Die Suche nach dem Eigenen

Foto: Slouk

Lizz Görgl fuhr 378 Rennen im alpinen Skiweltcup. Nun macht sie sich als Sängerin einen Namen. Ihre Lieder handeln von der Kunst zu leben und der Treue zu sich selbst.

Lizz Görgl, Sie sind eine vielseitige Frau: Skirennläuferin, Sängerin, Dancing-Stars-Gewinnerin – gibt es etwas, das Sie nicht gut können?
Lizz Görgl: Ja, bis vor kurzem hatte ich Albträume, dass ich die Mathe-Matura noch nicht habe. Mathe ist mir schwergefallen.
Sie haben im Leben mehr erreicht als die meisten Gleichaltrigen. Was ist der Sinn des Lebens?
Görgl: Der Sinn des Lebens ist, dem Leben einen Sinn zu geben. Ich bin ein Mensch, der viel nachdenkt. Seit ich klein war, hat mich das beschäftigt: Worum geht es eigentlich? Ich bin auch sehr gläubig. Ich glaube, das sage ich ganz offen, nicht unbedingt an die Institution Kirche, aber ich glaube auf alle Fälle, dass es etwas gibt, was uns alle verbindet. Wir sollten unseren Intellekt kombinieren mit unserem Herzen, dann hätten wir eine ganz schöne Gesellschaft.

Wie geht das?
Görgl: Wir alle haben Potenzial mitbekommen, aus dem wir unsere Kernkompetenz entwickeln können – wenn wir fleißig sind, unseren eigenen Weg verfolgen und uns nicht irritieren lassen von unserem Umfeld. Oder uns, so gut es geht, mit Menschen umgeben, die wohlwollend sind und uns fördern. Da hatte ich immer großes Glück. Das hilft natürlich, um Dinge zu entwickeln, eigene Träume zur verwirklichen und in die Umsetzung zu bringen. Jeder von uns hat die ganz klare Aufgabe, das Eigene, das wir mitbekommen haben, zu entwickeln und zu entfalten. Alles, was in mir schlummert, zu entdecken und nach außen zu tragen. Über Dinge zu reden ist das eine, Dinge zu machen das andere. Ich habe allen Widerständen zum Trotz das gemacht, was ich wollte.

Die Corona-Pandemie zeigte uns auch Grenzen der Machbarkeit. Was können wir daraus lernen?
Görgl: Die Frage: Wie viel brauche ich wirklich, um glücklich zu sein? Muss es immer höher, schneller, weiter sein? Es ist ja spannend, dass ich als ehemalige Spitzensportlerin das sage. Die Frage: Bin ich mit weniger zufrieden? Dieses Abtriften in den Konsum und die Befriedigung im Wachstum ist nicht sinnvoll. Die Corona-Zeit hat uns alle mit diesen Fragen konfrontiert. Da habe ich mich schon gefragt: Wie viel brauche ich wirklich? Es ist nicht so viel übrig geblieben auf meiner Liste: Natur, frische Luft, gutes Wasser, liebe Menschen, Sport, etwas Gutes zu essen, Zeit für mich selbst, etwas machen, was mir Freude bereitet.

Was soll sich aufgrund dessen ändern?
Görgl: Der Lebensstil der europäischen Mittelschicht ist komfortabel. Aber ich sehe auch ein großes Problem. Es ist nicht artgerecht, acht Stunden täglich zu sitzen. Ich als Ex-Sportlerin kenne das nicht, ich habe mich immer den ganzen Tag bewegt. Es ist auch nicht artgerecht, wenn man den Berg so schnell wie möglich hinunterfährt, aber es ist zumindest Bewegung. Ich bin ein freiheitsliebender Mensch. Wenn mein Körper mobil ist, flexibel und beweglich, dann bin ich auch in meinem Tun freier. Das ist für mich eine hohe Lebensqualität. Ich will einen breiten Horizont haben. Ich will neugierig sein. Ich will leben und ausleben können, was mir vorschwebt. Als Konditionstrainerin ist es auch mein Thema Menschen zu inspirieren, dass sie das machen, was ihnen Spaß macht, und keine Ausrede dafür suchen. Das wiederum bringt viel Motivation und Lebensqualität für andere Bereiche in ihrem Leben.

