SOMMERSERIE 2021 | Beten mit den Füßen Teil 11: Südtirol
Der Herrgott als ständiger Begleiter

Das Ziel der Wegetappe: Kloster Marienberg, die höchstgelegene Benediktinerabtei Europas.  | Foto: Martina Rainer
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  • Das Ziel der Wegetappe: Kloster Marienberg, die höchstgelegene Benediktinerabtei Europas.
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Durch weite Felder, entlang ortstypischer Wasserwaale, vorbei an Kapellen und historischen Bauernhöfen – die Etappe des Südtiroler Jakobsweges von Glurns über Mals zum Kloster Marienberg besticht auf vielerlei Art.

In den Gassen hinter den beeindruckenden Ringmauern und zwischen den jahrhundertealten Häusern ist mittelalterliches Flair spürbar: Glurns, die im Obervinschgau gelegene kleinste Stadt Südtirols und Ausgangspunkt der rund zehn Kilometer langen Weg-etappe, ist auf jeden Fall einen Besuch wert.
Am Malser Tor beginnt die insgesamt rund dreieinhalbstündige Pilgerwanderung. Erstes Zwischenziel ist der Tartscher Bühel, ein kleiner, rund geformter felsiger Hügel mit steppenartiger Vegetation. Er erhebt sich vor dem Auge, kurz nachdem der Siedlungsbereich verlassen wird. Es geht vorbei an grün-saftigen Feldern, Mohnblumenteppichen und weidenden Kühen. Leicht ansteigend führt der Weg bis unterhalb des Hügels, der in nördliche Richtung – etwas unterhalb der Bahnstrecke bis zur Bahnunterführung – umgangen werden muss.
Dem Weg Richtung Tartsch folgend, erreicht man schließlich das kleine Dorf. Die schönen alten Bauernhäuser unterstreichen den typischen ländlichen Charakter des Ortes. An der dem hl. Andreas geweihten Dorfkirche vorbei – ein kleiner Abstecher lohnt sich – führt der Weg rechter Hand leicht ansteigend auf den Hügel. Die hoch oben im Wind flatternde weiß-rote Tiroler Fahne ist dabei ein nützlicher Wegweiser. Über ein kleines grünes Gittertor gelangt man auf den richtigen Pfad. Ist die Höhe erreicht, taucht auch schon die Spitze des Kirchleins St. Veit auf.

Mythenumwobener Kraftort
Der Tartscher Bühel ist eine vorchristliche Kultstätte und war bereits in der Antike besiedelt. Rund 80 Hütten und Häuser sollen hier gestanden haben. Die romanische Kirche wurde im 11. Jahrhundert erbaut. Eine mächtige Steinmauer umgibt das Kleinod. Bevor der Weg zurück ins Dorf in Angriff genommen wird, darf der atemberaubende Panoramablick über die Malser Haide, den größten Schuttkegel der Ostalpen, und nach Glurns mit den mächtigen Bergspitzen im Hintergrund genossen werden. Erstmals erblickt man in der Ferne Richtung Norden auch das Ziel dieser Pilgeretappe – Kloster Marienberg. Man muss sich von der Weite und Stille, die diesen Ort umgeben, geradezu losreißen, um sich wieder auf den Weg zu machen.
Von Tartsch aus ist Mals das nächste Ziel. Aufmerksamkeit ist geboten, um den richtigen Weg zu finden. Nicht nur auf diesem Teilstück ist die Beschilderung nicht eindeutig bzw. auch mangelhaft. Der Vinschger Straße entlang – linker Hand liegt die schlicht gehaltene Josefskapelle – geht es einige hundert Meter weiter bis zur Pizzeria „Remo“. Dort gilt es, an einem Holzlattentor vorbei den Parkplatz des Restaurationsbetriebes zu durchqueren. Kurz bevor der Weg wieder in die Vinschgauer Straße mündet, geht rechts ein kleiner Steig ab. An Feldern entlang und vorbei an blühenden Rosensträuchern und duftenden Holunderbüschen erreicht man nach rund 20-minütigem Gehen den Ortsrand von Mals.
Dort wird auch ersichtlich, dass man sich auf dem Unterwaal befindet: Ein plötzlich hörbares Rauschen lenkt den Blick auf das fließende Wasser in einem kleinen Kanal parallel zum Weg. Das beruhigende Plätschern begleitet einen fast bis zum Ortskern. Die Kirchturmspitze weist wieder den Weg.
Vom Ortszentrum aus – Gasthäuser für eine kurze Rast sind hier zur Genüge zu finden – folgt man der Beschilderung Richtung Burgeis bzw. St.-Benedikts-Kirche. Diese zählt zu den ältesten Sakralbauten im Alpenraum und wurde vermutlich im 8. Jahrhundert erbaut. Eine Besichtigung lohnt sich allemal – allerdings gilt es, die Öffnungszeiten im Auge zu haben. Das kurze Verweilen ist wohltuend, denn nun gilt es, den anspruchsvollsten Teil der Wegstrecke zu bewältigen. Das Hinweisschild „Burgeis“ zeigt die Richtung an und führt bis zu einer Weggabelung, wo sich ein beschatteter Rastplatz mit einem verwitterten Holzkreuz findet. Es ist eines von vielen Kruzifixen, die einen auf dem Pilgerweg am Wegesrand oder auch an Hauswänden grüßen – der Herrgott ist auf dieser Etappe ein ständiger Begleiter.
Der Pilgerweg führt geradeaus leicht ansteigend weiter. Wer einen anstrengenden Anstieg und den Weg auf dem Steilhang vermeiden will, kann von hier aus auf dem Fahrradweg nach Burgeis gelangen. An der Straße nach Planeil führt der Weg rechter Hand in Richtung Oberwaal bzw. Sonnensteig weiter. Durch den Mischwald geht es auf einem Forstweg in Serpentinen aufwärts an einem großen Waldspielplatz vorbei, bis man, der Beschilderung „Sonnensteig“ folgend, auf den Oberwaalweg gelangt und den Waldweg Richtung Burgeis einschlägt.

