Altes Brauchtum in Mils
Wenn der Christus durch die Decke geht

Das Milser 
Himmelfahrts-Team 
(v. li.):  Anton Gogl, Peter Zimmermann und Johann Tschugg mit den Figuren, die durch den Kirchenraum ins Gewölbe gezogen werden. | Foto: Zimmermann
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    Himmelfahrts-Team
    (v. li.): Anton Gogl, Peter Zimmermann und Johann Tschugg mit den Figuren, die durch den Kirchenraum ins Gewölbe gezogen werden.
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Zu Christi Himmelfahrt werden in der Pfarrkirche Mils zwei Engel und eine Christusfigur zum Gewölbe hinaufgezogen, wo sie durch das Heilig-Geist-Loch verschwinden. Der einzigartige Brauch wird von einem Team rund um Peter Zimmermann gepflegt, der seit 50 Jahren dafür sorgt, dass Jesus in den Himmel kommt.

Nach dem Evangelium wird es ernst: Der Kirchenchor stimmt vier Strophen von „Großer Gott wir loben dich“ an und hoch oben im Gewölbe greifen drei Männer in die Seile, um zwei Engel und eine Christusfigur durch den Kirchenraum nach oben zu ziehen. Seit wann in Mils dieses „Schauspiel“ von Christi Himmelfahrt zu sehen ist, konnte Peter Zimmermann weder in der Milser Dorfchronik noch in kirchlichen Unterlagen in Erfahrung bringen. „Wir vermuten, dass der Brauch mit dem Neubau der Kirche nach dem Dorfbrand im Jahr 1791 begann“, vermutet Zimmermann. Schließlich könne sich die älteste Milserin Martha Pittl noch daran erinnern, das Spektakel schon als Kind erlebt zu haben.

Eingespieltes Team.

Für die Milser Himmelfahrt ist seit Jahrzehnten ein eingespieltes Team verantwortlich. Peter Zimmermann hat die Tradition von Großvater Alois und Vater Franz übernommen. Als Ministrant durfte er dem Vater beim Kurbeln helfen, 1972 schließlich hat er Peter die Aufgabe komplett übertragen. Seither hat er diesen Termin nie ausgelassen. Auch im Corona-Jahr 2020 konnte die Messfeier und die Prozession durchgeführt werden. Ziehen und drehen. Mindestens 15 Meter sind es vom Boden der Milser Kirche bis zur Decke. „Zuerst heben die Engel ab, dann folgt ihnen Christus nach. Das Aufziehen selbst ist Präzisionsarbeit und erfordert eine gute Abstimmung. Denn beim Aufziehen müssen sich die Figuren langsam drehen, weiß Zimmermann. Da die Christusfigur viel schwerer ist als die Engel, wird sie mit einer Winde hochgekurbelt. Der Kurbler für die Christusfigur muss sich genau an die Anweisungen des Christusbetreuers halten, der für ein gutes Gesamtbild des Aufzugs zuständig ist. „Immer wieder wird im Team untereinander gefragt, welche Strophe ist fertig, wie lange haben wir noch Zeit, passen alle Abstände?“, erzählt Zimmermann vom Geschehen im Gewölbe. Nicht zu schnell, nicht zu langsam dürfen sich die Figuren drehen. Kurz vor dem Eintritt ins Heilig-Geist-Loch drehen sich die Engel noch einmal und verschwinden dann. Und dann schlägt die Stunde des Christusbetreuers: Er entscheidet durch Drehbewegungen des Seiles, in welche Richtung Christus blickt, wenn er das Kirchenschiff verlässt. „Aus der Richtung, in die Christus zuletzt geschaut hat, wird das nächste Unwetter kommen“, so habe man früher gedacht. Und das sollte in Mils auf keinen Fall vom Unterinntal kommen, weshalb der Blick des Christus unbedingt Richtung Westen gehen muss.

Schwindlige Höhe.

