Zeit für den Hirtenhund
What would the King say?

Foto: David Kassl

Eine beliebte Frage unter hippen Neuevangelisierern lautet: „What would Jesus do?“
Sie stellen die Frage auf Englisch, um ihre polyglotte Weltgewandtheit (oder auch ihre netflixige Sprachdegeneration) zu demonstrieren. Und um den Zuhörer wissen zu lassen: Jetzt kommt gleich die Answer auf deine Question, man. Als wäre das Evangelium eine Anleitung zum IKEA-Kleiderschrank meines Lebens. Als wäre Jesus nicht der Mann aus Nazaret, der wanderpredigende Zimmermann aus Galiläa, sondern ein kosmischer Mr. Spock, der immer die richtigen Antworten auf meine Fragen weiß. Oha, wem will der Hirtenhund nun eine
auflegen?, werden Sie sich vielleicht fragen. Wird er gar endgültig zum Ketzerköter?

Nein, weder noch. Ich bin nur unlängst über Texte eines früheren Wiener Erzbischofs
gestolpert. Es waren Texte, die bereits eine historische Patina besaßen. Ansprachen an
Gewerkschaften, an die Politik im Allgemeinen, an Banker und die Katholische Aktion.
Vieles erschließt sich heute nicht mehr leicht, ist selbst Geschichte geworden. Auch sprachlich wirken manche Texte sperrig. Andere Dinge sind erschütternd aktuell und man merkt: Mag die Geschichte mit ihren Moden auch noch so rasen, in entscheidenden Fragen sind wir noch immer nicht viel weiter. Etwa bei Fragen des Lebensschutzes, dem Umgang mit dem Tod, der Frage der Wahrheit der Religionen oder der Frage, warum Brote stets auf die
beschmierte Seite fallen.

Zu den meisten dieser Dinge hat Kardinal Franz König (1905–2004) Stellung genommen. Und zwar in einer Art und Weise, die heute noch lesenswert ist – und dank der neuen
Website auch neu erschlossen. Die Kraft Königs lag nicht im Amt begründet, auch nicht in so etwas wie Ausstrahlung oder einem felsenfesten Katechismuswissen. Nein, was ihn zu einem heute noch lesenswerten Zeugen macht, ist seine Art, an die großen Fragen seiner Zeit
heranzugehen. Nämlich nicht im Gestus des Immer-schon-die-Antwort-Wissens, sondern im Gestus der Frage, des Hörens. Nicht umsonst machte ihn Papst Paul VI. zum Leiter des
damals neuen Vatikanischen Sekretariats für die Nichtglaubenden. Und darin, um es pointiert zu sagen, unterscheidet sich König am deutlichsten von den heutigen Missionssöldnern. So, before you ask what Jesus would do, ask what (the) King would say …!

kardinalkoenig.at

Autor:

Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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