Bischof Krautwaschl zum Weltgebetstag um geistliche Berufungen
„Gehen wir hinaus an den Rand“

Bischof Wilhelm Krautwaschl: "Ich sehe in anderen Kirchen in der Welt eine Unkompliziertheit, mit der Berufungen vielerorts benannt und gelebt werden." | Foto: Harry Schiffer
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Am 3. Mai betet unsere Kirche weltweit noch intensiver als sonst um geistliche Berufungen. Der steirische Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl, zuständig in der Bischofskonferenz für Berufungspastoral, über die Freude und Demut der Berufenen. Und in Corona-Zeiten über das neue Interesse am Kontakt mit den zum kirchlichen Dienst Berufenen.

Der Weltgebetstag für geistliche Berufungen wird jährlich am vierten Sonntag in der Osterzeit, dem „Sonntag des Guten Hirten“, gefeiert. Er geht auf eine Initiative von Papst Paul VI. aus dem Jahr 1964 zurück. Heuer steht er unter dem – lange vor der aktuellen Corona-Krise gewählten – Motto „Habt keine Angst!“. In seiner vom Vatikan anlässlich des 57. Weltgebetstags für geistliche Berufungen veröffentlichten Botschaft ruft unser Papst Franziskus alle Gläubigen zu mutigen Lebensentscheidungen auf: „Ich denke an alle, die wichtige Aufgaben in der Zivilgesellschaft übernehmen, ich denke an die Eheleute, die ich nicht umsonst gerne als ,mutig‘ bezeichne, und insbesondere an alle, die das geweihte Leben und das Priestertum ergriffen haben.“ Im SONNTAG-Interview erläutert der steirische Bischof Wilhelm Krautwaschl, in der Bischofskonferenz zuständig für Berufungspastoral, die vielen Dimensionen von Berufung.

Herr Bischof, Sie setzen sich dafür ein, den Begriff der Berufung breit(er) zu denken. Was ist Ihr damit verbundenes Anliegen?
Als Kirche sind wir die Gemeinschaft der (Heraus)Gerufenen [ekklesia], weil eben Gott uns in Seine Nähe gerufen hat. Das zeichnet uns aus – und aus diesem Gerufensein leben wir hoffentlich unser Dasein.

Wie kann es gelingen, für die drei Dimensionen der Berufung – zum Mensch-Sein, zum Christsein und die Berufung zum Dienst – stärker zu sensibilisieren?
Ich denke, das haben wir eben in dieser Zeit erfahren. Das Coronavirus hat uns gezeigt, wie verletzlich wir als Gesellschaft – rund um die Welt – sind. Wie schwer es fällt, Isolation zu leben. Wir sehen deutlich, wie Menschen sich gegenseitig helfen, wie sich gelebte Nächstenliebe zeigt, wie wir zueinanderstehen. Da äußern sich zutiefst christliche und menschliche Tugenden. Und wir erleben auch ein auf-
flammendes Interesse am Kontakt mit unseren zum Dienst Berufenen. Je erkennbarer wir als wichtiger Teil der Gesellschaft sind, desto höher die Sensibilität.

Welche nachhaltigen Früchte hat die Bischofssynode „Die Jugend, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“ für Österreichs Kirche gebracht?
Ein Ergebnis der Synode im Jahr 2018 war der verstärkte Ruf nach einem synodalen Weg der Kirche, auf dem Laien, vor allem die Jugend und Frauen, mehr Mitsprache und Verantwortung möglich ist. Auf diesem Weg sind wir in der Diözese Graz-Seckau schon weit fortgeschritten. Die 50 neuen Seelsorgeräume unserer Diözese werden ab 2021 synodal verantwortet, denn wir gehen gemeinsam voran. Ein anderes Thema war die digitale Welt, die uns gerade jetzt in Krisenzeiten sehr zugute kommt und mit der wir ältere und auch viele junge Menschen erreichen und einzubinden versuchen.

