Streaming-Serie „The Chosen“
Die Bibel im Stil von Netflix neu erzählt

Die amerikanische Jesusverfilmung „The Chosen“ ist bislang von 361 Millionen Menschen gesehen worden. Das ambitionierte Ziel der Chosen-Macher rund um Dallas Jenkins ist eine Milliarde Zuschauer. Zur Zeit ist die erste der acht Staffeln auf YouTube in Deutsch und die 2. Staffel auf Englisch mit deutschen Untertiteln in der App abrufbar. An der dritten Staffel wird ab April 2022 gedreht, die zweite Staffel liegt ab 27. Mai in der deutschen Fassung bereit.

Wolfgang Ölz

Der Initiator von „The Chosen“ ist der U.S. amerikanische evangelikale Christ Dallas Jenkins. Er hatte bereits zwei Jahrzehnte erfolgreich als Filmemacher gearbeitet als ihn der Flop eines Films am Boden zerstörte. Er wollte schon den Beruf wechseln, da drehte er für seine Kirche zu Weihnachten einen Kurzfilm, der die Geburt Christi aus der Sicht der Hirten beschreibt. Damit war die Idee für „The Chosen“ geboren: Eine Serie, die nicht Jesus, sondern die Menschen rund um Jesus in den Vordergrund rückt. Es geht um die Heilung Maria Magdalenas, um die Berufung der Jünger wie Petrus und Matthäus, es geht um den Schriftgelehrten Nikodemus, der in Jesus den erwarteten Messias erkennt. Die Berufenen sind Frauen mit zweifelhaftem Lebenswandel, grobe Fischer, schmierige Steuereintreiber und bekehrte Attentäter. Dallas Jenkins stellt seine Fähigkeit zur Verfügung wie der Junge im Gleichnis von der Brotvermehrung fünf Brote und zwei Fische.

Spiegelbestseller. Die Entstehung von „The Chosen“ ist selbst ein kleines Wunder. Ganz ohne Hollywood oder eine große Produktionsfirma funktioniert die Finanzierung über Crowdfunding, für das über 16.000 Beteiligte mittlerweile 11 Millionen US-Dollar gespendet haben. Deswegen kann die Serie auch völlig kostenfrei im Internet, als App oder auf YouTube, angeschaut werden. Auch die dritte Staffel ist schon finanziert und Jörg Schwehn vom Vertrieb „The Chosen Deutschland“ rechnet damit, dass die weiteren Staffeln ebenfalls durch die Fans im Voraus bezahlt werden. Seit dem Erscheinen der deutschen Fassung der ersten Staffel am 27. August 2021 stand „The Chosen“ bis Jänner 2022 auf der DVD-Bestsellerliste des Spiegels auf Platz eins, seit Februar auf Platz zwei.

Keine Polarisierung. Das Geheimnis von „The Chosen“ liegt auch im kompromisslos ökumenischen Ansatz. Die Schauspieler/innen gehören unterschiedlichen Konfessionen an. So ist der Jesusdarsteller Jonathan Rournie bekennender Katholik, aber es sind genauso Evangelikale, freikirchliche Christ/innen, Mormonen und auch Atheisten im Team der Schauspieler/innen. Die Mormonen stellten übrigens als Kulisse die historische Eins-zu-Eins Nachbildung des biblischen Jerusalems „Goshen“ im U.S.-amerikanischen Bundesstaat Utah das erste Mal als Kulisse für einen Jesusfilm zur Verfügung. Die Begeisterung für „The Chosen“ zieht sich auch durch verschiedene katholische Glaubensrichtungen vom Gebetshaus Augsburg mit Johannes Hartl bis zum ehemaligen Passauer Jugendbischof Stefan Oster.

Jeder findet seine Szene. Es zeugt von der Qualität der Serie, dass jede/r seine eigene Lieblingsszene hat und auch Dinge sieht, die ein anderer nicht sehen kann. So ist es etwa bezeichnend, dass ein katholischer Bischof in einer Diskussionsrunde zu „The Chosen“ in der fünften Folge der ersten Staffel im Auffinden Jesu im Tempel eine Illustration des fünften Gesetzchens des freudenreichen Rosenkranzes und in der Offenbarung bei der Hochzeit zu Kana eine Illustration des zweiten Gesetzchens des lichtreichen Rosenkranzes sieht.

Jesus hat Humor. „The Chosen“ zeigt Jesus von seiner menschlichen Seite, ohne die göttliche Seite zu vernachlässigen. Dieser Jesus ist sehr nahbar, umarmt einen Aussätzigen, schwitzt wenn er einen Wagen repariert, lässt sich von seinen Jüngern überzeugen und ist vor allem sehr humorvoll. Als seine Jünger in einem Dorf übernachten wollen, sagt der Gastgeber, er habe nur zwei Zimmer und in einem spuke seine Großmutter, worauf Jesus sagt: „Dieses Zimmer nehme ich!“

Code der Bibel geknackt. Die Stärke der Serie ist es, die Geschichten hinter den Menschen um Jesus, die in der Bibel oft nur angedeutet werden, auf überzeugende Weise hinzuzufügen. Man kann den Eindruck gewinnen, dass „The Chosen“ mit seiner Interpretation im Geist Jesu den Code der Bibel nicht nur gefunden, sondern auch geknackt hat. Dem Bibelvers „Lasst die Kinder zu mir kommen (...) Denn Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 19,14) ist eine eigene Folge in der ersten Staffel gewidmet. Und Jesus sieht tatsächlich in den Kindern so etwas wie die besseren Jünger/innen. «

The Chosen, Deutscher YouTube Kanal:
www.youtube.com/c/TheChosenDeutsch/

Kommentar

Selig seid Ihr!
Meine Lieblingsstelle von „The Chosen“ stammt aus der ersten Staffel Episode sieben. Es geht um die Berufung des Matthäus: „Als Jesus weiterging, sah er einen Mann namens Matthäus am Zoll sitzen und sagte zu ihm: Folge mir nach! Und Matthäus stand auf und folgte ihm nach (Mt 9,9).“ Simon Petrus kann bei „The Chosen“ nicht begreifen, dass sein Rabbi einen volksverräterischen Steuereintreiber zum Jünger beruft und doch ist es gerade der Außenseiter Matthäus den Jesus bei sich haben will.
In der zweiten Staffel in der Episode acht weckt Jesus Matthäus in der Nacht und trägt ihm die Seligpreisungen vor. Bei Lukas steht am Beginn der Bergpredigt: „Jesus richtete seine Augen auf seine Jünger (Lk 6,20).“ The Chosen löst den Blick Jesu auf seine Jünger so, dass zu den Seligpreisungen Szenen mit seinen Jünger/innen eingeblendet werden. Ramah, die ein reines Herz hat, Maria Magdalena, der, nach einem Fehltritt, von Mutter Maria Barmherzigkeit zuteil wird indem ihr wieder ein Kopftuch auf das lange schöne Haar gelegt wird. Zuletzt rezitiert Jesus den Vers „Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt“ (Mt 5,11a) und blickt direkt Matthäus an. Jesus scheint jenen erniedrigten Steuereintreiber, der nächtens die Vorbereitung seiner Predigt hört, in dessen Anwesenheit seligzupreisen. Eine barmherzige Szene, die mich vergangenen Sonntagmorgen, als übrigens die Bergpredigt nach Matthäus in der Kirche gelesen wurde, zu Tränen rührte.
Wolfgang Ölz

Autor:

KirchenBlatt Redaktion aus Vorarlberg | KirchenBlatt

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