800 Jahre Diözese Graz-Seckau | Teil 07
Schikanen und Unterdrückung

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Der steirische Diözesanbischof dieser einschneidenden Epoche war der gebürtige Wiener Ferdinand Stanislaus Pawlikowski (1927–1953). In den Märztagen des „Anschlusses“ wurden 63 steirische Priester verhaftet, darunter auch der Bischof. Dieser war übrigens der einzige Oberhirte im deutschen Sprachraum, der von den Nationalsozialisten am 13. März 1938 für 24 Stunden inhaftiert wurde. Nur wenige Tage danach unterzeichnete auch er die fatale „Feierliche Erklärung“ des österreichischen Episkopats vom 18. März 1938 in Wien, bei der „Volksabstimmung“ am 10. April mit Ja für den bereits vollzogenen „Anschluss“ zu stimmen.

Die Verlesung dieses Textes am Sonntag, dem 27. März 1938, in den Kirchen Österreichs fand bei Klerus und Volk ein geteiltes Echo: Ein Teil der Bevölkerung fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen, der andere sah sich in seiner Haltung bestätigt. Dem bisherigen Forschungsstand zufolge konnten rund fünf Prozent Kleriker namentlich eruiert werden, die sich in der Presse „Anschluss“-begeistert artikuliert und/oder in der sogenannten Arbeitsgemeinschaft für den religiösen Frieden mit dem Nationalsozialismus sympathisiert hatten. Darunter zu finden sind hohe Würdenträger, so der aus Graz stammende Titularbischof Alois Hudal (1885–1963), Ordinariatskanzler Josef Steiner (1884–1952), Äbte und Theologieprofessoren, aber auch Pfarrer und Kapläne. Der aus Allerheiligen im Mürztal kommende Priester Simon Pirchegger (1889–1946) verfasste schon 1933 eine in einem NSDAP-Verlag erschienene Broschüre mit dem Titel „Hitler und die katholische Kirche“. Er ließ sich sogar auf dem Umschlag mit römischem Kollar und Parteiabzeichen abbilden.

Für den Theologieprofessor Johannes Ude (1874–1965) war die Pogromnacht im November 1938 das Damaskuserlebnis schlechthin, das seine Abkehr vom Nationalsozialismus bewirkte. Er protestierte mit einem Brief an Reichsstatthalter Seyß-Inquart und Gauleiter Uiberreither. Ude verurteilte scharf „die banditenartigen, im gesamten Deutschen Reich, wie es scheint, wohl organisierten, in einer einzigen Nacht verübten Überfälle auf die jüdischen Synagogen, auf die jüdischen Zeremonienhallen und auf die jüdischen Geschäfte, die man in Brand gesteckt, zertrümmert und verunehrt hat“.

Schon in den Märztagen des Jahres 1938 begannen die Schikanen und Unterdrückungsmaßnahmen der Nationalsozialisten gegen das seelsorgliche und kirchliche Leben. Das österreichische Konkordat 1933/34 wurde außer Kraft gesetzt. Kirchliche Gebäude und Kapellen wurden konfisziert, profaniert, teilweise als Museen oder Magazine zweckentfremdet. Zahlreiche Klöster wurden aufgehoben, deren Einrichtungen, wie Krankenhäuser und Heime, beschlagnahmt, kommissarische Verwalter bzw. Treuhänder bestellt, die Ordensangehörigen vertrieben. Die Benediktinerin Mirjam Prager (1906–1987) von der Abtei St. Gabriel musste wegen ihrer jüdischen Herkunft in das Exil nach Belgien gehen und überlebte die Verfolgung wie durch ein Wunder.

Das katholische Schulwesen wurde entkonfessionalisiert, Internate geschlossen, das kirchliche Pressewesen lahmgelegt, die obligatorische Zivilehe verordnet. Die Theologische Fakultät wurde mit 1. April 1939 von der Grazer Universität verbannt bzw. mit der Wiener Theologischen Fakultät zusammengelegt.

Der Caritasverband verlor durch Beschlagnahmungen praktisch seine äußeren Hilfsmittel und Einrichtungen und durfte sich nur der Fürsorge für alte und kranke Personen widmen. Feiertage wurden zu Werktagen umgewandelt. Konfessionelle Vereine wurden aufgehoben, ihr Wirkungsbereich auf den rein religiösen Sektor beschränkt.

Durch gezielte antikirchliche NS-Propaganda verließen 1938 vier Prozent der Katholiken die steirische Kirche. Insgesamt traten von 1938 bis 1945 zwischen 80.000 und 90.000 Steirer aus der katholischen Kirche aus, davon ein Drittel allein in Graz. Mit der Enteignung des Religionsfonds zerschlugen die Machthaber die vom Staat wesentlich mitgetragene Regelung der Kirchenfinanzierung. Der von ihnen eingeführte Kirchenbeitrag hatte das Ziel, die Kirche endgültig zu „liquidieren“, indem Hitler mit diesem Gesetz die Austrittsbereitschaft bewusst fördern wollte.

Zu einem Widerstand der österreichischen Kirchenleitung gegenüber der nationalsozialistischen Diktatur oder zu einer Kritik am Herrschaftssystem kam es nicht, wohl aber durch einzelne Kirchenmitglieder.

Michaela Sohn-Kronthaler

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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