operations- und Rehabilitationsprojekt der Caritas OÖ aufgenommen. Wie Charly wurde sie operiert und bekam auch psychologische Unterstützung. Heute kann Bibiche wieder normal sprechen und blickt hoffnungsvoll in die Zukunft: Zum einen kann sie als Kleinunternehmerin mit dem Verkauf der Fruchtsäfte ihren eigenen Unterhalt verdienen. „Zum anderen erwarten mein Mann und ich ein Kind“, verkündet sie mit leuchtenden Augen. 

Auftrag der Kirche

Sich um die Vulnerabelsten und Ärmsten zu kümmern, sieht Astrid Moanda als Verpflichtung und Auftrag der Kirche. „Die Kinder und Jugendlichen hier haben die unterschiedlichen Arten von Krankheiten und Beeinträchtigungen“, sagt sie und umfasst mit einer Handbewegung ihre vielen anderen Schützlinge, von denen jeder seine eigene Geschichte zu erzählen hat. „Viele wären ohne die Hilfe, die ihnen durch die Projekte zugutekommt, nicht mehr unter uns.“     

Normales Leben dank Operation

Eine einfache Operation würde genügen, um Kindern mit einer körperlichen Beeinträchtigung (wieder) ein normales Leben zu ermöglichen. Da viele Eltern in der DR Kongo jedoch arm sind, können sie sich die Operationen meist nicht leisten.

Das langfristige Ziel des Projekts der Caritas OÖ in Kinshasa ist es deshalb, durch Operationen, Rehabilitation und Sensibilisierung die Lebensbedingungen von Kindern mit Beeinträchtigungen zu verbessern und ihre Integration zu fördern. Dazu werden Kindern aus armutsbetroffenen Familien Augen-, Gehör- und orthopädische Operationen und Rehabilitation ermöglicht. Finanziert wird das Projekt aus Spenden der Caritas OÖ. Für die Jahre 2019 bis 2021 leistete das Land OÖ einen einmaligen Beitrag von 63.300 Euro.

Tausende Kinder unterstützt

Projektpartnerin ist die AMD/RAC. Die Abkürzung steht für „Accompagnement des Malades à Domiciles – Réhabilitation à Assise ou base Communautaire“ – übersetzt bedeutet das „Hauskrankenpflege und gemeindenahe inklusive Rehabilitation“. Es handelt sich dabei um eine Teilorganisation des Diözesanbüros für Caritas-Entwicklung in Kinshasa und hat den Schwerpunkt in der Arbeit für Menschen in Not. AMD/RAC arbeitet in den Bereichen Gesundheit, Empowerment (Bestärkung), Advocacy (Anwaltschaft) und Nothilfe. 

Geleitet wird die Abteilung von Dr. Francois Luyeye, die operationelle Durchführung und Projektleitung liegt bei Koordinatorin Astrid Moanda. Das Projekt wird über die Pfarrstrukturen in den Armenvierteln bekannt gemacht. Erfüllen die Familie und das Kind bestimmte Kriterien und ist eine Operation sinvoll, werden sie ins Projekt übernommen. Insgesamt wurden von 2014 bis 2021 durch die Unterstützung der Caritas OÖ 2.174 Operationen, medizinische und physiotherapeutische Behandlungen durchgeführt. Außerdem erhielten 1.421 Kinder psychologische Unterstützung.

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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