Israel - Einfache Fragen. Überraschende Antworten | Teil 03
… von einer jüdischen Mutter geboren

Im Judentum ist die Mutter für die religiöse Zugehörigkeit des Kindes zuständig. | Foto: Hooshmandi
  • Im Judentum ist die Mutter für die religiöse Zugehörigkeit des Kindes zuständig.
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Antisemiten glauben, Juden an ihren Nasen zu erkennen. Andere meinen, sie riechen zu können. Viele scheinen zu wissen, wer ein Jude ist, nur die Juden selbst und auch der Staat Israel können die Frage nicht ausreichend beantworten. Dabei ist diese Frage nicht nur von theoretischem Wert, sondern hat eine ganz praktische politische Bedeutung. Da es keine klare Definition gibt, hat Israel – neben England – als einzige moderne Demokratie des Westens keine gültige Verfassung. Somit sind auch die Grenzen Israels nicht klar definiert, was wiederum Probleme mit den Palästinensern nach sich zieht.

Lange Zeit lautete die Definition: Jude ist, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde. Der Vater war in dieser Frage ohne Bedeutung. Der Hintergrund: Oft wurden Frauen nach einer Vergewaltigung schwanger und geächtet. Der Ausschluss aus der Gemeinschaft kam in Ländern, in denen die Familie das soziale Netz bildete, häufig einem Todesurteil gleich. Diese Definition stärkte jedoch die gesellschaftliche Position der Frau in der jüdischen Gesellschaft und bot ihr soziale Sicherheit. Ob ein Jude religiös war oder nicht, war für die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk ohne Belang. Wichtig war einzig die Abstammung – und nicht die Glaubenseinstellung.

Es war ausgerechnet der 1922 in Polen geborene Jude Oswald Rufeisen, der den jungen Staat Israel mit seiner Einwanderung 1959 in Verlegenheit brachte. Rufeisen war nämlich vom Judentum zum Christentum konvertiert und Karmelitermönch geworden. Dies veranlasste die Beamten der Einwanderungsbehörde, ihn nicht mehr als Juden anzuerkennen. Sie verweigerten ihm die Einreise und das Recht auf Rückkehr. Rufeisen argumentierte, dass er als Jude geboren worden sei, und beharrte auf seinem Recht. Zudem hatte er den moralischen Bonus auf seiner Seite, denn er hatte 1942 mehr als 300 Juden in Weißrussland das Leben gerettet. Später war er der Mitbegründer der römisch-katholischen, hebräisch sprechenden Kirche Israels. Der Mönch klagte den Staat, verlor den Prozess, wurde aber nach dem Gesetz der Naturalisation dennoch Israeli. Der Fall brachte es mit sich, dass die ursprüngliche Definition „von einer jüdischen Mutter geboren“ um den Zusatz „und keiner anderen Religion angehörend“ erweitert wurde.

Große Probleme brachte der Zerfall der UdSSR mit sich. In den 1990er Jahren wanderten etwa 1,4 Millionen Menschen in Israel ein. 300.000 dieser Immigranten hatten zwar jüdische Väter oder Großväter, aber keine jüdischen Mütter. Nachdem sie aber auch als „Halb-Juden“ von den Nazis verfolgt worden wären, nahm sie Israel auch als Staatsbürger auf. Diese Immigranten waren also keine Juden, sehr wohl aber Israelis. Das erschwerte ihr Leben in der neuen Heimat beträchtlich, denn etwa eine Ehe einzugehen war ihnen in Israel nicht möglich, da es dort nur eine Trauung vor einem Rabbiner und nicht vor einem säkularen Staatsbeamten gibt. Der Ausweg: Entweder heiratete man im Ausland, oder man konvertierte als Israeli auch noch zum Judentum.

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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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