Autorin Lena Raubaum im Interview
Jenseits von richtig und falsch

Mit Wort und Witz geht die mehrfach ausgezeichnete Autorin Lena Raubaum durchs Leben. | Foto: Monika Fischer
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Sprachverliebt, feinfühlig und mit einer großen Portion Humor schreibt die Wiener Autorin Lena Raubaum ihre Geschichten und Gedichte.Kohelet kleidet sie in neue Worte, schildert augenzwinkernd Noahs Nöte beim Bau der Arche und schickt eine Knotenlöserin in die Wirren unseres Lebens.

All jenen, die Gedichte scheuen, sagt sie: Fürchtet euch nicht!

Ohren auf, wir senden schon – Radio Klassik Stephansdom“, dichtet Lena Raubaum beim Interview mit dem Sender der Erzdiözese Wien und dem SONNTAG. Sie lacht herzlich über ihren „unsauberen“ Reim und legt noch einen blitzblanken nach: „Jetzt aus Wien und nicht aus Rom: radio klassik Stephansdom.“

Wo Lena Raubaum ist, da wird gelacht. Ihre Heiterkeit kommt aus einer unbändigen Freude am Leben und taucht gleichzeitig in die Tiefen unseres Seins. Für ihre tiefgründigen Reime wurde sie 2016 mit dem DIXI Kinderliteraturpreis in der Kategorie „Kinder-Lyrik“ ausgezeichnet, ihr Buch „Qualle im Krankenhaus“ wurde voriges Jahr in die Kollektion des Österreichischen Kinder- und Jugendliteraturpreises aufgenommen und hat den Preis der Jugendjury gewonnen.

Ihre Liebe zur Sprache wird in jeder ihrer Zeilen spürbar. Wie hier, in ihrer Neuschreibung des alttestamentarischen Buches Kohelet: „Es gibt eine Zeit für Morgenklänge und eine für Sternenträume. Es gibt eine Zeit für Statuenstille und eine für purzelnde Bäume.“

  • Sie bezeichnen sich als „sprachverliebt“. Waren Sie das schon immer oder hat sich Ihre Sprachverliebtheit entwickelt?

Lena Raubaum: Beides. Es waren sicher schon Wurzeln da, aber diese Wurzeln wurden auch sehr gut gepflegt, von meiner Familie, von Lehrerinnen und Lehrern, von der Sprache selbst. Auch ich habe diese Liebe und diese Begeisterung sehr gepflegt, weil Sprache so viel kann. Es ist schön, dass diese Liebe immer weitergeht.

  • Sehr geprägt hat sie der deutsche Komiker Otto Waalkes. Inwiefern hat er Sie beeinflusst?

Was ich an Otto Waalkes so wahnsinnig mag, ist, dass er ein Multitalent ist, er ist Komiker, ein grandioser Musiker und Maler. Er hat eine unfassbare Energie und ist so einzigartig. Es fällt mir niemand ein, der wie Otto war oder ist. Ihn als Synchronsprecher im Disneyfilm „Mulan“ oder in „Ice Age“ zu erleben, ist großartig. Das bewundere ich sehr. Er ist auch ein guter Wiederverwertungskünstler, er nimmt Texte, Lieder, Geschichten, die es schon gibt, und zieht ihnen ein neues Gewand an. Von ihm habe ich sehr viel gelernt über Witz, Tempo und Rhythmus, alles Dinge, die sehr wichtig sind für Sprachverliebtheit.

  • Sie selbst haben u. a. Dornröschen „wieder-verwertet“ und daraus „Zornröschen“ gemacht, die biblische Geschichte von Noah hat Sie zum Gedicht „Archetypisch“ inspiriert.

  • In Ihrem Buch „Es gibt eine Zeit“ (Tyrolia) finden Sie neue Worte für den berühmten Text aus Kohelet3. Was berührt Sie an dieser Bibelstelle?

Was mich daran sehr berührt, ist, dass es für mich zwei Auslegungen gibt: Zum einen, dass es einen bestimmten Zeitpunkt gibt, wo etwas jetzt zu tun ist. Es heißt bei Kohelet, es gibt eine Zeit zu säen und eine Zeit zu ernten. Diesen Zeitpunkt gibt es. Wenn die Ernte ansteht, ist es wichtig, es jetzt zu tun.

