Multikünstler Arik Brauer verstorben
Ein Brückenbauer zwischen Judentum und Christentum

Arik Brauer und die Bibel: Der Künstler führte 2009 Kardinal Christoph Schönborn und den damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer persönlich durch die Sonderausstellung im Dom Museum Wien. | Foto: Markus A. Langer
  • Arik Brauer und die Bibel: Der Künstler führte 2009 Kardinal Christoph Schönborn und den damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer persönlich durch die Sonderausstellung im Dom Museum Wien.
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Am Sonntagabend, 24. Jänner 2021, starb Arik Brauer im Alter von 92 Jahren im Beisein seiner künstlerisch ebenfalls vielfältig engagierten Familie. Seine letzten Worte waren laut seiner Familie: „Ich war so glücklich mit meiner Frau, mit meiner Familie, mit meiner Kunst und meinem Wienerwald. Aber es gibt eine Zeit, da lebt man, und es gibt zwei Ewigkeiten, da existiert man nicht.“

„Arik Brauer hat die österreichische Kultur nach 1945 entscheidend mitgeprägt“, würdigt die Direktorin des Dom Museum Wien, Johanna Schwanberg, den verstorbenen Wiener Allroundkünstler. Nicht nur als einer der Begründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, sondern auch als Musiker, dialektsprachlicher Dichter und Bühnenbildner sei Brauer als vielfältiger Künstler immer präsent gewesen. Als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens vertrat der Verstorbene nach den Worten der Dommuseumsdirektorin eine „Position der Offenheit und des Dialogs, die dabei immer mit seiner klar demokratischen, antifaschistischen Haltung einherging“. Diese kultur-, religion- und letztlich grenzüberschreitende Haltung „werden wir genauso vermissen wie seine stets positive, versöhnliche Grundhaltung dem Leben gegenüber“.

Das Dom Museum Wien würdigte 2009 in einer Sonderausstellung das religiöse Werk des Malers. Die Schau „Arik Brauer und die Bibel“ umfasste 34 Bilder aus dem Zeitraum ab Anfang der 1960er-Jahre. Besucht wurde die Ausstellung auch von Kardinal Christoph Schönborn und dem damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer, der mit Brauer über Jahrzehnte freundschaftlich verbunden war. Vom Künstler selbst durch die Schau geführt zu werden und dessen Vorstellungen beim Malen erläutert zu bekommen, mache den Besuch zu einem „besonderen Erlebnis“, sagte Fischer damals. Er sei beeindruckt vom „Mut zur Fantasie“, die in den Bildern zum Ausdruck komme, und von der Bibelkenntnis Brauers.

Liebe als Grundlage menschlichen Seins

Die Bibel sei für ihn eine wichtige „künstlerische Inspirationsquelle“, sagte Brauer. Darüber hinaus sehe er das „Buch der Bücher“ selbst als ein „überragendes Kunstwerk“. Die hebräische Sprache darin habe „eine unerhörte Wucht und Patina“. In der Bibel geschilderte Bilder wie jenes von der Teilung des Roten Meeres durch Mose kämen seinem künstlerischen Schaffen sehr entgegen, so Arik Brauer: „Ich bin sicher, dass das Meer sich nicht geteilt hat, aber auf das kommt es nicht an. Die Idee ist überirdisch“. Der Maler brachte auch seine Bewunderung für das „Hohelied der Liebe“ von Salomon zum Ausdruck. Letzteres bedinge „die Liebe in all ihren Erscheinungsformen als Grundlage des menschlichen Seins“.
Kardinal Christoph Schönborn würdigte bei der Eröffnung der Sonderausstellung 2009 die unermüdliche Bereitschaft Brauers, „Brücken zwischen Judentum und Christentum zu schlagen“. Eine Haltung, so Schönborn, die angesichts der Lebensgeschichte des Künstlers „alles eher als selbstverständlich“ sei. Kardinal Schönborn: „Ich danke Ihnen, dass Sie uns trotz der schweren Last der Geschichte soviel Herzlichkeit und Freude in Österreich schenken“.

NS-Zeit in Versteck überlebt

Arik Brauer wurde am 4. Jänner 1929 als Sohn eines jüdischen Handwerkers im Wiener Vorstadtbezirk Ottakring geboren. Die Religion habe in seinem Elternhaus fast keine Rolle gespielt, so der Maler: „Ich bin aber einmal in der Woche in die jüdische Religionsstunde gegangen. Das war eine andere Welt. Dort wurde anders, nämlich hebräisch, gesprochen, und die waren anders angezogen. Sonst war ich ein Gassenbub in Ottakring, wie alle anderen auch“. Der „Anschluss“ 1938 beendete brutal seine sorglose Kindheit. Arik Brauers Vater, ein orthopädischer Schuster, wurde im KZ ermordet. Arik blieb mit seiner Mutter und Schwester in Wien und arbeitet als Tischlerlehrling für den „Ältestenrat“ der Kultusgemeinde. In einem Schrebergarten versteckt, erlebt er das Ende der Nazi-Diktatur.

Nach dem Krieg studierte Brauer an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wo er 1947 gemeinsam mit Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter und Anton Lehmden die „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“ gründete. Ab den 1950er-Jahren reiste Brauer durch die Welt, lebte u.a. in Israel und Paris. Mitte der 1960er-Jahre kehrte er nach Wien zurück, wo er schon bald Erfolge in der Kunstszene feierte.
Parallel zu seiner Arbeit als Maler und Dichter wurde Brauer auch durch seine Dialektlieder wie „Hinter meiner, vorder meiner“ oder „Sie ham a Haus baut“ vielen Österreichern zum Begriff. Später beschäftigte er sich auch mit Architektur. In Wien-Mariahilf gestaltet er einen Gemeindebau, 1995 entwarf er eine neue Außenfassade für die katholische Pfarrkirche „Am Tabor“ in Wien-Leopoldstadt. „Ich habe mit Spannung erleben dürfen, wie Arik Brauer an das Thema herangegangen ist, eine Kirchenfassade mit dem ‚Letzten Abendmahl‘, das ja ein Pessachmahl war, zu gestalten“, so Kardinal Schönborn. Diese Initiative sei bewusst in der Leopoldstadt gesetzt worden, die „durch die Geschichte des Holocaust so belastet ist“.

Einem „Jahrtausendkunstwerk von grandioser Poesie und zeitloser Weisheit“ widmete sich Brauer Brauer noch als 89-Jähriger. Im Buch „Das Alte Testament. Erzählt von Arik Brauer" verfasste er die bekannten Geschichten über das Paradies, die Sintflut, über Mose, König David und die Propheten neu - in der Tradition großer jüdischer Satiriker wie Ephraim Kishon. Inspiriert haben ihn diese sowohl im Alten Testament der Christen als auch in der hebräischen Bibel vorkommenden Erzählungen außerdem zu 60 illustrierenden Bleistiftzeichnungen.

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Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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