Die Mitglieder des Himmelfahrts-Teams müssen einigermaßen schwindelfrei sein. Von der Sakristei aus muss über hölzerne Stiegen vier Stockwerke hochgehen, um in das obere Kirchenschiff zu gelangen. Über dem Heilig-Geist-Loch befindet sich die hölzerne Brüstung mit einer kleinen Seilwinde. Damit wird die Figur des Auferstandenen nach oben gezogen. Wer an der Winde kurbeln darf entscheidet, das Himmelfahrtsteam jedes Jahr kurzfristig. Früher war es der älteste oder der fleißigste Ministrant. Peter Zimmermann freute sich besonders, wenn sein Sohn Alexander aus Wien da ist und ihm beim kurbeln hilft. Seit ein paar Jahren ist der ehemalige Ministrant Florian Pfeifer fix mit dem Kurbeln beauftragt worden.

Falsche Seile, fehlende Helfer.

„Passiert ist in all den Jahren noch nie etwas“, freut sich Zimmermann. Einen Absturz würden die fragilen Figuren auch nicht überleben. Der Erzählung nach sei dieses Missgeschick in der Nachbarpfarre Hall passiert. „Die Haller haben dann die Überreste einfach in einen Salzkübel gegeben und alles zusammen wieder hochgezogen“, so Zimmermann. So soll die weitum bekannte Bezeichnung „Haller Kübel“ entstanden sein. Aber auch in Mils lief nicht immer alles nach Plan. Einmal hat der Mesner das Stahlseil vom Adventkranz an der Christusfigur montiert. „Damit ließ sich die Christusfigur überhaupt nicht drehen und so stieg in diesem Jahr Christus unkontrolliert in den Himmel auf“, erinnert sich Zimmermann. Und 1980, als keine „Engelaufzieher“ kamen, stieg Peter Zimmermann rasch hinunten, um auf dem Dorfplatz nach Helfern zu suchen. Schließlich überredete er Anton Gogl und Johann Tschugg, die gerade von einer Motorradtour zurückgekommen waren, einzuspringen. Dieser Job ist ihnen bis heute geblieben. Und einmal vergaß der Mesner, die Engel von den Stäbchen zu lösen, mit denen sie auf dem Sockel festgemacht waren. „Wir warteten oben verzweifelt darauf, denn von selbst kann man die Engel nicht wegziehen, sonst nimmt man das ganze Podest mit“, erzählt Zimmermann. Erst nach vielen Zurufen durch das Heiliggeistloch erinnerte sich der Meßner dann doch noch an seine Aufgabe.

Messfeier und Prozession.

Vor rund 30 Jahren erfolgte das Christusaufziehen im Zuge einer Andacht mit einer kleinen Prozession am Nachmittag. Dann kam der Wunsch auf, die Tradition in den Gottesdienst am Vormittag einzubauen. Seither zählt sie zu einer der größten Feierlichkeiten im Dorf. Nach der Prozession organsiert jeweils ein Verein einen Umtrunk und man kann noch gemütlich zusammensitzen und den Tag richtig feiern. Dann hoffen die Aufzieher jedes Jahr auf Komplimente – oder sie müssen sich Kritik gefallen lassen, wenn etwa die Engel nicht richtig getanzt haben oder die Christusfigur nicht nach Westen schaute, als sie durch das Heiliggeist Loch verschwand. „Das Peinlichste für uns wäre, wenn die Figuren noch immer durch das Kirchenschiff unterwegs sind, wenn der Chor die vier Strophen des Liedes schon zu Ende gesungen hat.“

Wichtige Helfer.

Peter Zimmermann liebt es, die Welt zu bereisen. Und so hatte er viele Jahre lang auch Kontakt mit den Schwestern der Mutter Theresa in einem Krankenhaus in Port Blair auf den Andamanen westlich von Indien. Bei einem Besuch nach dem Tsunami 2004 wurden er und sein Sohn Alexander zu einem gemeinsamen Abendessen eingeladen. Von den Schwestern nach ihrem schönsten Erlebnis gefragt, sagten sie einhellig: „Ohne uns beide kommt Christus nicht in den Himmel.“

Autor:

Walter Hölbling aus Tirol | TIROLER Sonntag

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