Was inspiriert Sie?
Görgl: Ich habe zwei Neffen, drei und vier Jahre alt, die sind so geschickt! Der Dreijährige ist gestern am Mountainbike Trail für Kinder gefahren. Diese Neugier, immer wieder hinzufallen, aufzustehen – so lernen wir gehen! Das ist unsere Natur. Der Kleine denkt nicht nach, soll ich aufstehen, will ich überhaupt aufstehen – der steht einfach auf. So lerne ich gehen, so lerne ich, lebensfähig zu sein und parat zu sein für das, was kommt im Leben. Meine Brüder und Schwägerinnen wissen das. Sie fördern ihre Kinder und wissen, dass sie sie auch frei laufen lassen müssen, hinfallen lassen müssen, damit sie die ganz wichtige Bewegungserfahrung machen, hinzufallen. Da werden ja Bahnen gelegt im Gehirn. Es ist spannend, was da alles passiert und wie stark ich über Bewegung auch mein Gehirn entwickle. Es ist durch Studien belegt, dass Kinder, die sich viel bewegen, gescheiter sind. Ab sechs kommst du in die Schule und dann musst du sitzen. Das ist unnatürlich. Wir können uns entscheiden: Wollen wir es so oder anders?

Was gibt Ihren Schritten Sicherheit?
Görgl: Die Mitte, die Zentrierung, war immer mein Erfolgsrezept. Ich habe vor jedem intensiven Tag meditiert, habe mich in den Tag eingestimmt, habe geschaut, dass ich mit mir in Kontakt trete und dann bewusst und aktiv in den Tag starte. Also zuerst: Zurückziehen, ungestört sein, draußen im Freien bequem hinsetzen, wenn es warm genug ist. Das muss nicht der Lotussitz sein, ich setze mich einfach auf einen Sessel. Gerne habe ich auch in die Sonne geschaut. Mit Augen geschlossen zwar, aber das spürt man ja, wenn man die Sonne anschaut. Einfach zur Ruhe kommen. Einen gewissen Zugang zur eigenen inneren Stimme zu finden. Das habe ich immer praktiziert, es hat mir sehr viel Klarheit und Struktur gegeben, Gelassenheit und viel Dankbarkeit, ein inneres Lächeln.

In einem halben Jahr feiern Sie Ihren 40. Geburtstag. Was wünschen Sie sich zum Geburtstag?
Görgl: Ich bin sehr dankbar, wie es bisher gelaufen ist. Ich habe mir alle Träume erfüllt und bin gerade dabei, neue Träume zu entwickeln, zu schauen, was da noch ist. Ich bin es gewohnt, sehr hart zu mir selbst zu sein. Das ist eine Stärke von mir. Ich bin sehr ehrlich zu mir selber. Das ist nicht immer angenehm für mich, aber auch nicht für mein Umfeld, weil ich auch von meinem Umfeld viel verlange und einfordere. Da lerne ich gerade, ein bisschen lockerer zu werden. Das ist vielleicht, was ich mir wünschen kann für die nächsten vierzig Jahre: Dass ich ein bisschen lockerer mit mir selber bin.

Von welcher Gesellschaft träumen Sie?
Görgl: Ein friedliches Miteinander geht nur, wenn ich den einzelnen, den individuellen Menschen einen Platz gebe und eine Förderung. Dann werden sie glücklich und zufrieden sein und auch ihren Beitrag der Gesellschaft gegenüber leisten. Nicht als Grundbedingung, sondern von sich aus. Die Menschen wollen ja etwas beitragen. Aber das geht nur, wenn ich bei mir angekommen bin und mich selber leben kann. Je weniger Zwang, desto besser. Wir haben die wunderbaren Menschenrechte, die gescheite Leute aufgestellt haben als Empfehlung für die Gesellschaft. Wenn wir uns alle danach richten würden, dann hätten wir eh eine gute Zeit. Bildung ist ganz entscheidend. Dass wir unser Hirnkastl fördern und fordern, nachdenken, querdenken, hinterfragen, reflektieren, weiterlernen.

Bei Dancing Stars letztes Jahr waren Sie Publikumsliebling. Was ist das Geheimnis Ihrer Ausstrahlung?
Görgl: Es geht darum, echt zu sein, keine Show abzuziehen. Das Eigene nach außen bringen, das ist ein spannendes Thema. Oft hat man ein Gefühl zu etwas und glaubt, das ist man selber, dabei hat das gar nichts mit dem eigenen Ursprung zu tun, ist nur eine Prägung, die man mitbekommen hat. Ich habe vor jedem Live-Auftritt meditiert, habe mich zentriert und habe geschaut, dass ich aus mir heraus meine Sachen mache. Das ist mir oft gut gelungen, dass ich wirklich ich selber war. Und ich glaube, darum geht es. Das spürt man auch. Die Suche nach dem Eigenen hört nie auf.

Sommerfrisch mit Lizz Görgl

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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