Kardinal Schönborn im Radio-Talk
Ich bin jung eingetreten und habe es nicht bereut

Live im Radio: Stefan Hauser im Gespräch mit Kardinal Christoph Schönborn (Pater Christoph). | Foto: Erzdiözese Wien / Stephan Schönlaub
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  • Live im Radio: Stefan Hauser im Gespräch mit Kardinal Christoph Schönborn (Pater Christoph).
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Kardinal Christoph Schönborn ist wohl der bekannteste Ordensmann Österreichs: 1963 trat er in den Dominikanerorden ein. Der Wiener Erzbischof hat in der Sendung „Prominente Ordensleute im Gespräch“ auf radio klassik Stephansdom Einblicke in sein Leben als Ordensmann gegeben.
Eine Nachlese des Radio-Gesprächs im SONNTAG.

Bei allen negativen Folgen, die die aktuelle Corona-Krise zeitigt, sollte man doch auch versuchen, der Krise positive Seiten abzugewinnen und die Lektionen erkennen, die sie lehrt: Darauf hat Kardinal Christoph Schönborn bei einem einstündigen Live-Gespräch auf radio klassik Stephansdom hingewiesen.

Er persönlich konnte etwa die deutlich ruhigere und terminbefreitere Zeit nutzen, um von seiner schweren Krankheit zu genesen; doch auch umgelegt auf andere gesellschaftliche Bereiche könne die Corona-Krise einen Lernort darstellen: „Die Verlangsamung ist ein wichtiger positiver Effekt, weil wir in einer Phase der Überhitzung, der Übertriebenheit waren“, so Schönborn. Dankbarkeit, eine neue Aufmerksamkeit und eine neue Bescheidenheit seien weitere positive Aspekte.

Das Gespräch fand im Begegnungs- und Berufungszentrum „Quo vadis“ in der Wiener Innenstadt statt und wurde von Stefan Hauser geführt. Neben aktuellen Fragen ging es dabei vor allem um die Person und Lebensphasen von Kardinal Schönborn als Dominikanermönch.

  • Was war denn Ihr Beweggrund, in den Orden zu gehen?

Kardinal Schönborn: Ich bin sehr jung eingetreten. Direkt nach der Matura, nach den Sommerferien, also mit 18 Jahren. Ich bin sehr froh, dass ich so jung in den Orden eingetreten bin. Ich habe es absolut nicht bereut. Was hat mich dazu bewogen? Ich wollte schon sehr früh Priester werden. Das habe ich eigentlich in der ersten Klasse Gymnasium entdeckt, oder dieser Wunsch ist aufgewacht. Unsere Schule war untergebracht in dem großen Kloster der Dominikanerinnen in Bludenz-St. Peter. Dort habe ich die Dominikanerinnen kennengelernt. Und dann mit 14 durch einen Dominikanerpater den männlichen Zweig des Ordens.

Schließlich habe ich zum ersten Mal mit 16 Jahren ein Dominikanerkloster besucht, nämlich Pater Paulus in seinem Kloster. Das war das Kloster in Retz, mit dem ich jetzt seit 60 Jahren verbunden bin. Denn es war das erste Kloster, das ich überhaupt von innen gesehen habe. Und es war Liebe auf den ersten Blick. Und es ist bis heute mein Zweitwohnsitz. Auch wenn die Dominikaner jetzt dort nicht mehr sind, sondern eine neue Ordensgemeinschaft. Aber ich bin immer noch sehr anhänglich an dieses Dominikanerkloster in Retz. Kurz vor der Matura ist für mich endgültig der Groschen gefallen, dass ich eintreten möchte.

  • Was haben Ihre Eltern dazu gesagt?

Meine Eltern waren nicht wahnsinnig begeistert. Sie haben gefunden, vor allem meine Mutter, dass ich zu jung bin. Ich habe gefunden, ich habe meine Wahl getroffen. Und so bin ich mit 18 mit meinem Koffer eines Tages vor der Klostertür des Dominikanerklosters in Warburg gestanden, wo das Noviziat war. Und dort hat mein Dominikanerleben begonnen, das jetzt fast schon 60 Jahre dauert.

  • Hat es da nicht auch vielleicht einmal eine Phase des Zweifels gegeben oder war es immer eine ganz klare angestrebte Richtung für Sie?

Zweifel hat es nicht wirklich gegeben, aber Spannungen und Konflikte. Krisen, die man sonst außerhalb des Klosters gemacht hätte, finden dann im Kloster statt. Ich bin eingetreten zu einer Zeit, wo die Kirche noch in ihrer großen Erfolgsstruktur der Fünfzigerjahre war. Für Deutschland und Österreich waren wir 1963 zusammen 18 Novizen.

Das war das letzte Mal, dass ein so großes Noviziat stattgefunden hat. Ab dann ist die Zahl sehr stark zurückgegangen. Mit Abschluss des Konzils 1965 ist auch eine innerkirchliche Krise großen Ausmaßes ausgebrochen. Und die habe ich als ganz Junger – am Ende des Konzils war ich 20 – sehr intensiv erlebt. Es hat mich in eine sehr fundamentale Krise gebracht.

Meine Berufung habe ich eigentlich nie wirklich ganz in Frage gestellt. Aber um nur ein Beispiel zu nennen. Es sind halt dann sehr viele liberale, moderne Theorien gekommen: Beten ist eigentlich überflüssig. Man muss sozial handeln, man muss sich einsetzen für die Veränderung der Gesellschaft. Oder fundamentale Glaubenswahrheiten wurden in Frage gestellt. Mit der Bibel wurden wir konfrontiert in einer sehr kritischen Weise. Und das alles hat zu einem Sturm der Krise geführt, die alle Orden erwischt hat. Und ich lass’ mir nicht sagen, dass die Zeit nach dem Konzil nur eine glorreiche Erfolgszeit war.

