Franz Jägerstätter | Teil 04
Wie peinlich das Dahinleben so als halber Christ oft ist

Klarer und weitsichtiger als viele seiner Zeitgenossen war Franz Jägerstätter, nicht geblendet. | Foto: Erna Putz
  • Klarer und weitsichtiger als viele seiner Zeitgenossen war Franz Jägerstätter, nicht geblendet.
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Franz Jägerstätter war ein „wacher“ Mensch. Die biblische Wachsamkeit ist für ihn eine Grundhaltung. Wachsamkeit fordert er zum einen sich selbst gegenüber, damit das klare moralische Urteil nicht verloren geht, zum anderen besonders gegen­über gesellschaftlichen und politischen Vorgängen.

Wachsamkeit ist gekoppelt mit der Unterscheidungsgabe. Und Jägerstätter war eine prophetische Gestalt, weil er die Gabe der Unterscheidung der Geister hatte.

Bei der Fähigkeit zur Unterscheidung der Geister geht es um ein Sensorium, Entwicklungen, die im Ansatz schon da sind, aber noch durch vielerlei überlagert werden, vorauszufühlen. Sie blickt hinter die Masken der Propaganda, hinter die Rhetorik der Verführung, sie schaut auf den Schwanz von Entwicklungen, zum Beispiel was Versprechen von Arbeit und Brot, die Zusage von nationalem Selbstbewusstsein oder die Verheißungen großer Siege anlangt.

Bei der Unterscheidung der Geister geht es um ein Zu-Ende-Denken und Zu-Ende-Fühlen von Antrieben, Motiven, Kräften, Strömungen, Tendenzen und möglichen Entscheidungen, auch im politischen Bereich. Was steht an der Wurzel, wie ist der Verlauf, und welche Konsequenzen kommen heraus?

Entscheidend ist positiv die Frage, was auf Dauer zu mehr Trost, d. h. zu einem Zuwachs an Glaube, Hoffnung und Liebe führt. Nach seiner Verurteilung schreibt Jägerstätter: „Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen, wie peinlich oft das Leben ist, wenn man so als halber Christ dahin lebt, es ist schon mehr ein Vegetieren als Leben.“ Es ist die positive Suche nach Glück, Sinn und Heil, die ihn im Glauben verwurzeln lässt. Dieses Glück bindet er an Jesus Christus: „So glücklich ist kein Glücklicher als der, welcher Christus im Herzen trägt.“

Negatives Kriterium für die Unterscheidung ist die Destruktivität des Bösen, das vordergründig unter dem Schein des Guten und des Faszinierenden antritt. Unterscheidung der Geister ist so gesehen ein Frühwarnsystem, eine Stärkung des Immunsystems gegenüber tödlichen Viren.

Letztes Kriterium für die Unterscheidung der Geister ist bei Jägerstätter der Wille Gottes. An Jesus liest er den Willen des Vaters ab: „Wenn uns der ‚Sinn Christi‘ abgeht, werden wir nie den Standpunkt wahrhaft religiöser Menschen verstehen.“

Franz Jägerstätter ist ein Prophet mit einem Weitblick und Durchblick, wie ihn damals die wenigsten seiner Zeitgenossen hatten, er ist Vorbild in der Treue zum Gewissensanspruch, Anwalt der Gewaltlosigkeit und des Friedens, Warner vor Ideologien, er ist ein gläubiger Mensch, dem Gott wirklich Mitte und Zentrum des Lebens war. Sein prophetisches Zeugnis für die christliche Wahrheit beruhte auf einer klaren und weitsichtigen Analyse der Barbarei des menschen- und gottverachtenden Systems des Nationalsozialismus, dessen Rassenwahn, dessen Ideologie des Krieges und der Staatsvergottung wie von dessen erklärtem Vernichtungswillen gegenüber Christentum und Kirche.

Jägerstätter hat objektiv Zeugnis für die Wahrheit und für die Gerechtigkeit, insofern sie auf Gott bezogen sind, abgelegt. Jägerstätter war in seiner Diagnose nicht geblendet, sondern klarer und weitsichtiger als viele seiner Zeitgenossen.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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