Die sieben "Todsünden" Einleitung
Sünde - Radix Malefiz

„Sünde kommt von absondern: „„Menschlicher Eigensinn und Egoismus sind zugleich ein Widerspruch gegenüber der sozialen Dimension menschlichen Lebens und damit eine Negation des christlichen Liebesgebots, eine soziale Verweigerung.  | Foto: Marisa 04 auf Pixabay
  • „Sünde kommt von absondern: „„Menschlicher Eigensinn und Egoismus sind zugleich ein Widerspruch gegenüber der sozialen Dimension menschlichen Lebens und damit eine Negation des christlichen Liebesgebots, eine soziale Verweigerung.
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Todsünde oder Wurzelsünde ?

Was meint „Sünde“?
Sünde ist, vereinfacht gesagt, die Weigerung des Menschen, Gottes guten Willen zu bejahen und sich ihm zu öffnen. Sie ist der Missbrauch all dessen, was Gott geschaffen hat. „Menschlicher Eigensinn und Egoismus sind zugleich ein Widerspruch gegenüber der sozialen Dimension menschlichen Lebens und damit eine Negation des christlichen Liebesgebots, eine soziale Verweigerung.

Insofern besitzt Sünde stets auch negative Auswirkung für das menschliche Zusammenleben und für die Gemeinschaft“, heißt es im „Lexikon für Theologie und Kirche“: Sünde ist ein Nein zu Gott, in ihr verfehlt der Mensch u.a. zugleich die Bestimmung der eigenen Person, die Liebe zu den Mitmenschen und die Verantwortung für die Schöpfung.

„Todsünde“:
Eine Todsünde begeht, wer in einer schwerwiegenden Sache wissentlich und willentlich ein Gebot Gottes übertritt. „Drei Merkmale müssen also gleichzeitig gegeben sein“, schreibt der Wiener Moraltheologe Gerhard Marschütz in seinem Buch „theologisch ethisch nachdenken“ (Band 1): „(1) die Übertretung eines Gebotes in einer schwerwiegenden Sache, (2) das klare Wissen um die Schwere des Sachverhalts und (3) die freie Zustimmung.“

Der Katechismus der kath. Kirche sagt: In Todsünde sterben, ohne diese bereut zu haben und ohne die barmherzige Liebe Gottes anzunehmen, bedeutet, durch eigenen freien Entschluss für immer von Gott getrennt zu bleiben. Diesen Zustand der endgültigen Selbstausschließung aus der Gemeinschaft mit Gott und den Seligen nennt man Hölle (Nr. 1033)

„Wurzel- und Hauptsünden“:
Obwohl sie jahrhundertelang umgangssprachlich auch als Todsünden bezeichnet wurden, sind die Wurzelsünden (auch Hauptsünden genannt) auf der Ebene der Tugenden bzw. ihres Gegenteils, der Laster, angesiedelt: Sie bezeichnen tief im Menschen verwurzelte Fehlhaltungen, die als solche jene Wurzel sind, der die Sünden als Tat entspringen. Die Mönchsväter haben diese Wurzel- bzw. Hauptsünden immer wieder katalogisiert. Diese Hauptsünden führen immer auch zu weiteren Sünden.

An die Wurzel des Übels herankommen

Hochmut, Geiz, Trägheit, Wollust, Völlerei, Zorn und Neid heißen umgangssprachlich die „sieben Todsünden“. In Wirklichkeit sind sie sogenannte Wurzelsünden, die zu immer weiteren Sünden führen. Warum das so ist, erklärt der Wiener Moraltheologen Matthias Beck.

Matthias Beck
Univ. Prof. Matthias Beck lehrt Theologische Ethik mit Schwerpunkt Medizinethik an der Uni Wien und ist Priester

Der Hintergrund der Wurzelsünden – Hochmut, Geiz, Habgier, Zorn, Völlerei, Wollust, Neid, Trägheit – liegt ein Stück weit in der Philosophie des Aristoteles. Er hat im vierten vorchristlichen Jahrhundert die Lehre von den Tugenden entwickelt“, sagt der Wiener Moraltheologie Matthias Beck im Gespräch mit dem SONNTAG: „Weil er sich gefragt hat, was der Mensch eigentlich zum Leben braucht, oder wie er glücklich wird und wie er zu einem gelingenden Leben kommt. So hat er vier Tugenden entwickelt: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß.“

Im vierten nachchristlichen Jahrhundert hat dann Evagrius Ponticus, einer der frühesten Mönchs-Schriftsteller, eine Lasterlehre entwickelt, die Acht-Lasterlehre, die im Grunde das Gegenteil dieser Tugenden ist, nämlich die Abweichung von den Tugenden, man könnte dazu Untugenden sagen.“ Beck: „Daraus hat sich dann im Lauf der Tradition das entwickelt, was wir christlich Wurzelsünden nennen.“

