Fair Trade Corona zum Trotz
Weil es nicht egal is(s)t.

Wenn ich jedes Mal beim Kakao-, Kaffee- oder Schokoladegenuß daran denken kann, dass sich eine Organisation darum kümmert, die Situation zu verbessern, ist das Gefühl besser, dadurch steigt auch die Qualität des Produkts. | Foto: Pixabay
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  • Wenn ich jedes Mal beim Kakao-, Kaffee- oder Schokoladegenuß daran denken kann, dass sich eine Organisation darum kümmert, die Situation zu verbessern, ist das Gefühl besser, dadurch steigt auch die Qualität des Produkts.
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Fair trade ist mehr als nur Kaffee. „Man ist, was man isst“, so ein Sprichwort. Konsumenten in Österreich legen immer mehr Wert auf qualitative Lebensmittel. Der Erfolg des fairen Handels, der eine Win-win-Situation für Kunden und Bauern in Ländern des Südens darstellt, beweist dies.

In der Coronakrise haben viele ihr Talent zum Kochen neu entdeckt. Statt Tiefkühlpizza oder anderen Fertiggerichten landete wieder mehr frisch Gekochtes auf dem Esstisch. Auch auf das Wie und Woher der Lebensmittel wird wieder mehr Acht gelegt. Dabei spielt auch der faire Handel eine wesentliche Rolle. Dieser bietet nicht nur den Konsumenten einwandfreie Produkte, sondern lenkt auch die Aufmerksamkeit auf die Lebensbedingungen der Bauern in Afrika, Asien und Lateinamerika. Fair gehandelter Kaffee, Bananen und Schokolade werden in Österreich am meisten gekauft.

Der überparteiliche und überkonfessionelle gemeinnützige Verein „Fairtrade“ wird von 22 Organisationen aus den Bereichen Entwicklungspolitik, Ökologie, Bildung, Soziales und Religion getragen. Seit 27 Jahren gibt es fairen Handel in Österreich, seit 14 Jahren ist Hartwig Kirner Geschäftsführer von Fairtrade Österreich. Er schildert, dass die Idee des fairen Handels durch katholische Christen zum Multiplikator wurde:

Hartwig Kirner: „Aus katholischen Organisationen heraus wurde die EZA Fairer Handel GmbH 1975 gegründet. Die Katholische Männerbewegung war damals federführend. Die EZA wurde mit der Idee gegründet, den fairen Handel nach Österreich zu bringen, und die Weltläden wurden gegründet.

  • Sie haben persönlich diese Idee weitergetragen?

Als ich vor 30 Jahren mit Freunden den Weltladen in Stockerau gegründet habe, war die erste große Expansionsphase. Es gab die Kampagne „Jute statt Plastik“ und den Solidaritätskaffee. Damals waren es rund 40 Läden, heute sind es an die 100.

  • Wie entstand die globale Idee des fairen Handels?

Der faire Handel ist in den 1960er Jahren gegründet worden. Radikale Studenten begannen, internationale Konzerne dafür zu kritisieren, dass Geschäftsmodelle herauskamen, welche die Traditionen stark beeinträchtigten. In den 1980er Jahren gab es dann eine große Kaffeekrise. Die Kaffeebauern hatten massive Umsatzrückgänge. Sie bekamen für einen Sack Kaffee sechsmal weniger als zuvor. Diese Situation führte dazu, dass engagierte Menschen hier im Norden sagten, da müssen wir helfen. Es ging darum, nicht Spenden zu überweisen, sondern den Bauernfamilien einen vernünftigen Preis zu bezahlen.

  • Der Erfolg fairer Produkte kam hierzulande aber erst mit den Angeboten in den Supermärkten?

Der faire Handel musste raus aus der Nische der Weltläden, hinein in Richtung der Supermärkte, in den Massenmarkt. Es war sicher kein kommerzieller Erfolg, aber der Startschuss für Expansion. Die wichtigsten Produkte sind nun Schokolade und Kakaoprodukte, Bananen und Kaffee sowie Fruchtsäfte und Baumwolle.

  • Es gibt im Supermarkt viele verschiedene Marken Kakao. Warum soll ich mich als Konsument für einen fair gehandelten entscheiden?

Für mich gehört zur Qualität eines Produktes dazu, unter welchen Umständen es produziert worden ist. Ein Produkt wie Kakao brauche ich nicht unbedingt, das gönne ich mir. Ich möchte aber dabei ein gutes Gefühl haben. In Westafrika gibt es noch immer schwierige Arbeitsbedingungen, auch das Thema der Kinderarbeit und zu geringe Preise für die Bauern. Wenn ich jedes Mal beim Kakao- oder Schokoladekonsum daran denken muss, dass Menschen ausgebeutet werden, habe ich kein gutes Gefühl. Wenn ich aber weiß, dass sich eine Organisation darum kümmert, die Situation zu verbessern, ist das Gefühl besser, dadurch steigt auch die Qualität des Produkts.

  • Wie viel mehr kostet ein fair gehandeltes Produkt?

Das ist unterschiedlich: Bananen zum Beispiel sind sehr rohstofflastig. Dadurch ist der Endverbraucherpreis relativ hoch. Bei Schokoladeprodukten, wo die Verarbeitung eine große Rolle spielt, ist der Rohstoffanteil gering. Das heißt, der Mehrpreis ist auch etwas geringer, den Fairtrade verursacht.