Eine weitere Auslegung ist, dass es eine Zeitspanne geben kann. Also: Es gibt eine Zeit zu trauern. Das ist ein Zeitraum, der sich ausdehnen kann, der vielleicht nie fertig ist. Es gibt auch eine Zeit, sich zu freuen, und die ist jetzt dran und die gilt es zu nützen.

Es sind diese beiden Auslegungsformen, die mich sehr berühren. Das zu verstehen, ist eine Lebensaufgabe. Aber wenn man sich dem annähert, wann so ein gewisser Zeitpunkt sein kann oder eine gewisse Zeitspanne gelebt werden muss, dann hilft das schon sehr.

  • Für alles gibt es also eine Zeit.
  • Was waren in Ihrem Leben besonders herausfordernde Zeiten?

Eine sehr herausfordernde und prägende Zeit war, als ich mich viel zu plötzlich, viel zu unerwartet von meinem Papa verabschieden musste.

  • Haben Sie in dieser Zeit erlebt, dass Ihnen etwas Halt gibt, Sie etwas trägt?

Ja, Gott sei Dank! Ich glaube auch, genau durch diese herausfordernde Zeit hab’ ich spüren dürfen, dass ich sehr viel Halt finde, bei und durch meine Familie, durch viele Freundinnen und Freunde, durch viele Menschen, die heilsame Worte sagen und auch Sprachlosigkeit aushalten können. Und ich glaube, ich hab’ sicher auch durch meinen Papa Halt finden können, weil er uns – meine Schwestern und mich, meine Familie – auch durch sein Leben vorbereitet hat, das auszuhalten.

Viel Halt habe ich auch gefunden im Darübersprechen. Im Mitteilen von Schmerz merkt man ja, dass man jetzt etwas durchmacht, bei dem man nicht alleine ist, das viele andere auch erleben. Und sicher hab’ ich auch im Schreiben Halt gefunden und in kreativem Ausdruck.

  • Finden Sie auch im Glauben Halt?

Ich persönlich setze mich gerne in den Garten, in dem viele Religionen wachsen und pflücke mir von Religionen, Lebensphilosophien und Lebensweisheiten zusammen, was mir helfen kann. Das mag ich sehr. Ich hatte das ganz große Glück, einen sehr guten Religionslehrer und eine sehr gute Religionslehrerin zu haben, die uns sehr viel offenbart haben, wo und wie man da Halt finden kann.

  • Die meisten Ihrer Texte sind Gedichte, die sich auch an Kinder richten. Viele Menschen scheuen sich vor Lyrik und trauen Kindern noch weniger zu, dass sie etwas damit anfangen können.
  • Wie sehen Sie das?

Allen, die Angst vor Lyrik haben, kann ich nur sagen: Fürchtet euch nicht! (lacht) Letztlich ist Lyrik eine literarische Gattung und kann sehr viel Verschiedenes sein. Auch ich als Lyrikerin stolpere manchmal über lyrische Texte und kann mit ihnen nicht viel anfangen oder bin mir nicht sicher, was diese Texte in mir berühren.

Aber ich glaube, die Lyrik ist sehr g’scheit, weil sie zieht sich gerne anderes Gewand an. Ein Lied wie „Hänschen klein“ hat einen lyrischen Text – und den traut man Kindern schon zu. Da sagt man nicht: „Ich bin echt neugierig, ob das Kind das versteht und was dieses Lied dem Kind mitgeben will“. (lacht)

Ich glaube auch, dass es nicht schlimm ist, wenn Kinder nicht verstehen. Ich glaube nur, dass es schlimm ist, wenn man das schlimm findet.

Ich möchte hier etwas Wichtiges mitgeben, das mir kürzlich ein Lehrer gesagt hat: Lyrik ist kein Rätsel. Es geht bei einem Gedicht nicht darum, das „Richtige“ zu verstehen und herauszufinden, was der oder die sagen wollte, sondern: Was macht es mit mir, wenn ich das lese, was berührt es in mir? Und was berührt es in dir?

Dann wird es toll, weil dann gehen wir an den Ort, wo sich die Kunst ja gerne aufhält, das ist der Ort, der jenseits von richtig und falsch liegt, und dort treffen wir uns und dann reden wir darüber, was wir empfinden. Und dann wird’s super.

Autor:

Monika Fischer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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