Familien in der Corona-Pandemie
Anders denken ist okay

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Familienberater/innen geben Tipps, wie die einzelnen Mitglieder trotzdem wertschätzend miteinander umgehen können.

Meinungsverschiedenheiten gibt es in jeder Familie von Zeit zu Zeit. Durch Krisen wie die Coronapandemie können sie jedoch in schwere Konflikte ausarten.

„In vielen Familien sind Diskussionen und Streitigkeiten über den ‚richtigen‘ Umgang mit der Pandemie an der Tagesordnung“, sagt Josef Lugmayr, Familienseelsorger der Diözese Linz und Leiter von beziehungleben.at.

Er gibt ein Beispiel aus dem Beratungsalltag: „Eine Frau sagte, dass ihre Tochter sie nach ihrer schweren Covid-Erkrankung nicht zum Arzt fahren wollte. Die Begründung der Tochter war, dass sich ihre Mutter die Krankheit erspart hätte, wenn sie geimpft gewesen wäre.“

Fünf konkrete Tipps

beziehungleben.at hat sich fünf Wege überlegt, wie mit kritischen Situationen umgegangen werden kann:

- Über Ängste reden. Hinter der Wut stecken meist Ängste, weshalb sie offen angesprochen werden sollten, etwa so: „Ich habe Angst, dass du sterben könntest, wenn du dich nicht impfen lässt. Ich will dich nicht verlieren.“ Oder: „Ich befürchte, dass wir keine Rechte mehr haben.“

- Unterschiede anerkennen. Um Situationen wieder unter Kontrolle zu bringen, wählt jeder und jede andere Lösungsstrategien – das sei zu akzeptieren: „Auch wenn wir nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen, bist du mir trotzdem wichtig und ich bemühe mich auszuhalten, dass wir in diesem Fall unterschiedlich sind.“

- Die innere Not sehen. Manche Menschen halten den Zustand der Bedrohung schwer aus, geraten dadurch in eine innere Not und flüchten sich in Aktionismus, um arbeitsfähig zu bleiben. „Nehmen Sie sich Zeit, ihre eigene Verletzlichkeit wahrzunehmen. So können Sie auch besser die Not in anderen spüren. Überforderung und Ohnmacht nicht zu unterdrücken oder zu verharmlosen, schafft Verbundenheit.“

- Das Gespräch unterbrechen. Droht das Gespräch zu eskalieren oder diskutiert man nur noch über „richtig“ und „falsch“, sei es das Beste, das Gespräch zu stoppen und sich erfreulichen Tätigkeiten zuzuwenden: „Überlegen Sie, was Ihnen Freude macht, zum Beispiel kochen, spazieren gehen, miteinander spielen. So können Sie fühlen und erleben, dass vieles in der Familie gut ist, ein kleiner Teil ist ungelöst und schwierig. Das können wir annehmen.“

- Verbundenheit über das Trennende stellen. Zuletzt rät Lugmayr, sich selbst als Familie zu bestärken: „Trotz unterschiedlicher Meinungen und Entscheidungen wollen wir miteinander verbunden bleiben. Wir können uns gegenseitig nicht immer verstehen, weil wir anders denken. Wir wissen, dass es jeder von uns gut meint.“

Lebendige Familie

Unterschiedliche Meinungen in intakten Familien seien nicht ungewöhnlich, sagt Werner Walser, Familientherapeut und Leiter der Familieninsel in Vorarlberg: „Ein Familiensystem, in dem jedes Mitglied seine freie Meinung äußern darf, kann als ein positives Zeichen für eine lebendige Familie gewertet werden.“

In Bezug auf Corona rät Walser: „In der derzeitigen Coronakrise gilt es sehr viele Fakten zu sammeln, um dann gemeinsam offen zu diskutieren.“ „Nimmt man eine unterschiedliche Haltung ein und daraus entsteht ein Konflikt, gibt es meist eine Vorgeschichte“, meint Ernst Luttenberger, Ehe-, Familien- und Lebensberater am Institut für Familienberatung und Psychotherapie in Graz Kirchengasse und Hartberg.

Die Lösung sei gewaltfreie Kommunikation: „Dies gelingt, wenn man bei einzelnen Themen bei sich bleibt und versucht, seinen momentanen Gefühlszustand kundzutun, und gleichzeitig offen bleibt für andere Ideen.“

Josef Lugmayr von beziehungleben.at betont, dass es gerade in schwierigen Zeiten wichtig sei, „einander jeden Tag in Respekt, Wertschätzung und Achtung zu begegnen und einander im Alltag zu unterstützen.“

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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