Imposante Klosteranlage
Der Steig führt durch einen schönen Mischwald – der Lärchenduft und das Plätschern des Wassers im Waal wirken wahrlich beruhigend. Auch an diesem heißen Tag ist es hier schattig und luftig. An den abschüssigsten Stellen des steilen Abhangs erleichtern Holzstege mit Geländer nicht ganz schwindelfreien Pilgerinnen und Pilgern das Gehen. Nach einer knappen halben Stunde Gehzeit weitet sich die Landschaft – die Malser Haide mit ihren weiten, sattgrünen Wiesen ist erreicht. Die plötzliche Weite lädt zum tiefen Einatmen ein.
Am Zaun entlang geht es bis zu einer kleinen Holztreppe, dort werden die Felder durchquert. Die auf der gegenüberliegenden Talseite gelegene Ortschaft Burgeis ist bald erreicht, darüber thront die mächtige Klosteranlage in ihrer weißen Pracht. Vom kleinen Dorfplatz, über den der Erzengel Michael wacht, geht es kurz ansteigend zum Wald. Das Gehen im Schatten der Bäume auf diesem letzten Stück ist wohltuend.
Das Ziel ist erreicht: Die imposante Architektur der höchstgelegenen Benediktinerabtei Europas (1340 m) ist beeindruckend. Gleichzeitig umfängt einen sogleich Ruhe und Stille.

Martina Rainer


Kultur am Weg

Kirche St. Veit – Tartscher Bühel
Die romanische Kirche auf dem Tartscher Bühel wurde im 11. Jahrhundert erbaut. Im Innern sind ein Barockaltar und romanische Fresken zu finden, die nur mehr fragmentartig erhalten sind. Infos zu den Öffnungszeiten: Ferienregion Obervinschgau.

Kirche St. Benedikt – Mals
Sie ist eine der ältesten bis heute erhaltenen Kirchen Europas: Die kleine St.-Benedikt-Kirche aus dem 8. Jh. birgt karolingische Wandmalereien, die zu den ältesten Fresken Westeuropas zählen. Informationen zu
den Öffnungszeiten bei Ferienregion Obervinschgau.

Kloster Marienberg – Burgeis
Seit seiner Gründung im 12. Jh. leben hier Mönche nach den Ordensregeln des heiligen Benedikt von Nursia. Sehenswert sind die romanischen Kryptafresken mit ihren einzigartigen Engelsdarstellungen, die Stiftskirche, das Museum und die Klosterbibliothek. Im Kloster befindet sich auch ein Gästehaus. Informationen:
www.marienberg.it

Jakobsweg in Südtirol
Südtirol liegt an der Schnittstelle zweier großer Pilgerrouten von Norden nach Süden und von Osten nach Westen. Der Jakobsweg kann in insgesamt 16 Etappen begangen werden. Die einzelnen Teilstrecken mit den wichtigsten Informationen sind unter www.jakobswegsuedtirol.it (Projektgruppe Jakobsweg Südtirol Jakobsgemeinschaft Tirol) zu finden.

Nützliche Informationen

  • Der Vinschgau ist auch mit dem Zug gut erreichbar. Informationen zu den Fahrplänen von Bahn und Bus unter www.suedtirolmobil.info/de
  • Gästeinformation Vinschgau, Glurns, Tel. (0039) 0473/62 04 80,  info@vinschgau.net – www.vinschgau.net
  • Ferienregion Obervinschgau, Mals, Tel. (0039) 0473/83 11 90, info@ferienregion-obervinschgau.it, www.ferienregion-obervinschgau.it
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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