Allerheiligen | 01. November 2020
Meditation

Am Mittag werde ich Kürbissuppe für dich kochen und Pfannkuchen backen. Etwas musst du schließlich essen, solange du noch lebst. Solange du nicht unter der Narkose stirbst, was du dir wünschst, aber seit wann richtet sich das Leben nach unseren Wünschen? All die Bitten um einen gnädigen Tod, sie füllen das Weltall, suchen ein Ohr, ein allerbarmendes Ohr, suchen von Anbeginn, strömen in Ewigkeit, nunc et in hora mortis nostrae, jetzt und in der Stunde unseres Todes.
Nur einen der drei hauchdünnen Pfannkuchen nahmst du dir vom Teller, wolltest die beiden anderen auch nicht aufheben für morgen. Mitnehmen solle ich sie wieder und nicht böse sein.
Nicht böse, hilflos und traurig war ich, bin ich, werde ich sein, auch morgen, wenn wir zum Bestattungsunternehmen fahren. Auf Bauernleinen möchtest du gebettet werden in einen schlichten Sarg, gleich dem des polnischen Papstes. Ob es einen solchen wohl gibt? Gibt es. Google hilft weiter. Papstsarg, heißt er sogar. Moderne Truhe, Olivenesche, schlichtes Design, klare Formen in einem warmen Honigton, Vollholzsarg mit 6 hellen Seilgriffen feststehend. Ich hab dir das Bild ausgedruckt. Niemand hat uns darauf vorbereitet, der Freundin einen Sarg auszusuchen. Niemand hat uns gesagt, wie wir uns dabei fühlen werden. Niemand hat uns vor so viel Dunkel gewarnt.
Soll dein Sarg ein Kreuz tragen? Zeichen des Leidens, des Todes und der Auferstehung? Per crucem et resurrectionem ad lucem, durch Kreuz und Auferstehung zum Licht. Sollen wir ein letztes Mal flunkern? Als glaubten wir an ein Leben nach dem Tod, wir, die uns doch in Wahrheit kein Gedanke an ein Wiedersehen tröstet. Es steht das Nichts in der Mandel. Es steht und steht (Paul Celan).
Aber die feuerroten Fliegenpilze! Aber der glitzernde Bergbach! Aber die letzten Rosen! Aber die lohenden Wälder! Aber das Licht! Aber das sonnengesättigte lächelnde Licht!
Zwischen den Gegensätzen aber ist keine dauernde Erlösung möglich. So bleibt nur ein Weg: die ganze Unruhe der äußeren, leiblichen und der inneren, seelischen Widersprüche in ein Flügelpaar zu verwandeln und damit in ewiger Bewegung zu Gott zu fliegen (Hans Urs von Balthasar).
In ewiger Bewegung! Nirgendwohin also. Dies heißt in Wahrheit das Sehen Gottes: niemals im Sehnen Sättigung finden (Plotin).

Aus: Katharina Oost, Abschiedsblätter.
Echter Verlag 2019.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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