Sünde kommt von „absondern“
Wurzelsünden deshalb, weil diese grundlegenden Fehlhaltungen (Tugenden sind innere Haltungen, die Untugenden sind Fehlhaltungen) auf Dauer nicht zum Glück, sondern zum Unglück führen. „Diese Fehlhaltungen hat man zunächst als Laster bezeichnet und dann als Wurzelsünden, weil aus diesen Wurzelsünden alle anderen hervorgehen“, unterstreicht Beck: „Diese Wurzelsünden haben wieder ein und denselben Hintergrund, nämlich eine mangelnde Spiritualität, eine mangelnde Anbindung an Gott.“

Wurzelsünden sind Sünden, „weil sie dem Menschen schaden, weil sie ihn in seiner Lebensentfaltung schaden.“ Beck: „Thomas von Aquin würde sagen: Du kannst Gott nicht beleidigen, es sei denn, du schadest dir selbst oder dem anderen. Das ist der Begriff der Sünde: Ich schade mir selbst oder ich schade dem andern.“

„Sünde kommt von absondern, das ist im Grunde ein personaler Begriff“, betont der Moraltheologe: „Ich sondere mich ab von der Beziehung zu Gott. Und dadurch bleibe ich in meinen Möglichkeiten zurück.“ Doch diese Wurzelsünden greifen tiefer. Sie greifen in die inneren Haltungen des Menschen ein. „Nicht in die Handlungen, sondern in die Haltungen“, sagt Beck: „Weil man weiß, dass aus den Haltungen dann die Handlungen entstehen.“ Deswegen ist der Blick auf die Wurzelsünden so wichtig. „Wir müssen selber immer darauf hinschauen, was eigentlich unsere Grundhaltungen sind. Weil die Übertretungen der Gesetze erst am Ende kommen und nicht am Anfang stehen“, sagt Beck.

Mord ist eine wirkliche Todsünde
Wie sich die Wurzelsünden zu den Zehn Geboten verhalten? „Die Ethik hat verschiedene Zugänge. Der eine ist die aristotelische Philosophie: Wie finde ich mein Glück? Damit verbunden sind Tugendkataloge“, sagt Beck: „Mehr oder weniger parallel dazu finden sich im Judentum die Zehn Gebote.“

Die aristotelische Lehre ist eine Lehre der inneren Haltungen, der Tugenden. Die Zehn Gebote sind Vorschriften für die äußeren Handlungen. Beides läuft hier zusammen. Beck: „Das eine ist die Innerlichkeit aus der aristotelischen Philosophie, die Thomas von Aquin dann übernimmt, woraus dann die Wurzelsünden werden. Wo ich sage, das wäre wichtig, daran zu arbeiten, weil, wie der Begriff schon besagt, ich an die Wurzel des Übels herankomme.“

Beck nennt ein überzeichnetes Beispiel: „Wenn ich sage, ich habe gestohlen, dann schaue ich nur das Äußere an, aber viel wichtiger wäre die Frage, warum ich denn gestohlen habe. Weil ich mit meiner Freundin einen Ausflug machen wollte oder ihr einen Maserati schenken wollte. Ich wollte plötzlich viel Geld haben und bin halt in die Bank eingebrochen. Dann würde ich sagen: Hättest ein bisschen gearbeitet, hättest du dir auch ein anständiges Auto kaufen können. Aber jetzt wolltest du es halt auf die schnelle Tour haben.“ Wichtig wäre es demnach, den Dingen auf den Grund zu gehen. „Und das nennen wir Wurzel“, sagt Beck: „Radikal zu sein im wahrsten Sinn des Wortes. Denn Radix ist die Wurzel. Um zu schauen, woher kommt das? Dann kann ich daran arbeiten, dann wird es besser.“

Eine wirkliche Todsünde ist beispielsweise Mord: „Gerade Mord ist natürlich die Frage des Vorsatzes“, sagt Beck: „So definieren es auch die Juristen. Ich plane das ganz genau. Nehmen wir als Beispiel Selbstmordattentäter, z.B. jene in Sri Lanka.

Das ist deswegen eine Todsünde, nicht nur weil andere da zu Tode kommen, sondern weil das sozusagen die tiefste Verletzung Gottes und des Menschen ist. Ich plane bewusst Menschen zu vernichten, aus welchen Gründen auch immer. Ein Mörder, der plant das ganz genau.“

von Stefan Hauser und Stefan Kronthaler

Serie: Die sieben "Todsünden"

Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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