Radiogottesdienste aus OÖ
„Eine Atmosphäre, die man hören kann“

Foto: nie/kiz. privat
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Rund 400 Radiosendungen in 40 Jahren: Seit 1981 hat Johann Großruck die Live-Übertragungen der Gottesdienste aus Oberösterreich geleitet.

Die Gottesdienste sind in ganz Österreich auf den Regionalradios des ORF zu hören. Am Stephanitag beschließt er mit der Sendung aus dem Stift Schlägl (Radio Oberösterreich, 10 Uhr) seine Tätigkeit. Mit der KirchenZeitung hat er seinen Erfahrungsschatz geteilt.

Bei seiner letzten Sendung aus Schlägl schließt sich ein Kreis: Im Oberen Mühlviertel kam Johann Großruck einst mit dem ORF in Kontakt: In den 1970er Jahren war er Prämonstratenser-Chorherr des Stiftes Schlägl und in der Pfarrseelsorge.

Der junge Kaplan engagierte sich als Sänger im Aigner Dreigesang, bei der Aigner Stubenmusi und in der Volkstanzgruppe. So kam er in Kontakt mit Arnold Blöchl, dem damals für Volkskultur und Religion zuständigen oberösterreichischen ORF-Spartenreferenten.

1981, als Großruck den Orden verlassen und eine Familie gegründet hatte, bot ihm Blöchl die Mitarbeit beim ORF an, darunter auch die Übertragung der Radiogottesdienste.

Sendung aus Syrien

In 40 Jahren hat Großruck vieles erlebt. Da war zum Beispiel seine Idee, am Staatsfeiertag einen Soldatengottesdienst vom österreichischen UNO-Camp auf der syrischen Seite des Golan zu übertragen. Er war dort selbst 1977/78 Militärseelsorger gewesen.

„Die Übertragung war ein ziemliches Risiko. Ich war ohne Tonmeister unterwegs und habe vor Ort auch diesen Part übernommen. Per Heimatfunk – also mit allen Funkgeräuschen im Hintergrund – haben wir nach Salzburg gesendet. Dort wurde das Signal in die Standleitung eingespeist und über Linz nach Wien übertragen. Von Wien wurde es in die Bundesländer verteilt. Ich musste während der Sendung befürchten, dass das Dieselaggregat zusammenbricht und der Strom ausfällt. Gerade nach den letzten Reportage-Sätzen ganz am Ende der Übertragung ist das auch tatsächlich passiert“, berichtet er.

Technik

Nie ist eine Sendung gescheitert, auch wenn sich die Technik in 40 Jahren stark verändert hat: „Früher war bei jeder Übertragung ein Postbeamter dabei, der vor und nach der Sendung die Standleitung angeschlossen und wieder aufgelöst hat. Als Sicherheitsnetz hatten wir im Übertragungswagen stets eine Antenne dabei.

Einmal war eine halbe Stunde vor dem Gottesdienst in Hagenberg die Telefonleitung plötzlich tot. Aber dem Team ist es gelungen, noch rechtzeitig die Antennenverbindung einzurichten. Das war eine ziemliche Hektik.“ Auf dem Weg nach Windhaag blieb ein anderes Mal gleich der Übertragungswagen durch eine Panne „liegen“.

Großruck spricht mit Hochachtung über die Tonmeister, die mit ihm gearbeitet haben:„Sie sind immer mit viel Gespür an die Sache herangegangen. Wir haben die Kirchen immer vorher besucht und uns Gedanken zur Akustik gemacht.“

Eine Besonderheit war der Papstgottesdienst 1988 in Enns-Lorch: „Unser Radio-Ton wurde auch für die Fernsehübertragungen verwendet. Ein Insider hatte uns geraten, nicht direkt nach dem Gottesdienst aus der Übertragung auszusteigen, weil Papst Johannes Paul II. gerne nach einer solchen Messe ein paar spontane Worte sage – so ist es dann auch gewesen.“

Berührendes

Geradezu eine „Familienübertragung“ war ein Gottesdienst in Grieskirchen, wo Großruck im Schatten des Kirchturms aufgewachsen war: Neben ihm als Übertragungsleiter waren auch seine Mutter als Lektorin, seine Schwester Sophie als Solistin und sein Schwager Josef mit den Fürbitten im Einsatz. Im Stift Wilhering, wo er selbst einmal Schüler gewesen war, entdeckte Großruck unter den Chorsängern den Stardirigenten Franz Welser-Möst, der zu Ehren seines ehemaligen Lehrers Balduin Sulzer, einem Zisterzienser aus Wilhering, mitsang.

