800 Jahre Diözese Graz-Seckau | Teil 17
Der Gesang im Gottesdienst

Böhmisches Antiphonar im Stift Vorau (Ausschnitt), um 1360. Neben mittelalterlichen Musikhandschriften gibt es im Stiftsarchiv Vorau ein Musikarchiv mit Werken aus dem 19. und 20. Jahrhundert. | Foto: Sohn-Kronthaler, Archiv, Neuhold
  • Böhmisches Antiphonar im Stift Vorau (Ausschnitt), um 1360. Neben mittelalterlichen Musikhandschriften gibt es im Stiftsarchiv Vorau ein Musikarchiv mit Werken aus dem 19. und 20. Jahrhundert.
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Im Mittelalter zählten die steirischen Klöster Göß, Admont, St. Lambrecht und Rein sowie die Chorherrenstifte Seckau und Vorau und die Kartause Seitz zu den musikalischen Zentren unseres Landes. Die drei Seckauer Libri ordinarii (vor 1200, 1345, um 1595) bezeugen eine eigenständige Entwicklung in der Seckauer Liturgie und eine gemeinsame Tradition mit Salzburg.

Eine Blütezeit der Kirchenmusik bildeten das 15. und 16. Jahrhundert, als Graz zur Residenzstadt wurde und der Protestantismus stark spürbar war. Kaiser Friedrich III. und Erzherzog Karl II. umgaben sich mit einer Hofkapelle. Mit der Berufung von Italienern zu Hofkapellmeistern vollzog sich ein Stilwandel zur „damals modernen venezianischen Musik mit ihrer Doppelchörigkeit und instrumentalen Kirchenmusik“ (Franz Karl Praßl). Unter Kaiser Ferdinand II. wurde die Grazer Hofkapelle 1619 nach Wien verlegt.

Im Graz des 17. und 18. Jahrhunderts wurde die Kirchenmusik vor allem in der heutigen Stadtpfarrkirche zum Hl. Blut sowie bei den Minoriten und Franziskanern und besonders bei den Jesuiten gepflegt. Deren Studierende sorgten für die Musik in Kirche und Kolleg und erhielten dafür ein unentgeltliches Studium. Ein bekannter Absolvent der Grazer Universität ist der aus St. Marein bei Graz stammende Johann Josef Fux (1659/60–1741), der spätere Wiener Hofkomponist und Kapellmeister am Stephansdom. Aus jener Zeit stammen auch viele „Kleinmeister“ der steirischen Kirchenmusik. Aus Gleisdorf gebürtig ist Johann Georg Zechner (1716–78), der zum Hauskomponisten von Göttweig wurde und die Orgelsolomesse „erfand“.

Zu den herausragenden Grazer Domorganisten des 19. Jahrhunderts zählt Ludwig Carl Seydler (1810–88), welchem die steirische Landeshymne melodisch zu verdanken ist.

Die kirchenmusikalische Reformbewegung des Cäcilianismus fasste in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Gründung eines Diözesan-Cäcilienvereins 1875 in Bruck an der Mur in der Diözese Seckau Fuß – er bestand bis 1969 – und hatte die Lieder vor und nach der Reformationszeit zum Vorbild. Einer seiner Hauptvertreter war Anton Faist. Erst der Cäcilianismus maß den größeren (Laien-)Chören Bedeutung zu.

Gemeindegesang
Ältestes Zeugnis für den Gemeindegesang ist das Lied „Christ ist erstanden“, das um 1150 erstmals erwähnt wird und beim Besuch des leeren Heiligen Grabes am Ostersonntag gesungen wurde.

Im 16. Jahrhundert schuf der Grazer Stadtpfarrer Andre Gigler (1553–1570), in Anger bei Weiz geboren, die „Gesang Postill“ (1569), das erste steirische Gesangbuch mit Notendruck. Er war Anhänger lutherischer Theologie und Frömmigkeit, verheiratet und blieb doch der katholischen Kirche verbunden. In der Gegenreformation und Katholischen Reform förderten vor allem die Jesuiten den Gemeindegesang in der Liturgie.

Im 18. Jahrhundert entstanden die ersten Messliedreihen. Maria Theresia führte 1725 die Singmesse „Kommt, lasset uns Gott ehren“ in der Habsburgermonarchie ein. 1783 verordnete Joseph II. seinen Untertanen das Messlied „Wir werfen uns darnieder“. Der Salzburger Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1772–1812) führte in seiner Erzdiözese 1781 das Landshuter Gesangbuch mit der Messliedreihe „Hier liegt vor deiner Majestät“ ein. Bald setzte sich die „Haydn-Messe“ in der Wiener Version von 1800 bis heute durch.

Aus der Zeit des staatlich verordneten Kirchengesangs stammen bis heute gerne gesungene Lieder, so etwa „Deinem Heiland, deinem Lehrer“ von Franz Xaver Riedel (1738–73) oder „Tauet Himmel“, „Lass mich deine Leiden singen“ und „Der Heiland ist erstanden“ von Michael Denis (1729–1800).

Im 19. Jahrhundert kam es dann vermehrt zu Gesangbüchern und Liedkompositionen. Hingegen lehnte der Cäcilianismus die beliebten Messliedreihen ab.

Noch während des Zweiten Vatikanums erfolgte 1963 durch Philipp Harnoncourt die Gründung einer Abteilung Kirchenmusik an der heutigen Kunstuniversität Graz. 1989 wurde das Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese Graz-Seckau ins Leben gerufen. Seit 2010 gibt es ein Referat Kirchenmusik im Pastoralamt. Nach Prof. Johann Trummer leitet nun Subregens Alois Kowald die Sektion Kirchenmusik. Singfreudigen Gemeinden, Kirchenchören und vielen anderen (auch jugendlichen) Gruppen sowie OrganistInnen, InstrumentalistInnen und KantorInnen verdankt die Steiermark eine vielfältige, lebendige Kirchenmusik.

Michaela Sohn-Kronthaler

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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