Interview mit dem Ordensgouverneur des Alten Ordens vom St. Georg
Glaube und Vernunft stehen nicht im Widerspruch

Prinz Gundakar von und zu Liechtenstein, Ordensgouverneur Alter Orden vom St. Georg | Foto: privat
  • Prinz Gundakar von und zu Liechtenstein, Ordensgouverneur Alter Orden vom St. Georg
  • Foto: privat
  • hochgeladen von Der SONNTAG Redaktion

Der Alte Orden vom St. Georg veranstaltete im August 2020 seinen Arbeitskonvent zum Thema „Epigenetik – Gene haben ein Gedächtnis: Faszinierende Einsichten über das Vererben von Ge- und Erlebtem“. Prinz Gundakar von und zu Liechtenstein im Interview über das neue Forschungsgebiet und Aufgaben des Ordens in der Zukunft.

Warum beschäftigt sich ein Ritterorden nicht rückblickend mit der Geschichte und Tradition, sondern ist zukunftsorientiert und hat das Thema „Epigenetik“ auf dem Radar?
Gundakar Liechtenstein: Seit ihrer Gründung im Mittelalter besitzen viele Ritterorden ihre Daseinsberechtigung im Einsatz für christliche Ideale, die ganz allgemein im beständigen Kampf gegen Gleichgültigkeit, Unglaube und in der karitativen Tätigkeit bestanden. Diese Zielsetzung gilt unverändert weiter, wenngleich die Erscheinungsformen und Ausprägungen von Gleichgültigkeit, Hilflosigkeit und Unglauben in der heutigen Zeit aber vielleicht noch viel ausgeprägter, in der Zukunft, in anderer Gestalt real sichtbar werden. Als Christ hat man die Verpflichtung, die gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungen zu beobachten und verantwortlich mitzutragen. Glaube und Vernunft – die Lehre von Jesus Christus und die moderne Wissenschaft – stehen nicht im Widerspruch zueinander, sondern sind eins in unterschiedlicher Ausprägung. Dies gilt es, sichtbar zu machen.

Welche Aufgaben haben die einzelnen Mitglieder des Ordens?

Die Mitglieder des Ordens respektieren die gottgewollte Würde jeglichen Lebens und treten für die Menschenwürde ein, weil sie wissen, dass große gesellschaftliche Änderungen das Ergebnis von kleinen und mutigen Entscheidungen im täglichen Leben sind.

Warum ist der christliche Grundwert der Solidarität entscheidend?

Der christliche Grundwert der Solidarität zeichnet sich nicht in einem Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher Rührung aus, sondern ist gekennzeichnet von der festen und beständigen Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das christliche Solidaritätsdenken wesentlich von ähnlich klingenden weltlichen Vorstellungen. Es ist kein Maßnahmenbündel von Zweckmäßigkeiten und Programmen, sondern eine Tugend, die sich auf die Vervollkommnung des Individuums bezieht.

Wie ist der Ratschlag Ihrer Großtante zu verstehen: „Tugenden einüben, bis sie in Fleisch und Blut übergehen.“
Die Tante war wahrscheinlich überzeugt vom engen Zusammenspiel oder sogar der Vorherrschaft des Geistes über die Materie (Seele-Geist-Körper). Ob sie auch an eine Vererbung von erworbenen Eigenschaften im Sinne von Jean Baptist Lamarck dachte, weiß ich nicht. Den Lehren von Charles Darwin stand sie kritisch gegenüber.

Was möchte man den nächsten Generationen epigenetisch weitergeben, was man selber vorgelebt hat?
Die Eigenschaften einer christlichen Lebensführung.

Autor:

Markus Albert Langer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