Gelebte Inklusion im Innsbrucker Haus der Begegnung
Ein guter Platz für alle

Iris Holzmann (re.) erledigt ihre Arbeit im Haus der Begegnung mit Begeisterung, seit 16 Jahren.  | Foto: Kaltenhauser
2Bilder
  • Iris Holzmann (re.) erledigt ihre Arbeit im Haus der Begegnung mit Begeisterung, seit 16 Jahren.
  • Foto: Kaltenhauser
  • hochgeladen von Lydia Kaltenhauser

Im Keller des Hauses der Begegnung laufen Waschmaschinen und Trockner auf Hochtouren. Das Reich von Iris Holzmann, die gerade das Bügelbrett aufklappt und die Hände in die Hüften stemmt. „Das ist mein Traumjob!“, strahlt sie. Iris hat seit ihrer Geburt eine kognitive Beeinträchtigung. Seit 16 Jahren arbeitet sie im Haus der Begegnung, das kürzlich für sein Engagement mit dem Preis „Wir sind inklusiv“ ausgezeichnet wurde.

Menschen einzustellen, die körperlich oder psychisch beeinträchtigt sind, hat im Haus der Begegnung eine lange Tradition. „Ich sehe es als Teil unserer Mission als kirchlichem Haus, darauf zu schauen, dass alle ihren Platz finden, Menschen mit allen Begabungen und Talenten“, erklärt Geschäftsführerin Mag. Manuela Schweigkofler. „Es ist möglich, die Arbeit so zu verteilen, dass jeder einen Platz findet. Arbeit ist etwas Existenzielles. Gerade als Kirche müssen wir Chancen gerecht verteilen.“

Vertrauen und Respekt. Wie existenziell Arbeiten ist, hat Iris in einfachen Worten schnell erklärt: „Während der Corona-Zeit hatte ich keine Arbeit. Das war traurig. Jetzt habe ich wieder viel Arbeit. Die Arbeit beruhigt mich. Ich darf dabei auch Musik hören.“ Sie lacht übers ganze Gesicht. „Alle sind nett. Mit der Chefin versteh‘ ich mich auch gut. Aber manchmal ist sie ein bisschen streng.“ Beide schmunzeln. Vertrauen, Respekt und eine lange gemeinsame Geschichte ist in die Gesichter geschrieben.

Gemeinsam entwickeln. Iris ist die erste, die morgens um viertel nach Acht mit dem Wäschewaschen beginnt. Wenn die Kolleginnen dazukommen, läuft schon der Trockner. Iris beginnt mit dem Zusammenlegen und verteilt die Wäsche im Haus. „Menschen mit Beeinträchtigung in den eigenen Betrieb zu integrieren, ist natürlich manchmal mühsam“, stellt Schweigkofler klar. „Aber wir sind alle manchmal mühsam!“ Wieder lachen die beiden. „Im Großen und Ganzen ist es ein riesiger Zugewinn für alle“, so Schweigkofler weiter. Wichtig sei, die eigenen Grenzen zu erkennen und eine offene Gesprächskultur zu pflegen. Auch müssten Arbeitsabläufe von Vornherein transparent aufgestellt und klar definiert sein, was das Team abfedern könne und was nicht. „Ich weiß nicht, ob es anders unbedingt glatter laufen würde“, fügt sie hinzu. Als Geschäftsführerin verlange ihr dieses Engagement natürlich einiges ab, zugleich schöpfe sie aber auch viel Energie aus diesem Auftrag. „Man gestaltet und entwickelt sich gemeinsam. Jeder erfüllt seine Aufgabe.“

Eine von uns. Beide Frauen brennen für ihre Aufgaben und sind glücklich dabei, das ist vom ersten Augenblick an klar. „Das Schöne an einem gut abgestimmten Betrieb ist ja, dass man einander ausgleichend mitträgt“, sagt Schweigkofler. Wenn Iris traurig sei oder belastet, merke man es schon einmal an der Wäsche. „Aber wer von uns hat keine schwachen Tage, an denen es nicht hunderprozentig läuft?“. Iris sei in all den Jahren gerade einmal eine Handvoll Tage krank gewesen. „Sie ist immer da. Sie ist treu und zuverlässig, Tag für Tag.“
Die äußere Stabilität durch die Arbeit hilft Iris auch privat. Sie wohnt allein, macht sogar ihre Finanzen selbst. Seit vielen Jahren ist sie verlobt, und lächelt glücklich, wenn sie auf ihren Freund angesprochen wird. „Jeden Freitag gehen wir essen, er holt mich immer ab“, erzählt Iris. Ihre Chefin nickt, „von ihnen kann man wirklich was lernen.“

Entschlossen auftreten. Betrieben, die diesen Schritt wagen möchten, macht Schweigkofler Mut: „Man ist nicht allein. Es gibt zahlreiche Programme, die sich genau auf dieses Thema spezialisiert haben, dazu eine Fülle an Möglichkeiten und hilfreichen Instrumenten, wie z.B. Probetage und intensive Begleitung in der Anfangszeit.“ Die Antwort auf die Frage, was sie persönlich von dieser Arbeit gelernt habe, kommt schnell: „Runter von der Überheblichkeit! Keiner von uns weiß, wie sich sein Leben noch entwickeln wird. Es geht nicht alles für jeden, aber bleiben wir weit im Denken – und im Herzen. Treten wir entschlossen sozial auf, gerade als Kirche!"

Iris Holzmann (re.) erledigt ihre Arbeit im Haus der Begegnung mit Begeisterung, seit 16 Jahren.  | Foto: Kaltenhauser
Geschäftsführerin Mag. Manuela Schweigkofler unterstützt Iris Holzmann mit Rat und Tat. Umarmungen sind endlich auch wieder erlaubt.  | Foto: Kaltenhauser
Autor:

Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