Es war ein wunderbarer Aufbruch in vieler Hinsicht. Es war aber auch ein gigantischer Abbruch, und das Aufarbeiten dieser Krise ist die Lebensgeschichte meiner Generation. Die ganzen Traumata dieser Nach-Konzils-Krise habenwir nicht genügend verarbeitet.

  • Was war das für eine Krise nach dem Konzil?

Nun, sie hat sich ganz praktisch darin gezeigt, dass ein Massenexodus stattgefunden hat. Die Zahl der Ordensleute ist dramatisch zurückgegangen. Durch Austritte allein. Was die Priesterzahlen betrifft: Zwischen 1965 und 1980 sind weltweit in der katholischen Kirche 80000 Priester aus dem Amt geschieden. Darüber wird heute wenig geredet. Aber das war eine fundamentale Identitätskrise. Ich kann das ganz nüchtern sagen vom Dominikanerorden in Österreich: 1963 hatten wir vier Klöster in Österreich, Wien und Graz. Und dann die beiden Land-Klöster, Friesach und Retz. Heute ist nur ein Kloster übrig, das Wiener Kloster. Die drei anderen sind verkauft. Es ist nicht gesagt, dass Krisenzeiten immer nur Abbruchzeiten sind. In meiner Amtszeit als Erzbischof in Wien sind vier neue Klöster in der Erzdiözese Wien entstanden.

  • Sie sind selten im Ordenshabit zu sehen, weil Sie Ihre Funktion als Erzbischof von Wien zu leisten haben. Wann sind Sie Ordensmann?

Ich hoffe, dass ich es in gewisser Weise immer bin. Es heißt ja auch, wenn man Bischof wird als Ordensmann, hat man zwar keine Rechte und keine Pflichten mehr in der Ordensgemeinschaft, aber man bleibt trotzdem Mitglied. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich bin Dominikaner und unterschreibe mehr und mehr, je älter ich werde, als Pater Christoph Kardinal Schönborn, weil diese Zugehörigkeit zur Ordensgemeinschaft für mich einfach wichtig ist.

Jetzt als Erzbischof trage ich das Ordensgewand natürlich, wenn ich im Kloster bin, und bei seltenen Gelegenheiten. Ob ich später, wenn ich mal emeritierter Erzbischof bin, dann wieder mehr das Ordensgewand trage werde, weiß ich nicht.

Die Gelübde – Gehorsam, Ehelosigkeit und Armut – versuche ich natürlich, auf die Weise zu leben, wie es meinem jetzigen Stand entspricht. Das heißt, gehorsam bin ich dem Papst. Gehorsam ist eine Grundhaltung, die zu jedem christlichen Leben gehört, nämlich letztlich der Gehorsam Gott gegenüber. Armut heißt vor allem Bescheidenheit, also keinen Luxus treiben und selber eine möglichst anspruchslose Lebensführung und ein starkes Gespür für die Armen zu haben. Das Ideal der Armut ist nach wie vor sehr wichtig im Orden und die Keuschheit und Ehelosigkeit ist natürlich wie für den Diözesanpriester die Grundoption, auf Ehe und Familie zu verzichten.

  • Meinen Sie, sind Orden ein Zukunftsmodell in der Kirche?

Diese spezielle Form des Gemeinschaftslebens mit einem gemeinsamen Ziel, mit gemeinsamen Aufgaben, mit Gütergemeinschaft wird es sicher in Zukunft weiter geben. Wir hatten im 20. Jahrhundert eine Explosion von neuen Gemeinschaften. Großartige Gemeinschaften, auch mit einem erschütternden Faktor, der uns in dieser Form nicht aus der Geschichte bekannt ist, nämlich dass es leider bei einer ganzen Reihe von Gründern von solchen neuen Gemeinschaften auch Missbrauchserfahrungen gibt. Ja, das ist verwirrend. Das ist erschütternd. Was aber nicht heißt, dass das Ordensleben dadurch in Frage gestellt ist.

Das lässt mich an ein Wort von Papst Benedikt erinnern, dass er mir persönlich einmal gesagt hat: „Vielleicht will uns Gott darauf hinweisen: ‚Ich bin es, der es macht – nicht auch ein noch so charismatischer Gründer.‘“ Da sehe ich eine Krise, die zur Besinnung ruft: Worum geht es eigentlich? Es geht um die Nachfolge Jesu. Wenn das nicht in der Mitte steht, dann ist das Ordensleben irgendwo Selbstzweck. Und das darf es nicht sein.

  • Die Fastenzeit hat auch mit Verzicht zu tun. Auf was werden Sie heuer verzichten?

Ich bin sehr vorsichtig mit Fastenvorsätzen, weil sie bei mir meistens nicht wirklich sehr gut gelungen sind. Für mich persönlich ist das beste Fasten das Ertragen der Mühsal des Alltags, auch der körperlichen Mühsal des Älterwerdens.

Also wenn ich einen Vorsatz mir mache für die Fastenzeit, dann, dass ich nicht jammere.

Live im Radio: Stefan Hauser im Gespräch mit Kardinal Christoph Schönborn (Pater Christoph). | Foto: Erzdiözese Wien / Stephan Schönlaub
Kardinal Christoph Schönborn: "Im Zentrum steht immer die Nachfolge Jesu – und nicht der Ordensgründer." | Foto: Erzdiözese Wien / Stephan Schönlaub
Autor:

Markus Albert Langer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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