Mutworte - Christa Carina Kokol
„Wabi-Sabi“ auch mit Badekostüm

Beruf, Gesundheit, Zeugnisnoten, Traumurlaub mit entsprechender Bikinifigur … Bei den meisten von uns wird’s nicht ganz so perfekt abgehen. Tröstlich zu hören, dass in Japan „Wabi-Sabi“ für die verborgene Schönheit im Unvollkommenen steht: Etwas ist gerade deshalb schön, weil es nicht perfekt, aber einzigartig ist. Mit Moos überzogene Gemäuer tragen sichtbare Spuren der Zeit. Dennoch sind sie voll geheimnisvoller, paradiesischer Schönheit.
Der Philosoph K. P. Liessmann nennt die „wahnsinnigen Ansprüche“ an „optimale Körper, gedopte Gehirne …“ ein „Trugbild der Perfektion“. Wir alle sind unfertige Menschen, die sich auf dieser Welt entfalten und gegenseitig ergänzen dürfen. „Gott sah, dass es gut war“ – nicht perfekt vollendet.
Wo bleibt in einer perfekten Welt die schöpferische Mitverantwortung und Weiterentwicklung des Menschen, der sinnvolle Umgang mit Mängeln und Verletzungen – bei sich selbst und der Umgebung? In einer Welt, in der es nur das „Optimum“ geben darf, ist nicht zu erwarten, dass Menschen ihr Herz jenen öffnen, die dieser Vorgabe nicht entsprechen. Ein permanenter Selbstbetrug.
Die österreichische Nationalelf hat ihr Bestmögliches gegeben. Auch oder gerade weil dennoch nicht alles perfekt gelaufen ist, wurde ihr besondere Achtung zuteil. Und „zweifellos sind sämtliche Beteiligte daran gewachsen“ (Kleine Zeitung).
Ferien, moosgrüne Gemäuer und wir im Badekostüm. Ich kann nur sagen: „Wabi-Sabi.“

Christa Carina Kokol

ist dipl. psychotherapeutische Beraterin in Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor E. Frankl. 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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