Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 078
Angst und Sucht

Eigenes Versagen oder Unvermögen zuzugeben scheint in unserer Leistungsgesellschaft unmittelbar an den Verlust menschlicher und sozialer Anerkennung gekoppelt zu sein. | Foto: Fotolia
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Im Teufelskreis

Es gibt die Angst vor dem Fremden und Unbekannten, vor Leistungserwartungen und der Möglichkeit, daran zu scheitern, die Angst vor der eigenen beruflichen Zukunft, der Zukunft überhaupt, vor Fortschritt und Technik, Anonymität und Alleinsein. Ist die Reaktion Angst dem Anlass angemessen, kann sie uns durchaus helfen, reale oder vorgestellte Bedrohungen aktiv zu bewältigen. Sie kann uns aber auch lähmen und Weiterentwicklung hemmen. Da, wo sie unangemessen groß ist und eine Bewältigung unmöglich erscheint, spricht man von krankhaften Formen wie zum Beispiel Phobien oder panikartigen Zuständen, an denen gerade heute immer mehr Menschen dauerhaft leiden.

Die Folgen all dieser Ängste sind meist ein Rückzug in den privaten Bereich, der Verlust sozialer Beziehungen, Vereinsamung, nicht selten auch Medikamenten- oder Alkoholabhängigkeit, Depression und Suizid. Für den ängstlichen Menschen scheint es keine Zukunft zu geben, die ein Engagement lohnt und sich gestalten lässt. Angst hat stets eine zutiefst persönliche Komponente und eine Entwicklungsgeschichte, die mit unserer Geburt beginnt – es gibt im Prinzip nichts, wovor wir nicht Angst entwickeln könnten. Die Angst des Menschen um sich selbst nimmt dabei eine exponierte Stellung ein, weil hier die Wurzel für Egoismus und Unmenschlichkeit liegt.

Der christliche Glaube zeigt uns mit Jesus ein Modell grenzenlosen Vertrauens auf, das uns Mut machen kann, unsere Ängste zu überwinden. Wir dürfen uns sorgen, wir dürfen uns Gedan­ken machen über den Zustand der Welt und den Skandal von Reichtum und Armut, aber wir dürfen uns auch vertrauensvoll zurücklehnen, wenn wir das getan haben, was in unserer Macht steht. Sich dem Herrn über Leben und Tod anvertrauen zu dürfen, ist das kleine Wunder grenzenlosen Vertrauens, das einem Leben in ständiger Aufgeregtheit und in nicht enden wollender Sorge wehrt und das den Menschen auf Dauer von zermürbenden Lebensängsten befreien kann.

Der Christ ist sich, wenn er gar nicht mehr weiter weiß, gewiss, dass er doch noch eines tun kann: sich mit allen seinen Sorgen an diesen Gott zu wenden und zu bitten, er möge ein wenig von der Angst nehmen oder er möge die leeren Krüge unseres Lebens wieder füllen. Das Gebet ist damit ein christliches Machtmittel gegen die Angst. Derjenige, der Gott anvertraut, was er nicht lösen kann, was ihn ängstigt, vergewissert sich im Dialog mit ihm, dass dieser Gott über ihn und seine Welt wacht.

Auch mit Blick auf die biblischen Erzählungen und Personen werden Christen eine Fülle geglückter Lebensentwürfe und überwundener Ängste vorgestellt: der Lebensmut des alten Abraham etwa, der allein aus dem Glauben an die Zusage Gottes gegen alle menschliche Vernunft aufgebrochen ist, um das Land der Verheißung zu finden und es mit zahlreichen Nachkommen – zahlreich wie die Sterne am Himmel – zu bewohnen. Christen haben die Überzeugung, dass Gott sie aus aller Be-drohung und Gefahr einen erfolgreichen Weg führt. Und mehr noch, dass er diesen Weg auch mit ihnen geht, durch das Meer der Angst und aller Finsternis und Bedrängnis. Das kann am Ende zu einer ungeheuren Erfahrung von Sinn werden: die Begegnung mit einem Gott, die zwar nicht den Lösungscode für jegliche Angstbewältigung parat hält, der uns aber in allen Ängsten begleitet.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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