Eine Begegnung zum Cäcilienfest
„Ich mach‘ einfach weiter!“

Eifrig bei der Sache sind Sr. Maria Dolores‘ Schülerinnen Laura und Momo (von links). Schon nach wenigen Stunden können sie erste kleine Stücke spielen.  | Foto: Kaltenhauser
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  • Eifrig bei der Sache sind Sr. Maria Dolores‘ Schülerinnen Laura und Momo (von links). Schon nach wenigen Stunden können sie erste kleine Stücke spielen.
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Sr. Maria Dolores Schneider, Tertiarschwester in Götzens, gibt seit Jahrzehnten mit großer Begeisterung Kindern Gitarrenunterricht. Sie blickt auf ein langes Berufs- und Ordensleben zurück. Im Mittelpunkt standen immer die Kinder, die Liebe zur Musik – und das Vertrauen in den guten Hirten.

Strahlend öffnet Sr. Maria Dolores, 80 Jahre alt und seit über 60 Jahren Tertiarschwester, die Tür zum Josefsheim in Götzens. Jung sieht sie aus, ihr Blick ist sanft und voll Interesse. Hat sie das Klosterleben so jung gehalten? „Ich hab‘ ja immer mit Kindern zu tun gehabt, mein ganzes Leben lang“, ist ihre Erklärung. Und noch immer ist Sr. Maria Dolores voll Begeisterung für die Kinder da und gibt ihnen die Freude an der Musik weiter.

Evangelisch aufgewachsen. Wie es dazu kam, ist eine längere Geschichte. Geboren und aufgewachsen ist Sr. Maria Dolores in Hall, ihre Mutter starb, als sie nur drei Jahre alt war. Die Großeltern nahmen sie zu sich und schenkten ihr eine sehr behütete, geborgene Kindheit, Sr. Maria Dolores war glücklich. Was ihr die Großeltern auch fürs Leben mitgaben, war ein festes Fundament im Glauben – die Familie war evangelisch. „Auf dem Schulhof haben sie mir nachgerufen: ‚Du kommst in die Hölle, weil du evangelisch bist!‘ Da hat mir der Opa gesagt, ich soll antworten: ‚Da ist's wenigstens schön warm!‘“, erzählt sie lächelnd. Mit elf Jahren konvertierte sie auf Wunsch des katholischen Vaters in der Absamer Basilika. „Bis heute bin ich kein bisschen traurig, dass ich einmal evangelisch war“, blickt sie zurück. Im Münzerturm in der Kapelle feierten sie evangelischen Gottesdienst, die Heilige Schrift stand im Zentrum. „Diesen Gottesdiensten habe ich damals erst einmal sehr nachgetrauert“, erzählt sie.

Lebensentscheidung. Mit 15 Jahren kommt Sr. Maria Dolores in die Schule der Barmherzigen Schwestern an der Kettenbrücke, wird zur Kindergärtnerin ausgebildet und wächst „so richtig“ in den Glauben hinein. Sie besucht Exerzitien und entschließt sich, Ordensschwester zu werden. 1961 legt sie die erste Profess bei den Tertiarschwestern in Hall ab. Sanft, aber entschlossen erzählt sie von ihrer Lebensentscheidung. „Für die Großeltern war es nicht leicht. Aber meine Oberin hat mich viel heimgeschickt, sie hat ja gewusst, dass sie alt sind“, blickt sie zurück. Als Konvertitin fiel ihr anfangs die Heiligenverehrung schwer. „Auf dem Chor stand eine große Josefsstatue, da hab‘ ich mich immer dran vorbeigeschlichen“, erzählt sie. Einmal träumte sie, wie der Heilige Josef seine Arme zu ihr ausbreitete. „Von da an war‘s wirklich besser!“