Wie sollte sich die Berufungspastoral weiterentwickeln in den nächsten Jahren? Wer müsste noch stärker in den Blick genommen werden?
Ein interessanter Gedanke ist mir in den letzten Wochen geschenkt worden. Den Jüngern wird nach der Auferstehung mitgeteilt, dass sie ihren Herrn in Galiläa wieder sehen werden – also am Rand, nicht im Zentrum. Gehen wir hinaus – an den Rand: Dort ist er und dort ruft er!

Sie reisen viel. Was von dem, was Sie anderswo erleben und in Gesprächen erfahren, kann für uns in Österreich als mögliche Inspiration hinsichtlich der Förderung von Berufungen dienen?
Derzeit und wohl noch länger bleiben mir Erfahrungen anderer Kirchen in der Welt leider unbekannt. Was ich mir in Erinnerung rufen kann, ist die Unkompliziertheit, mit der Berufungen vielerorts benannt und gelebt werden.

Wo sehen Sie die Existenzberechtigung des Canisiuswerkes und auch seine weitere Zukunft?
Die Priesterberufung und der Priesterberuf haben in einer suchenden Gesellschaft wie der unseren höchsten Wert. Das Canisiuswerk ist seit 1918 eine tragende Säule beim Heranbilden katholischer Priester und gut ausgebildeter Laienmitarbeiter. Die Mission des Canisiuswerkes ist, Menschen für einen der so wichtigen Berufe in der Kirche zu begeistern. Das ist unverzichtbar.

Der deutsche Pastoralsoziologe Christoph Jacobs hat in einem Interview gemeint, dass wir mit unserer Berufung eher beschämt umgehen als mit einem demütigen Stolz. Teilen Sie diese Wahrnehmung?
Schließen sich Demut und Stolz nicht aus? Kann man stolz sein auf etwas, zu dem man berufen wurde, das einem gegeben wurde quasi als Geschenk? Ich denke, von Gott auserwählt zu sein, erfüllt uns mit Freude und gleichzeitig mit Demut. In seinem Sinne tätig zu sein, ist etwas Großartiges und vielleicht sind wir manchmal zu zurückhaltend, das so darzustellen. Stolz können wir sein, wenn wir seine Botschaft so vermitteln, dass wir die Menschen anrühren und zu Gott bringen. Und auch dann eher stolz auf die Menschen, die wir gut begleiten.
Lebensentscheidungen werden später getroffen, Menschen orientieren sich im Laufe ihres Lebens häufiger neu.

Wie sollte eine Berufungspastoral aussehen, die diese Realität ausreichend berücksichtigt?
Ich bin sicher, dass sich der Glaube dieser Kurzlebigkeit entzieht. Der Glaube ist ewig, wenn er einmal da ist. Ich sehe auch die Berufung als etwas Ewiges. Natürlich wissen wir nicht, welchen Plan Gott mit jeder und jedem einzelnen von uns hat, die in seinem Dienst stehen. Manche spüren plötzlich eine andere Berufung, das ist Tatsache. Aber die überwiegende Mehrheit erfüllt ihr Amt mit Freude. Und nun, wo Aufbruchsstimmung für einen gemeinsam zu gehenden Weg spürbar ist, wo die digitale Welt zum Tagesgeschäft gehört, wo es so trotz des westlichen Luxus so viele Probleme gibt, ist unser Aufgabenfeld vielfältig wie kaum zuvor. Wichtig ist eine Ausbildung, die möglichst viele Realitäten abbildet.

Welche Hoffnungen setzen Sie in die Ordensgemeinschaften, die in der österreichischen Kirchenlandschaft so prägend sind?
Unsere Orden sind nicht nur Brennpunkte unseres Glaubens, sondern auch Träger unserer Kultur und wichtige Arbeitgeber. Im Lauf vieler Jahrhunderte haben Orden viel dazu beigetragen, dass sich ganze Regionen gut entwickeln konnten – spirituell und materiell. Sie sind unverzichtbar und wir beten und hoffen, dass sie von vielen jungen Menschen als Orte göttlichen Schaffens gesehen werden und sich so manche/r dort daheim fühlen wird.

Termin des Gottesdienstes in der Erzdiözese Wien
Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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