Was wir grundsätzlich sagen können ist, dass die Bauernorganisationen für jedes Fairtradeprodukt einen Mindestpreis bekommen, der zumindest die Produktionskosten abdecken soll. Zusätzlich gibt es immer eine vom Marktpreis unabhängige Fairtradeprämie, die zirka zehn Prozent des Einstandspreises bei den Bauern ausmacht.

  • Kleinbauern schließen sich zu Genossenschaften zusammen. Wie können sich diese dann für Fairtrade zertifizieren lassen?

Fairtrade zertifiziert keine einzelnen Bauern, weil die zum Teil mit einem halben Hektar Land im Durchschnitt viel zu klein wären. Wenn eine Genossenschaft sich bei Fairtrade bewirbt, dann müssen bestimmte Kriterien eingehalten werden, die aber nicht extrem schwer zu erreichen sind. Es geht uns ja vor allem darum, dass die Bauern einen besseren Preis bekommen. Das ist sozusagen der Knackpunkt bei Fairtrade. Die Genossenschaft muss sich demokratisch organisieren. Zusätzlich müssen bestimmte ökologische Kriterien im Anbau eingehalten werden.

  • Zum Verkaufspreis erhalten alle Produzentenorganisationen die Fairtradeprämie. Was können sie damit machen?

Die macht zirka zehn Prozent vom Einstandspreis aus, ist pro Produktgruppe festgesetzt und wird dafür verwendet, dass sich das Umfeld der Bauern und ihrer Familien verbessert. Die Investitionsentscheidung trifft die Genossenschaft selber. Es muss gewährleistet sein, dass auch die Region und die Gemeinschaft davon profitiert.

  • Was leistet die Kirche im Zusammenhang mit fairem Handel?

Die Idee ist auch im kirchlichen Umfeld sehr stark verankert. Man muss leider sagen, dass oftmals gerade in kirchlichen Institutionen der Preis eine sehr dominante Rolle spielt. Wir sehen bei zahlreichen Pfarrcafés, dass Fairtradekaffee verwendet wird, das finde ich wirklich großartig. An alle, die das nicht tun, möchte ich appellieren: Bitte denken Sie dran, der Mehrpreis ist wirklich nicht sehr hoch, andererseits profitieren Menschen unmittelbar von dem Produktausschank, den Sie da tätigen und nicht nur über die Spenden, die lukriert werden.

  • Wie wirkt sich der globale Klimawandel für Fairtradebauern aus?

Der Klimawandel stellt eine ganz massive Bedrohung dar. Es gibt Szenarien, die zeigen, dass rund die Hälfte der Anbaufläche für Kaffee in den nächsten Jahrzehnten verschwinden wird, wenn es so weitergeht. Kaffee wächst in sehr hohen Lagen. Das sind generell immer Grenzlagen, wo viel schiefgehen kann, wenn das Wetter plötzlich nicht mehr stimmt. Hier besteht wirklich die Gefahr, dass viele Bauern keine Existenzgrundlage in Zukunft mehr haben.

  • Wirkt sich die Coronakrise auf die Gesundheit der Bauern aus?

Die Anbauländer sind derzeit unterschiedlich von der Ausbreitung des Covid-19-Virus betroffen. In Afrika nehmen die Infektionsraten zu. Das Problem ist, dass die Gesundheitssysteme schon in Normalzeiten nicht besonders gut funktionieren. In einer Pandemie sind sie sofort überfordert. Fairtrade organisiert Trainingsprogramme, in denen Menschen aufgeklärt werden, wie sie sich vor der Infektion mit dem Virus schützen können. Wir versuchen, dass aus den Prämiengeldern auch Schutzmaßnahmen wie Masken und Desinfektionsmittel angekauft werden.

  • Jede Krise ist auch eine Chance. Wie sehen Sie das für fair gehandelte Produkte?

Die Coronakrise hat viele Menschen wieder wachgerüttelt. Wenn jetzt jemand sagt, wir können uns keine Maßnahmen gegen Klimaschutz, gegen globale Armutsbekämpfung leisten, würde ich entgegenhalten, im Gegenteil, wir können es uns nicht leisten, dass wir das nicht machen. Wenn wir sehen, wie hoch die Akzeptanz bestimmter Maßnahmen durch die Bevölkerung waren, um eine wirkliche Krise abzuwenden, dann stimmt mich das hoffnungsvoll in Hinblick auf die Bewältigung der Klimakrise.

Wenn wir wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel erlassen, wird das Opfer erfordern, aber bei weitem nicht so deutliche, wie jetzt in der Coronakrise. Ich hoffe, dass wir die Lehren daraus gezogen haben, dass man gegen eine Krise vorgeht, die die gesamte Menschheit bedroht.

  • Welche Lehren ziehen Sie persönlich?

Wir haben die Menschen gefeiert, die dafür sorgten, dass wir weiter ein gutes Leben führen konnten, auch wenn wir zu Hause im Homeoffice waren. Zu dieser Gruppe gehören aber auch die Bauern im globalen Süden. Deswegen sind für mich die Lehren aus der Krise gerade für Fairtrade, dass das Thema, das wir versuchen voranzubringen, ganz wichtig ist.

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Radiotipp

aus der Sendereihe Perspektiven: Wie Fairer Handel dem Klimawandel und Corona trotzt.

Autor:

Stefan Hauser aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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