Lebenserfahrung
„Und auf einmal bist du hundert“

Foto: kiz/lila

Die KirchenZeitung sprach mit der 100-Jährigen Hermine Koll. Der Glaube an Gott gibt ihr Halt. 

Auf der Welt gibt es immer mehr 100-Jährige. Besonders hoch ist ihre Zahl in den sogenannten „Blauen Zonen“, die es in Japan, Italien oder auch Costa Rica gibt. Aber auch in Österreich kann man sich auf die Suche nach dem Geheimnis der 100-Jährigen machen.

Weltweit steigt die Zahl der 100-Jährigen immer mehr, besonders viele leben in den sogenannten „blauen Zonen“. Dazu gehören die japanische Insel Okinawa, die Provinz Ogliastra auf Sardinien, die Halbinsel Nicoy in Costa Rica, die griechische Insel Ikaria und  die Stadt Loma Linda in Kalifornien.

Wissenschafter/innen begeben sich jeweils dorthin, um herauszufinden, was der Grund für das lange Leben dort ist. Auf Spurensuche kann man jedoch auch hierzulande gehen: Hermine Koll ist 1921 geboren und feierte Anfang Dezember ihren 100. Geburtstag. Sie lebt im Caritas Seniorenwohnhaus St. Anna in Linz. Die Frage, wie man 100 Jahre alt wird, beantwortet sie so: „Einfach leben. Es geht ein Tag nach dem anderen vorbei, und auf einmal bist du 100.“

Harte Zeiten und Schönes

Die einzelnen Wissenschafter/innen wollen es allerdings ein bisschen genauer wissen. Craig Willcox nennt in einem Online-Artikel des Magazins „National Geographic“ drei wesentliche Faktoren für die Langlebigkeit: Ernährung, soziale Bräuche und Genetik. Letztere spiele dabei allerdings die kleinste Rolle.

Der amerikanische Autor und Forscher Dan Buettner, der den Begriff der „blauen Zonen“ erfand, sagt im selben Artikel, jede „Langlebigkeitkultur“ habe unter Zeiten der Not gelitten. Auf Hermine Koll trifft das zu, sie ist in der Zwischenkriegszeit groß geworden: „Das war eine harte Zeit, als ich klein war. Ich bin mit fünf Geschwistern am Pöstlingberg in Linz aufgewachsen. Meine Mutter hat sich mit Nähen etwas dazuverdient, mein Vater hat überall dort gearbeitet, wo man ihn brauchte. Wir hatten mehr Schulden als Essen, lebten wie in den Slums.“

Dennoch gab es auch schöne Momente, erzählt sie: „Wir waren jung und hatten sehr viele Freiheiten. Uns hat der ganze Pöstlingberg gehört, wir konnten überallhin. Verbote hat es eigentlich keine gegeben.“ Die Kinder spielten Fußball oder mit Puppen, bastelten Kleider und Kränze aus Blättern und allem, was die Natur hergab. Sie kichert, als sie an ein besonderes Erlebnis denkt: „Wir haben am Pöstlingberg einen Rundweg, der geht über einen Graben drüber. Unter der Brücke dort haben sich oft Pärchen getroffen und Liebesspiele gemacht. Da haben wir gerne zugeschaut.“ Woran sie auch ab und zu denkt, ist ihre erste Liebe: „Er war ein Wiener Soldat, der am Pöstlingberg stationiert war.

Die Soldaten haben manchmal gemeinsam musiziert, und da ich gerne Musik gehört habe, bin ich zu ihnen gegangen. Und dort war er auch.“ Sie kannten sich nicht ganz ein Jahr, als er wieder an die Front musste und schließlich in Frankreich fiel.

Lebensstil und Gemeinschaft

Was die meisten 100-Jährigen der „blauen Zonen“ gemeinsam haben, ist ihre gute Gesundheit. Sie leiden auffallend wenig an Herz-/Kreislauferkrankungen oder Diabetes. Sie ernähren sich überwiegend von regional verfügbaren und pflanzlichen Lebensmitteln und bewegen sich viel an der frischen Luft. Auch das trifft auf Hermine Koll zu: „Ich bin gerne zu Fuß gegangen, laufen, spazieren. Den Kreuzweg auf den Pöstlingberg zu gehen, das war immer mein Sport.“

Ärzte habe sie wenig gebraucht, fast keine Medikamente genommen, außer es ging nicht anders. Das war etwa der Fall, als sie einen Oberschenkelhalsbruch erlitt, dessen Heilung jedoch „super verlaufen“ war.

Einen aktiven Lebensstil verschafften der ehemaligen Telefonistin sicherlich auch ihre fünf Kinder. Drei Töchter leben heute noch, die zwei Söhne sind bereits verstorben. Einer im Alter von zehn, der andere mit 50 Jahren. „Ein Kind zu verlieren ist das Schlimmste“, sagt Hermine Koll. Es sei schwer gewesen, aber mit der Zeit sei sie darüber hinweggekommen. Ihre verbliebenen Kinder besuchen sie mindestens einmal in der Woche im Seniorenwohnhaus und rufen sie täglich an.

Das bedeutet ihr viel, denn sie hat sich immer schon eine große Familie gewünscht: „Ich wollte gar nichts anderes. Es ist heute noch lustig mit ihnen. Ich mag sie, und sie mögen mich.“ Damit beschreibt die Seniorin, ohne es zu wissen, einen weiteren wichtigen Punkt für das Erreichen eines hohen Alters: Das Eingebundensein in eine soziale Gemeinschaft. Einsamkeit wirke auf die Lebensdauer genauso schädlich wie Rauchen, meint „National Geographic“-Autor Dan Buettner.

Zuversicht und Humor

Auf „morgenpost.de“ bezeichnet Ingo Froböse, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln, Lebensfreude und Optimismus als wichtige Faktoren für ein langes Leben. Die vielleicht auch nur kurze Vorstellung, eine Krise wäre vorbei und es gehe wieder aufwärts, wirke als Jungbrunnen. „Ich habe immer gerne gelebt“, sagt Hermine Koll. Dennoch: die schwere Zwischenkriegszeit, der Hunger, der Zweite Weltkrieg, der Tod zweier Kinder.

Was gab ihr Halt?  „Ich glaube an Gott. Gott ist mein Halt. Er ist in mir drin, und ich spreche oft mit ihm.“ Neben dem Glauben sind Zuversicht und Humor ihre Gefährten in schwierigen Zeiten: „Bleibt zuversichtlich und bewahrt euch einen guten Humor“, rät die 100-Jährige der heutigen Generation.

„Wenn ich ganz unten war, habe ich mir gesagt, jetzt kann es nur noch bergauf gehen. Und es ist immer wieder bergauf gegangen.“ Insgesamt blickt sie auf ein erfülltes Leben zurück, für das sie nur noch einen Wunsch offen hat: „Dass ich einmal friedlich einschlafe.“

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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