Zeitdiagnose | Teil 04
Islamdebatte stellt Religionen unter Generalverdacht

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Irgendwie ist es schon eine Binsenweisheit geworden: So viel – öffentliche – Religion wie heute war schon lange nicht mehr!

Kaum eine Nachrichtensendung, in der nicht eine Headline einen unmittelbaren religiösen Hintergrund hätte. Der IS-Terror lähmt zumindest vorübergehend Paris und Brüssel, selbst München hat den Jahreswechsel schon entspannter gefeiert. Pegida beruft sich auf das „christliche Abendland“, der Vatikan anerkennt Palästina, jede Äußerung von Papst Franziskus wird weltweit gehört.

Das Verhältnis der moslemischen Hegemonialmächte Iran, Saudi-Arabien und Türkei wird täglich mehr zum global bedrohlichen Pulverfass, Donald Trump setzt im amerikanischen Wahlkampf auf die anti-islamische Karte, und Wladimir Putin lässt sich ideologisch unverändert vom orthodoxen Patriarchen unterfüttern. Auch in den säkularen westlichen Demokratien sind die Neujahrsansprachen ein unverändertes Privileg der politischen und geistlichen Spitzenrepräsentanten.

Religion ist nicht „Privatsache“

Religion ist eben nicht die vielzitierte und von manchen Kampfatheisten noch mehr beschworene „Privatsache“, das lässt sich nicht nur vor diesem Hintergrund rasch als ideologisch begründete Wunschvorstellung einer zahlenmäßig nicht großen, aber medial bestens positionierten Minderheit erkennen. Natürlich: Der persönliche Glaube bzw. die Entscheidung, die anvertrauten Kinder in diesem Glauben zu erziehen, ist „privat“, doch selbst davon ist die Gesellschaft, sprich die Öffentlichkeit, betroffen.

Die politisch Verantwortlichen von Wien wurden knapp vor Jahreswechsel mit ihrer Ignoranz gegenüber der religiösen Dimension jedes gemeinschaftlichen Lebens unsanft auf den Boden der Realität geholt. Nach der Devise „Was nicht sein soll, also Religion(en), wird auch nicht wahrgenommen“ hat man wohl zu lange das Phänomen islamistischer Abschottung in den Kindergärten ignoriert.

Wie nicht anders zu erwarten, hat die Diskussion um muslimische Kindergärten wiederum vor allem jene auf den Plan gerufen, die – wie beispielsweise im ORF – jede religiöse Erziehung als Gefährdung sehen wollen. Und wie immer folgt sehr rasch das Scheinargument: Die Kinder können sich ja später ohnehin selbst frei entscheiden. Genau so gut könnte man aber gegen jegliche werteorientierte Erziehung insgesamt argumentieren(?).

Recht der Eltern

Warum Toleranz? Warum Empathie? Warum Rücksicht? Es muss das unveräußerliche Recht aller Eltern bleiben, ihre Kinder ihren Überzeugungen nach erziehen zu dürfen. Und wenn es hierzulande schon zu reichen scheint, wenn sich ein Kindergartenkind – oder besser gesagt dessen Eltern – von einem Kreuz im Raum „belästigt“ fühlt, so dass dessen Entfernung zur Diskussion steht, und wir als Kirche hier nicht laut und offensiv dagegen Einspruch erheben, dann ist Gundula Walterkirchen Recht zu geben, wenn sie in der „Presse“ vom 21. Dezember 2015 Klartext spricht: „Die frohe Botschaft, die schamhaft verschwiegen wird.“

Hans Putzer

 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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