Sehr berührt hat Großruck eine festliche Gottesdienstübertragung aus dem Stift Schlägl: Die „Missa festiva Plagensis“ von Rupert G. Frieberger sollte aus Anlass seines 40jährigen Kapellmeisterjubiläums gespielt werden. Der Chorherr, Stiftsmusiker und Komponist Frieberger war schon schwer krank. Bei der Übertragung musste ein Mitbruder, Ewald Nathanael Donhoffer, als Dirigent einspringen. „Rupert Frieberger hat die Sendung in seinem Sterbezimmer gehört. Nach dem Gottesdienst hat er mich zu sich gerufen und sich mit schwacher Stimme bedankt. Kurz darauf ist er im Kreise seiner Mitbrüder verstorben – nachdem er seine große Messe noch hören konnte“, berichtet Übertragungsleiter Großruck.

Die Gottesdienstübertragungen sind für ihn auch Ausdruck gelebter Ökumene, wobei er es schade findet, dass die Übertragungen evangelischer Gottesdienste zuletzt weniger geworden sind.

Einer der von ihm zur Ausstrahlung gebrachten evangelischen Gottesdienste wurde aus der Justizanstalt Garsten gesendet. „Wir haben direkt im Gefängnis mit den Insassen sehr gut zusammengearbeitet. Die Häftlinge haben offenbar einen Ehrenkodex gehabt: Befürchtungen, jemand würde die Live-Übertragung verwenden, um irgendwelche Botschaften über den Äther aus dem Gefängnis zu verbreiten, waren völlig unberechtigt.“

Echtheit

Auch bei seiner letzten Übertragung am heurigen Stephanitag arbeitet der Theologe und Historiker Großruck, der hauptberuflich Bezirksrettungskommandant in Vöcklabruck war, an dem, was ihm besonders wichtig ist: „Wir wollen kein Radio-Event, sondern die Übertragung eines authentischen Gottesdienstes aus einer lebendigen Gemeinde. Es sollte nicht der falsche Eindruck entstehen, hier werde ein Gottesdienst für das Radio ‚produziert‘“, sagt er.

Dazu gehöre eine gute Vorbereitung aller Beteiligten, aber es brauche mehr: „Vor der Übertragung lade ich die Gottesdienstteilnehmer/innen immer ein, sie mögen sich nicht als passive ‚Besucherinnen und Besucher‘ des Gottesdienstes sehen, sondern ihn aktiv mitgestalten. So entsteht die Atmosphäre, die man im Radio hören kann. Wenn uns das gelingt, dann atmen wir im Übertragungswagen nach dem Gottesdienst auf.“
Die Corona-Situation und die Lockdown-Zeiten haben den Wert der Gottesdienstübertragungen nochmals betont, stellten Johann Großruck und sein Team aber auch vor besondere Herausforderungen: „Wenn, wie im ersten Lockdown 2020, wirklich nur fünf Menschen in der Kirche sind, muss man Atmosphäre anders, zum Beispiel durch Musik, erlebbar machen. Die FFP2-Masken dämpfen natürlich die Live-Atmosphäre – auch wenn bei den leiseren Geräuschen trotzdem etwas spürbar ist.“

Erfüllung

Seit 2011 ist Johann Großruck als Angestellter des Roten Kreuzes schon in Pension. Jetzt schließt er auch seine Tätigkeit als Übertragungsleiter der Radiogottesdienste ab. Warum ist er so lange dabeigeblieben? „Diese Arbeit war für mich eine seelsorgliche Erfüllung, nachdem ich meinen ursprünglichen pastoralen Dienst als Priester nicht mehr ausüben durfte. Es war eine so schöne, aufbauende Aufgabe, gerade in der Zusammenarbeit mit der Diözese, den Pfarren, den Stiften, dem Team bei den Übertragungen. Es würde mir auch weiterhin Freude machen. Aber ich habe mir gedacht, im 77. Lebensjahr sollen das andere übernehmen.“ «

Zur Person
Autor und Historiker

Johann Großruck hat neben seinen Tätigkeiten für den ORF und als Angestellter des Roten Kreuzes auch historische Studien betrieben und Bücher veröffentlicht. Sein Werk zu NS-Vermögensentzug und Restitution der oberösterreichischen Stifte war Bestandteil der österreichischen Historikerkommission. Großruck hat über seine Heimatstadt Grieskirchen ebenso publiziert wie ein Buch über Pater Edmund Pontiller, einen Osttiroler Glaubenszeugen während des NS-Regimes, geschrieben.

Neues Buch. Zum Abschluss seiner Tätigkeit als Übertragungsleiter der Radiogottesdienste hat Großruck 100 Predigtimpulse von 40 Predigern während der von ihm geleiteten Übertragungen in einem Band unter dem Titel „Impulse für das Leben. Motive aus dem Leben“ vereint (Verlag Quadrans, 237 Seiten, www.quadrans.at).

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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