Immer ein liebevolles Wort. In den evangelischen Gottesdiensten ihrer Kinheit war ihr das Lied „Weil ich Jesu Schäflein bin“ besonders ans Herz gewachsen. Daher erhielt sie bei der Einkleidung den Beinamen „vom guten Hirten“. Der Name „Maria Dolores“ erinnert an die Absamer Marienerscheinung. Dass der Glaube an den guten Hirten ihr Leben prägt, ist ihrem ganzen Wesen abzulesen, insbesondere ihrem Umgang mit Kindern, denen sie auch gern vom guten Hirten erzählt hat. Als junge Kindergartenpädagogin habe sie sich vorgenommen, kein Kind nach Hause gehen zu lassen, ohne ihm noch ein liebevolles Wort mitzugeben – „auch wenn das Kind an dem Tag schwierig war. Und ich hab‘ viele schwierige und arme Kinder gehabt.“ Ein Vorsatz, der über die Jahrzehnte unzähligen Kindern ein Stück Selbstwertgefühl und Angenommensein geschenkt haben wird.

Von Drähten und Vogerlen. Sr. Maria Dolores wirkte in vielen Kindergärten in Tirol: zunächst in Hopfgarten, wo sie an der Musikschule Gitarre lernte. Ihre Familie war sehr musikalisch, sie hatte als Kind Klavier gelernt. „Bei uns daheim ist immer viel gesungen und musiziert worden.“ Ihre nächste Station war Schwaz, wo sie wieder die Musikschule besuchte. Der schon 80jährige Lehrer verlangte ihr einiges ab, „da bin ich dann wendiger geworden!“. Die Kindergartenkinder liebten das Gitarrenspiel der Schwester, ein Vater bat sie, seiner Tochter doch „ein bissl was zu zeigen“. Die Eltern arbeiteten beide viel, die Tochter war bis abends im Kindergarten. Sr. Maria Dolores gab ihre erste Gitarrenstunde. Sie verglich die Notenlinien mit Drähten und die Noten mit Vogerlen, die darauf sitzen. Die Kleine lernte schnell: „Schwester, das mit den Vogerlen kannst jetzt lassen, das ist das A und das das F!“ Ihre erste Schülerin studierte später Gitarre am Konservatorium und Sr. Maria Dolores hatte einen „Zweitberuf“: Gitarrenlehrerin. Nach einer Station in Bozen ist Sr. Maria Dolores nun seit 1981 in Götzens. Bald gab sie wieder Gitarrenstunden und trommelte mit der Oberin eine ganze Kindergruppe fürs Musizieren bei den Gottesdiensten zusammen. 13 Kinder waren es mit der Zeit. Sie beteten, besprachen Liedtexte, sangen und musizierten – „und danach war immer Halligalli, im Garten oder im Haus

Pension voll Musik. 2009 schließlich ging Sr. Maria Dolores als Kindergartenleiterin in Pension – nicht aber als Gitarrenlehrerin. Bis zu 30 Kinder wöchentlich hat sie unterrichtet, vor Corona waren es noch 14, „dann wollt‘ ich eigentlich aufhören.“ Doch nicht ganz. „Eine Kleine, die immer mitgekommen ist, hat unbedingt Gitarre lernen wollen, ‚aber nur bei der Sr. Maria Dolores‘“, erzählt sie lachend. Es ist die sechsjährige Momo aus Patsch, gemeinsam mit ihrer Freundin Laura. Jede Woche kommt sie zum Unterricht. Die drei sind mit Feuereifer bei der Sache. Sr. Maria Dolores sieht genauso glücklich aus wie die Kinder. Sie stimmt ein Martinslied an, ihre Stimme klingt glockenrein und jugendlich. Die Mädchen haben erst ein paar Stunden hinter sich, aber greifen schon beherzt in die Saiten. „Das gefällt mir so gut, dass die Kinder schon nach kurzer Zeit etwas spielen können und ein Erfolgserlebnis haben“, meint Mama Marlene Graf. Was den Mädchen am besten gefällt? „Der Notenteppich!“, rufen sie wie aus einem Mund. Einer der vielen liebevoll und aufwendig selbst gestalteten Lernmaterialien der Schwester, die auch Montessoripädagogin ist. „So lang die Kleinen es wollen, mach' ich einfach weiter, auch wenn wieder eines daher geschnieben kommt“, lacht Sr. Maria Dolores. „Ich hab so viel Freude gehabt mit den Kindern. Ich weiß, dass ich eh nicht nein sagen kann!“ Die glücklichen Kinderaugen danken es ihr.

Autor:

Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag

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